Weniger arbeiten? Das geht!

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Weniger Wochenstunden per Gesetz - das ist nur eine Möglichkeit, die Arbeitszeit zu reduzieren. Es gibt aber noch viele andere. Ein Überblick.
Im Jahr 1919 wurde in Österreich die 48-Stunden-Woche verankert, seit Jänner 1975 gibt es die gesetzliche 40-Stunden-Woche. Nach mehr als 40 Jahren wäre es jetzt an der Zeit für die nächste Etappe.

Eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung, etwa auf 35 oder 30 Stunden, mit vollem Lohn- und Personalausgleich wäre wünschenswert – in der derzeitigen politischen Konstellation allerdings nicht umsetzbar. Es gibt aber zahlreiche andere Möglichkeiten, ungesunde, überlange Arbeitszeiten zu verkürzen und die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen zu verteilen.

Manche dieser Möglichkeiten sind noch Utopie, andere längst Realität. Und manche davon bringen mindestens so viele Nachteile wie Vorteile. Ein Überblick.

Kollektivvertragliche Wochenarbeitszeit: Wie in so vielen Fällen haben innovative Kollektivverträge auch beim Thema Arbeitszeit vorweggenommen, wofür die gesetzliche Regelung länger braucht.

Während das Gesetz seit mehr als 40 Jahren bei der 40-Stunden-Woche stehen geblieben ist, hat sich in immer mehr Branchen mit Kollektivverträgen die 38,5-Stunden-Woche durchgesetzt. Etwa bei Schichtarbeitsmodellen kann es auch noch weniger sein.

Dass diese verkürzte Normalarbeitszeit in den Kollektivverträgen steht, bedeutet: Die Arbeitgeber großer und wichtiger Branchen haben zugestimmt. Arbeitszeitverkürzung kann also gar nicht so schlimm sein, wie uns manche Industrie- und WirtschaftsvertreterInnen permanent vorjammern.

Freizeitoption: In einzelnen Kollektivvertragsverhandlungen haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf eine Wahlmöglichkeit geeinigt: Die Beschäftigten können statt der Ist-Lohn-Erhöhung die Freizeitoption wählen. Im Bergbau und in der Stahlindustrie heißt das zum Beispiel 60 bis 66 Stunden mehr Freizeit pro Jahr – und zwar auf Dauer, nicht nur im Jahr nach dem Abschluss. Nachteil: Den Verzicht auf das Einkommen muss man sich leisten können. BezieherInnen von kollektivvertraglichen Mindestlöhnen können nicht zwischen Geld und Freizeit entscheiden, denn Beschäftigung unter dem Mindestlohnniveau ist verboten.

Betriebliche Arbeitszeitverkürzung: Vereinzelte Unternehmen reduzieren die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten ganz freiwillig, zahlen aber trotzdem den vollen Lohn. Das kostet zwar kurzfristig mehr, aber auf Dauer profitiert die Firma von gesünderen, motivierteren ArbeitnehmerInnen.

Teilzeit: Die meistpraktizierte Form der Arbeitszeitverkürzung. Ein Drittel hat Arbeitsverträge mit weniger Stunden, als die Normalarbeitszeit ausmachen würde. Von den Frauen sind sogar 48 Prozent teilzeitbeschäftigt. Mit allen Nachteilen: kein Lohnausgleich, also niedriges Einkommen und dadurch niedrigere Pensionsbeiträge, die später zu Altersarmut führen. Es gibt natürlich auch einige Menschen, die aus freiem Willen Teilzeit arbeiten. Vielen Frauen bleibt aber nichts anderes übrig, weil sie weiterhin für die Kinderbetreuung verantwortlich gemacht werden, das Angebot an Kinderbetreuung vor allem am Land aber oft miserabel ist; weil die gesellschaftliche Realität so aussieht, dass Frauen immer noch zwei Drittel der unbezahlten Arbeit machen (Kinder, Haushalt, Pflege); und weil die Arbeitgeber mancher Branchen nur Teilzeitjobs anbieten, man werfe einen Blick auf Jobinserate etwa im Handel.

Für Arbeitgeber hat Teilzeit noch einen Vorteil: Sollte einmal doch mehr Arbeit anfallen, sind nicht sofort Überstundenzuschläge fällig. Die gibt es nämlich erst ab der 41. Wochenstunde. Für den Bereich dazwischen gibt es zwar theoretisch Mehrarbeitszuschläge, diese sind aber niedriger und kommen in der Praxis nur selten zur Anwendung.

Weil es meistens die Frauen sind, die Teilzeit arbeiten, wären sie auch diejenigen, die von einer allgemein eingeführten Normalarbeitszeit von zum Beispiel 35 Stunden mit Lohnausgleich am meisten profitieren würden: Ihre Stundenlöhne würden steigen, und weil die Arbeitszeit der tendenziell vollzeitbeschäftigten Männer sinken würde, hätten diese vielleicht auch einmal mehr Zeit für Kinder und Haushalt.

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Über den/die Autor:in

Florian Kräftner

Florian Kräftner, geboren 1977 in Wien, ein bisschen Gastronomie, ein bisschen Werbung, dann freiberuflich für Solidarität und hallo! tätig. Seit 2003 Redakteur in der ÖGB-Kommunikation. Pressereferent des Leitenden Sekretärs Bernhard Achitz und für die Bereiche Sozialpolitik, Volkswirtschaft, Internationales, ÖGB-Europabüro. Regelmäßige Beiträge für Arbeit&Wirtschaft.

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