Hohe Dunkelziffer: Diskriminierung am Wohnungsmarkt

Ein Paar zieht in eine neue Wohnung ein und packt Kisten aus. Symbolbild für Rassismus am Wohnungsmarkt. | © Adobe Stock/gpointstudio
Der Rassimus am Wohnungsmarkt ist subtiler geworden, aber nach wie vor ist die Dunkelziffer hoch. | © Adobe Stock/gpointstudio
Trotz Einkommen chancenlos: Für Menschen mit Migrationshintergrund gestaltet sich die Wohnungssuche sogar mit gut bezahltem Job besonders schwierig. Doch es gibt Maßnahmen, die dagegen helfen.

Eine Mietwohnung in Wien zu finden wird durch die steigenden Preise immer schwieriger. Doch bei vielen Menschen mit Migrationshintergrund kommt eine weitere Hürde hinzu: Sie werden diskriminiert – auch dann, wenn sie gut verdienen und mit beiden Beinen im Berufsleben stehen.

In Deutschland zeigt eine der umfangreichsten Studien zum Thema die Problemlage: Ismail Hamed ist 27 Jahre alt und hat als Marketing-Manager ein stabiles Einkommen. Er ist auf der Suche nach einer Mietwohnung. Doch auf viele Anfragen zu Besichtigungsterminen erhält er keine Rückmeldung.

Auswahl durch Namen

In einer Untersuchung des Bayerischen Rundfunks und des Spiegels verschickten Forschende mehr als 20.000 fiktive Wohnungsanfragen in deutschen Städten, wie jene von Ismail Hamed. Das Ergebnis: Ein:e arabisch klingende:r Bewerber:in mit Job und fehlerfreiem Anschreiben erhält deutlich seltener Einladungen zu Besichtigungen als sein:e deutschen Konkurrent:innen, die im selben Berufsfeld tätig sind und die gleichen Voraussetzungen für die Mietwohnung erfüllen.

Noch deutlicher wird die Diskriminierung im Vergleich mit Lovis Kuhn, einem fiktiven deutschen Studenten ohne Einkommen und fehlerhaftem Anschreiben. Dieser schneidet deutlich besser ab als Ismail Hamed und erhält mehr Rückmeldungen. Zahlreiche Studien bestätigen die Ergebnisse des Bayerischen Rundfunks und des Spiegels.

Auch in Österreich zeigen Untersuchungen des SORA-Instituts und des Standards im Zeitraum von 2019 bis 2023, dass Bewerber:innen mit nicht-österreichisch klingenden Namen oder Akzent deutlich schlechtere Chancen am Wohnungsmarkt haben. Von Diskriminierung betroffen sind Personen aus allen Einkommensschichten, selbst prestigeträchtige Berufe schützen nicht davor.

Diskriminierung ist subtiler geworden

Bei der Wohnungssuche und -vergabe ist Ausgrenzung seit dem gesetzlich verankerten Diskriminierungsverbot von 2011 weniger offensichtlich. Darin steht, dass keine Person „auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen […], einschließlich Wohnraum“ diskriminiert werden darf. Das gilt auch für das Inserieren von Wohnraum.

„Es steht heute nicht mehr in Inseraten, dass nur autochthon (Anm. d. Red.: einheimische) österreichische Personen erwünscht sind“, erklärt Ines Grabner von der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Die Absagen erfolgen dennoch, oder Rückmeldungen bleiben gänzlich aus.

Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.
Wir können ja nur Fälle erheben, die gemeldet werden.

Désirée Sandanasamy, Rechtsberaterin beim Verein ZARA

Langfristige Maßnahmen

Das bestätigt auch Désirée Sandanasamy, Rechtsberaterin beim Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Sie erzählt von Diskriminierungsfällen, die bei der Wohnungssuche auftreten, etwa durch Makler:innen, Vermieter:innen oder Hausverwaltungen. Noch häufiger sind es aber Konflikte in der Nachbarschaft, die dazu führen, dass Betroffene wieder ausziehen müssen. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Wir können ja nur Fälle erheben, die gemeldet werden“, sagt Sandanasamy.

