Starthilfe für Start-ups

Illustration Start-ups
Illustration (C) wowomnom / Adobe Stock
Die Wissenschaft ist längst auf den Start-up-Zug aufgesprungen. Wie wirkt sich das auf die Hochschulen aus und wer profitiert davon?
Sie haben in der Regel wenig Geld, sind aber umso überzeugter von sich: Start-ups. Dabei handelt es sich um junge Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen (KMU), die noch nicht etabliert sind. Für die Verwirklichung ihrer innovativen Geschäftsideen brauchen sie früh erhebliche Investitionen. Meistens sind es junge, hoch gebildete Männer, die solchen Firmen vorstehen.

In Österreich gehören zu den bekanntesten wie umstrittensten Gründern WU-Absolvent Marvin Musialek, FH-Steyr-Alumnus Florian Gschwandtner und der HAK-Schüler Moritz Lechner. Start-ups sind meist in der Elektronik, der IT und in den Life Sciences tätig. Musialek etwa entwickelte eine automatische Zahnbürste, Gschwandtner die beliebte Lauf-App Runtastic und Lechner möchte Werbeartikel in Geschenkboxen vermarkten, damit sie nicht massenweise auf dem Müll landen. Geld für Start-ups kommt in Form von Erspartem, Förderungen, Risikokapital (z. B. von „Business Angels“ genannten InvestorInnen) und Kooperationen.

Einer Maschine gleich sollen viele Start-ups schnell auf Touren kommen und mitunter rasch gewinnbringend den Fahrer wechseln.

Österreich kannte schon immer findige Unternehmen, sonst gäbe es nicht einen vielfältigen, dichten Förderdschungel für sie. Doch der Begriff Start-up hat erst in den letzten Jahren Karriere gemacht. Er stammt aus dem Englischen und meint die Inbetriebnahme einer Maschine oder Unternehmung. Einer Maschine gleich sollen viele Start-ups schnell auf Touren kommen und mitunter rasch gewinnbringend den Fahrer wechseln. Runtastic etwa entstand 2009, ging dann schon 2013 an den Springer-Konzern und 2015 schließlich an Adidas. Die Paschinger Firma ist jetzt ein Großunternehmen im dreistelligen Millionenbereich. Während Lechners Maschine schnurrt, überhitzte Musialeks Motor schon beim Anfahren. Sie entsprechen ungefähr drei Start-up-Typen, wie sie Investor Michael Altrichter definiert. Da die meisten oft nur schillernde Beispiele wie Runtastic sehen, zieht es viele GründerInnen in diesen hart umkämpften Bereich. Dazu gehört die Wissenschaft – und das schon lange.

Zahlenwirrwarr

In Österreich gab es 2018 38.327 Neugründungen, Tendenz steigend. Das Webzine Trending Topics zählte dabei 1.534 Start-ups. Damit liegt es aber falsch. Die Zahl, auf die sich das Spezialmedium bezieht, meint alle Gründungen zwischen 2004 und 2017 laut „Austrian Startup Monitor 2018“, kurz ASM. Nach der dortigen Definition ist ein Start-up aber jünger als zehn Jahre, womit zumindest alle Firmen wegfallen, die im Untersuchungszeitraum vor 2007 gegründet wurden. Das wären 88. Wären all diese Firmen 2017 aktiv gewesen, so hätten wir es mit höchstens 1.446 Start-ups zu tun. Der ASM erreichte für die Umfrage lediglich 368. Sicher ist also: 2017 gab es auf jeden Fall 368 Start-ups im Land. Doch selbst das ASM, das die Zahlen klar ausweist, spricht inkorrekt von 1.534 Jungunternehmen. Genaue Zahlen zum aktuellen Stand der aktiven Start-ups gibt es also nicht.

5,5 Prozent der Start-ups waren laut Austrian Startup Monitor Spin-offs von Universitäten und FHs.

12 Prozent der ermittelten Firmen waren laut Trending Topics „Spin-offs von Universitäten“, kamen zur Hälfte aus Wien und hatten zu drei Vierteln AkademikerInnen als GründerInnen. Auch hier war der Autor nicht aufmerksam, denn als Spin-offs von Unis und FHs führt das ASM lediglich 5,5 Prozent der Gründungen. Weiters beträgt die AkademikerInnenquote nur knapp, nicht genau drei Viertel. Lediglich der Anteil der WienerInnen stimmt.

