Ein Bauarbeiter arbeitet monatelang auf einer Großbaustelle, zehn Stunden am Tag. Am Ende zahlt ihm der Auftraggeber nur einen Bruchteil seines Lohns aus. Dieses Beispiel zeichnet die AK bei der Pressekonferenz rund um das Thema Lohndumping. Früher konnten solche Praktiken für Unternehmen teuer werden. Seit 2021 ist das oft nicht mehr der Fall.
Die damalige Bundesregierung bestehend aus ÖVP und Grünen schwächte das österreichische Gesetz zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ab, und seither ist Lohnbetrug in Österreich wieder ein gutes Geschäft. Das geht aus einer neuen Studie von L&R Sozialforschung (Institut für Sozialforschung in Wien) im Auftrag der Arbeiterkammer Wien hervor: Die Strafen für Unternehmen, die ihre Beschäftigten unterentlohnen, sind massiv gesunken und damit auch die Angst, erwischt zu werden.
AK-Präsidentin Renate Anderl erklärte dazu in einer Pressekonferenz: „Manche Unternehmen haben Lohnbetrug zum Geschäftsmodell gemacht.“ Besonders betroffen seien die Baubranche, die Gastronomie und die Hotellerie.
Geringere Konsequenzen
Untersucht wurden über 300 rechtskräftige Urteile aus den Jahren 2020 und 2022. Das Ergebnis ist eindeutig: Nach der Reform erhielten viele Unternehmen deutlich mildere Strafen. Seit der Abschaffung des sogenannten Kumulationsprinzips und der Mindeststrafen hat sich das System zu Gunsten der Arbeitgeber verschoben. Kumulationsprinzip bedeutet, dass mehrere Strafen addiert werden können. Pro betroffener Person wird eine Strafe verhängt, wodurch insgesamt hohe Strafsummen zusammenkommen können. Bei Fällen, in denen mehr als drei Beschäftigte betroffen waren, schrumpfte der Abstand zwischen der verhängten Strafe und den vorenthaltenen Löhnen pro Person deutlich: Von durchschnittlich 12.878 Euro im Jahr 2020 auf nur mehr 4.618 Euro im Jahr 2022, wie der L&R-Bericht zeigt.
Das Risiko, dass Lohnbetrug
ernsthafte Konsequenzen hat,
ist derzeit äußerst gering.
Walter Gagawczuk, AK-Experte
Die Differenz zwischen Strafe und dem Lohn, der Arbeitnehmer:innen vorenthalten wurde, sank im Schnitt um ganze zwei Drittel. In jedem fünften Fall war die Strafe sogar niedriger als die Summe, die die Beschäftigten zu wenig bekommen hatten. „Das Risiko, dass Lohnbetrug ernsthafte Konsequenzen hat, ist derzeit äußerst gering“, betonte AK-Experte Walter Gagawczuk bei der Pressekonferenz.
Freibrief für Unternehmen
Renate Anderl sprach von einem „Freibrief für Unternehmen, ihre Beschäftigten um den Lohn zu bringen“. Anderl: „Zu geringe Strafen sind keine Abschreckung, sondern eine Einladung.“ Die Folgen sind nicht nur für die Betroffenen, sondern auch die Steuerkasse signifikant: Laut Finanzpolizei entsteht allein durch Sozialbetrug in der Baubranche jährlich ein Schaden von rund 350 Millionen Euro. Hinzu kommen 40 Millionen Euro unbezahlte Überstunden und hunderte Millionen Euro, die dem Staat durch manipulierte Arbeitslosengelder entgehen, wenn Unternehmen beispielsweise außerhalb der Saison Mitarbeiter:innen zum AMS schicken.
Nicht nur in der Baubranche ist es üblich, Aufträge an Subunternehmen und weiter an Sub-Subunternehmen zu vergeben. Dadurch entledigen sich die Erstauftraggeber ihrer Verantwortung, und es entstehen Subunternehmerketten, die einen idealen Nährboden für Sozialbetrug, Schwarzarbeit und Lohndumping bilden, so der Bericht von L&R Sozialforschung.
Wenn die Strafen für #Lohndumping geringer sind als die nicht gezahlten #Löhne entfällt auch die abschreckende Wirkung. Kein Wunder, dass der Anteil an solchen Fällen deutlich gestiegen ist, wie die Grafik zeigt. #Lohndumping #Sozialdumping
— @Arbeiterkammer (@arbeiterkammer.at) 11. November 2025 um 15:26
Die AK fordert eine Rückkehr zu härteren Strafen sowie mehr Kontrollen und die Möglichkeit, Sanktionen EU-weit gegenüber ausländischen Firmen durchzusetzen. Außerdem müssen Auftraggeber wieder stärker haftbar gemacht werden, wenn sie Subfirmen beschäftigen, die Löhne drücken. „Solange Betrug billiger ist als Fairness“, sagt Anderl, „haben wir alle ein großes Problem.“