Die Folgen von Rassismus in der Nachbarschaft sind gravierend: Eine Studie des SORA-Instituts aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 60 Prozent der Befragten in ihrem Wohlbefinden stark eingeschränkt sind und 15 Prozent ihre Wohnung nicht mehr angstfrei verlassen können. Im aktuellen ZARA-Rassismus-Report von 2024 finden sich Beispiele von Beschimpfungen und physischen Angriffen, bis hin zu rassistischen Schmierereien an Hauswänden.

Was gegen Diskriminierung hilft

Die deutsche Antidiskriminierungsstelle des Bundes, vergleichbar mit der österreichischen Gleichbehandlungsanwaltschaft, hat nachweislich wirksame Maßnahmen zur Antidiskriminierung aus verschiedenen europäischen Ländern zusammengetragen. Viele davon wären auch in Österreich umsetzbar:

  • Softwarebasierte Auswahlverfahren für Wohnbauunternehmen, die anonyme Anmeldungen ermöglichen
  • Quotierungen nach Dringlichkeit (z. B. nach Alter, Familienstand, Schwangerschaft, etc.)
  • verpflichtende Antirassismus-Schulungen für Hausverwaltungen, Makler:innen und Vermieter:innen
  • Kampagnen und Leitbilder zur Sensibilisierung in der Nachbarschaft und im öffentlichen Raum
  • Sozialarbeiter:innen in Wohnbauunternehmen und Wohnhäusern, die bei Problemen in der Nachbarschaft vermitteln. Hier nannte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit unabhängigen Rechtsanwaltskanzleien.
  • Mehr finanzielle und personelle Ressourcen für Gleichstellungsstellen, damit sie Beschwerden nicht nur dokumentieren, sondern auch konsequent rechtlich durchsetzen können
  • Umsetzung der EU-Richtlinie zur Stärkung von Gleichstellungsstellen von Mai 2024, in der EU-weite Regelungen für die Mindestanforderungen von Gleichstellungsstellen gewährleistet werden. Sie beinhaltet z. B. die Stärkung von Gleichstellungsstellen durch personelle, fachliche und finanzielle Ressourcen, um Maßnahmen gegen Diskriminierung umsetzen zu können und eine unabhängige Arbeit zu garantieren.

Unparteiische Konfliktberatungspersonen

Übrigens konnten Konflikte in der Nachbarschaft laut dem Schlichtungsbüro der GESOBAU, einer großen Berliner Wohnbaugesellschaft, mit unparteiischen Konfliktberatungspersonen zu 70 Prozent sofort und dauerhaft gelöst werden, ohne dass eine Partei ausziehen musste. Seit Jahren fordert die Gleichbehandlungsanwaltschaft hierzulande ähnliche Antidiskriminierungsmaßnahmen und Kampagnen – doch passiert ist bislang wenig.

Der rechtliche Rahmen ist in Österreich bereits gesetzt und wirksame Maßnahmen, wie sie in Deutschland bereits Realität sind, liegen am Tisch. Nun ist die Politik gefragt, diese auch umzusetzen und faire Chancen auf eine Mietwohnung für alle zu ermöglichen – und zwar unabhängig des Namens.

Wohnen noch leistbar? fragt @hasenberger.bsky.social
“Die Mieten sind teils eine Frechheit“, so eine junge Frau.
“50 % vom Gehalt sind weg, egal, wie man lebt“, antwortet ein junger Mann.
Ein anderer: „Ich würde gerne umziehen, aber die Preise sind dermaßen hoch.” #LeistbaresWohnen – das sagen 👩‍👩‍👧‍👦🔽

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— @Arbeiterkammer (@arbeiterkammer.at) 21. August 2025 um 14:48

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Über den/die Autor:in

Lea Bacher

Lea Bacher hat Publizistik, Romanistik und Politikwissenschaft an der Uni Wien und der Sapienza in Rom studiert und schreibt als freie Journalistin über gesellschaftspolitische Themen in Wien.

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