Die neuen Klassenkämpfe

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"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen." (Warren Buffett, 2006)

Gewerkschaften unter Druck

Weitsichtig haben (nicht nur) VertreterInnen der AK ÖO bereits kurz nach Regierungsantritt ausgeführt: „Was sich durch das Programm durchzieht, ist die massive Ungleichbehandlung von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Unternehmerinteressen wird sehr viel Verständnis entgegengebracht, Arbeitnehmerinteressen werden vielfach ausgeblendet. Menschen in Notlagen (Arbeitslose, Mindestsicherungsbezieher, Migranten) werden pauschal unter Missbrauchsverdacht gestellt und mit verschärften Sanktionen bedroht.“ Und deutlich warnt man vor der – in weiteren Schritten – grundsätzlichen Existenzgefährdung für die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen: „Besonders kritisch sieht die AK, dass die Regierung durch eine – vage formulierte – ‚Angleichung‘ der Betriebsräte und die Abschaffung der Jugendvertrauensräte die Belegschaftsvertretung schwächen will. Gleichzeitig sollen wichtige Sozialpartnervereinbarungen von der Branchen- auf die Betriebsebene verlagert werden, wo die Beschäftigten von den Arbeitgebern viel leichter unter Druck gesetzt werden können. Die Sozialpartner auf überbetrieblicher Ebene werden dadurch ausgeschaltet.“ Ins selbe Horn stößt auch Fritz Schiller: „Die Abschaffung der Jugendvertrauensräte ist nur ein kleiner Puzzlestein im großen Bild: Es geht darum, die bisher erkämpften Arbeitnehmerrechte zu beschneiden, zu reduzieren, zu marginalisieren. Die Unternehmerseite hat sich in diesem Regierungsprogramm durchgesetzt. Es bleibt nur, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Lande zu raten, erstens einen Betriebsrat zu wählen, zweitens der Gewerkschaft beizutreten und vor allem drittens sich selbst zu engagieren!“

Strategiedebatte nötig

Die Gewerkschaften selbst empfinden die aktuelle Regierungspolitik somit zurecht als „Frontalangriff“, der nicht nur Unternehmerinteressen durchsetzt, sondern auch das institutionelle Mitwirken außer Kraft setzt. Auch in diesem Sinne vorausschauend mahnt etwa das bereits erwähnte Papier der AK OÖ die Regierung, die Interessenvertretungen entsprechend der sozialpartnerschaftlichen Tradition einzubinden. Doch was geschieht, wenn – wie zu erwarten – dieser Appell ungehört bleibt? Nach den Gewerkschaftsforschern Stefan Schmalz und Klaus Dörre verfügen Gewerkschaften über unterschiedliche Ressourcen der (Gegen-)Macht. Neben institutionell verbrieften Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten in staatlichen Institutionen sind das Ausüben von ökonomischer Macht (beispielsweise durch Streiks), ideologischer Macht (auch durch die Kooperation und Interaktion mit anderen Akteuren) sowie politischer Macht durch die eigene Mitgliederstärke und Mobilisierungsfähigkeit.

Bereits die Demonstration der 100.000 gegen den 12-Stunden-Tag zeigte exemplarisch, wie sehr sich die Koordinaten verschoben haben, weil die Regierung die Sozialpartnerschaft in diesem Fall umgangen hat. Nun müssen Gewerkschaften im Interesse der ArbeitnehmerInnen umso mehr mit anderen Mitteln um Einfluss ringen. Hoffnung in der Auseinandersetzung mit dem verschärften „Klassenkampf von oben“ gibt dabei, dass der ÖGB hier nicht nur in der Lage war, seine Mobilisierungsfähigkeit zu beweisen. Gleichzeitig hat er – zumindest periodisch – der Regierung die Meinungsführerschaft abgenommen. Ebenso können Gewerkschaften nach einer langen Durststrecke auch bezüglich der Mitgliederzahlen einen Trend nach oben verbuchen. Die Gewerkschaften haben sich vorgenommen, im Zuge der KV-Verhandlungen zurückzuholen, was vor dem Sommer durch Regierung und Industrie genommen bzw. infrage gestellt wurde. Es wird daher ein heißer Herbst, bei dem viel auf dem Spiel steht. Eine große Aufgabe also für die VerhandlerInnen aufseiten der ArbeitnehmerInnen.

Von
John Evers
Erwachsenenbildner und Historiker

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/18.

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