Auftragsstudien und Öffentlichkeit: Die Politik ist gefordert

Ex-Kanzler Sebastian Kurz würde einem Delfin ähneln – "schlau und gefährlich" –das ermittelte eine vom Finanzministerium beauftragte Studie im Jahr 2017. Sie kostete mehr als 150.000 Euro. (c) Adobe Stock / Alona
Politische Auftragsstudien müssen wissenschaftlichen Standards entsprechen, das fordern unterschiedliche außeruniversitäre Wirtschaftsforschungsinstitute in einem gemeinsamen Memorandum. Mit einem Leitfaden möchte man auf fragwürdige Praktiken aufmerksam machen.
Vergleiche zwischen Politiker:innen und Tieren beherrschten jüngst die Medien. Viele wissen nun, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz einem Delfin ähnelt, Ex-Kanzler Christian Kern hingegen einem Pfau. Und wenn man politische Parteien mit Autos vergleichen würde, dann wären die Grünen ein Elektroauto und die NEOS ein Fiat 500. Um das herauszufinden, wurde vonseiten des Finanzministeriums im Jahr 2016 Steuergeld in Höhe von 150.000 Euro in die Hand genommen und die Meinungsforscherin Sabine Beinschab beauftragt, diese ausgefeilte Studie durchzuführen. Dass so etwas wenig bis nichts mit Wissenschaft zu tun hat, liegt auf der Hand. Dieser und weitere Fälle hat nun eine Gruppe von außeruniversitären Forschungsinstitutionen veranlasst, Stellung zu beziehen und die Relevanz von wissenschaftlicher Integrität bei öffentlichen Studien zu betonen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), das Institut für Höhere Studien (IHS), das Austrian Institute of Technology (AIT), Joanneum Research (JR) sowie das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) luden vergangene Woche, um gemeinsam die Prinzipien bei Auftragsstudien zu erläutern. Mit einen Memorandum of Understanding werden die Grenzen der wissenschaftlichen Praxis abgesteckt. Denn: „Wissenschaftliche Integrität ist gerade jetzt sehr wichtig und auch, dass wir als Institute ein Zeichen setzen“, so WIFO-Vorsitzender Gabriel Felbermayr im Mediengespräch mit Journalist:innen. Felbermayr betonte dabei die politischen Chats, in denen es konkrete Überlegungen gab, das WIFO und das IHS unter Druck zu setzen, und die teuren, höchst dubiosen Studien, die nicht unbedingt durch wissenschaftliche Exzellenz glänzten.

Wissenschaftliche Integrität ist gerade jetzt sehr wichtig und auch, dass wir als Institute ein Zeichen setzen

Gabriel Felbermayr, WIFO-Vorsitzender

„Es ist ein positiver Schritt, dass man Rahmenbedingungen festlegt, wie wissenschaftliche Erkenntnis auch im Rahmen der Auftragsforschung gewonnen und veröffentlicht wird“, sagt auch Matthias Schnetzer, Referent der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft.

Verpflichtende Standards

16 Prinzipien sollen solcherlei wissenschaftliche Standards sichern. „Die Leitlinien sind in drei Themenbereichen zusammengefasst“, so IHS-Strategiechef Thomas König. „Der erste Bereich betrifft die Auftragsannahme und die Beauftragung von Studien. Hier ist uns sehr wichtig, dass eine Veröffentlichung vereinbart werden muss oder der Auftraggeber eine Begründung vorlegen muss, weshalb es keine öffentliche Publikation geben kann.“ Allerdings sollen die Meta-Daten publiziert werden. Das Erstellen der Studien anhand guter wissenschaftlicher Praxis umfasst den zweiten Themenbereich, und der dritte Bereich behandelt die Nutzung. Hier sind die Institute gefordert, sich über die eigene Verwendung der erhobenen Daten bewusst zu sein. „Bei den wirtschaftswissenschaftlichen Studien der AK arbeiten wir mit großer Sorgfalt daran, dass alle wissenschaftlichen Kriterien gewährleistet sind“, fügt Experte Schnetzer hinzu.

Was mit öffentlichem Geld erforscht wird, soll auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Matthias Schnetzer, Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien

Das Memorandum of Understanding wurde im Sommer 2020 von WIFO und IHS verabschiedet, und mit dem AIT, JR und dem wiiw sind nun drei weitere Partner dabei, die sich diesen Prinzipien verschreiben. „Es ist nicht besonders übertrieben, wenn man sagt, dass das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik im Moment nicht das Beste ist“, sagt Joanneum-Research-Direktor Wolfgang Polt. „Dieses Memorandum sehen wir auch als Appell an die Politik, in einen ehrlichen und intensiven Dialog einzutreten über den Umgang miteinander.“ Wissenschaftliche Expertise wollen die Institute allen zur Verfügung stellen und nicht exklusiv politischen Fraktionen, die solche Studien teilweise für parteipolitischen Eigennutz verwenden (wollen). Unisono sind sich die Teilnehmenden einig, dass sich nur durch qualitativ gute Forschung zu einer evidenzbasierten Politik beitragen lasse. Und Schnetzer von der AK Wien ergänzt: „Was mit öffentlichem Geld erforscht wird, soll auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.“

Respekt gegenüber der Wissenschaft

Seit das WIFO und das IHS das Memorandum verabschiedeten, werden von beiden Instituten alle Studien auch veröffentlicht. „Ich glaube, dass wir hier ein Druckmittel haben und auch nutzen“, sagt Felbermayr. Er sieht profitorientierte Institutionen und Kampagnen-Institute in Zugzwang. Denn wenn diese sich nicht dem Memorandum verpflichten und daher die Studien nicht öffentlich machen, werfe das nicht das beste Licht auf die politischen Verantwortungsträger:innen, die solchen Instituten Auftragsstudien mit Steuergeld zukommen lassen, meint er. Die Medien und die Öffentlichkeit seien gefordert, hier Druck auszuüben.

Es liegt an den Medien, wie sie auf Studien reagieren

Thomas König, IHS-Strategiechef

Die Prinzipien sind aber nicht immer festgezurrt, sondern können adaptiert und den jeweiligen wissenschaftlichen Standards angepasst werden. Auch auf EU-Ebene tut sich etwas. So wird von Instituten, die sich um Studien bewerben, ein sogenannter Research Integrity Promotion Plan gefordert. Wolfgang Polt meint, dass dieser Plan eine gute Messlatte für ethisches und integres wissenschaftliches Handeln bedeutet. Es brauche „Respekt der Politik gegenüber wissenschaftlicher Expertise“, so der JR-Direktor. Auch eine mögliche Marktmacht der Institute wurde angesprochen – allerdings relativiert betrachtet. Denn Marktmacht haben die Medien mehr als wissenschaftliche Institute. Und Medien entscheiden ein erhebliches Stück mit, inwiefern Studien gelesen, interpretiert und nach außen kommuniziert werden. „Es liegt an den Medien, wie sie auf Studien reagieren“, sagt König vom IHS.

Der gegenseitige Wettbewerb der Institute soll die Standards zukünftig sichern, und als weitere Schlichtungsmöglichkeit darf die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) nicht vergessen werden, die herangezogen werden kann, sollte es einen Verdacht geben, dass gewisse Prinzipien unterlaufen werden. Wann und in welcher Form ein geforderter runder Tisch mit der Politik und der Öffentlichkeit zustande kommt, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht klar.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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