Das ist kein Zufall: In der Hauptstadt sitzen nicht nur die zentralen Förderstellen des Bundes – wie die Staatsbank aws –, sondern auch INiTS (!). INiTS gehört zum Technologieministerium (BMVIT) unter Norbert Hofer (FPÖ). Dabei handelt es sich um einen so genannten Inkubator. Solche „Brutkästen“ stehen Start-ups mit Rat und Geld zur Seite und helfen dabei, möglichst schnell zu wachsen und auch international zu reüssieren. Und genau das ist das Problem, denn die Gesellschafter des Zentrums sind die Uni und TU Wien sowie die Wirtschaftsagentur Wien. Mit INiTS wollen sie Wissenschaften weiter kommerzialisieren und dabei mitschneiden.

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Das INiTS-Projekt Start:IP etwa vermittelt Patente von Unis an Start-ups. Das Zentrum kassiert dafür ein Honorar von je 10.000 Euro. Die Hochschulen wiederum geraten unter Lieferdruck, denn Patente können lukrative Einnahmequellen sein. Ganz zu schweigen vom Prestige, das künftige Förderungen leichter einbringt.

Wissenschaft und Kommerz

Parallel zum Aufkommen von INiTS wandelte sich das österreichische Hochschulwesen grundlegend. Mit der Anpassung an das Bologna-System wurden nicht nur die universitäre Lehre und Studien ineffizient verschult. Vielmehr wandelte sich der gesamte wissenschaftliche Betrieb in eine marktkonforme Veranstaltung. So wurden unter dem Deckmantel von Autonomie und Selbstverwirklichung österreichische Universitätsangestellte zu atypisch Beschäftigten degradiert. Im AWBlog heißt es dazu:

Der Preis dieser Freiheit ist, zu scientific entrepreneurs, eigentlich zu RisikokapitalistInnen, zu werden. Insbesondere JungwissenschafterInnen unterliegen der betriebswirtschaftlichen Logik (…). Was hierfür nicht bezifferbar und somit nicht kapitalistisch verwertbar ist, hat keinen Wert.

Tamara Ehs, Anton Tantner, Christian Cargnelli, im AWBlog

Darum sind es ja vergleichsweise leicht verwertbare Disziplinen wie Pharmazie und Physik und nicht abstraktere wie Philosophie und Publizistik, die von INiTS und anderen Stellen bevorzugt werden. Viele Inkubatoren – so auch INiTS – betonen in ihren Kriterienkatalogen das notwendige Marktpotenzial einer unternehmerischen Idee. Die kann durchaus weltverändernd daherkommen. In erster Linie muss sie aber in die Warenwelt passen.

Beispiel Marinomed: vom Nasenspray zum Platzhirsch

Ein zentrales Kriterium, mit dem INiTS , das BMVIT und die Unis langfristig den Standort stärken wollen, ist Wien. INiTS fördert nur Start-ups, die im Großraum Wien gegründet werden sollen. So wurden seit 2002 genau 199 Firmen unterstützt – bei gut 100 Beratungsterminen jährlich. ForscherInnen verkaufen nicht nur ihre Ideen und Patente, sie nehmen sie auch in eigene, INiTS-geförderte Projekte mit. Diese sind auf maximal ein Jahr und höchstens 100.000 Euro ausgelegt, was für gewisse Disziplinen den Erfolgsdruck wider wissenschaftliche Gründlichkeit erhöht. Dafür sichert sich der Inkubator vorübergehend Geschäftsanteile. Aus jedem Daniel Düsentrieb, der mal aus Neugier und Spaß forschte und tüftelte, soll zwangsweise ein Dagobert Duck werden. Und auf dem Weg dahin lebt und arbeitet er wie Donald – prekär. Ironischerweise begünstigen die Kriterien von INiTS das: Sowohl beim Scheitern als auch einem Rücktritt vom Projekt (und damit der Förderung) werden nur 15 Prozent der Fördersumme fällig. Richtig bereichern kann man sich freilich nur bei erfolgreichen Projekten.

Ein Beispiel dafür ist das Biotechnologie-Unternehmen Marinomed. 2006 wurde die Firma als Spin-off der Vetmed-Uni gegründet. Seit diesem Jahr notiert Marinomed an der Wiener Börse und wird mit 97,4 Mio. Euro bewertet.

Ein Beispiel dafür ist das Biotechnologie-Unternehmen Marinomed. 2006 wurde die Firma als Spin-off der Vetmed-Uni gegründet. Sie begann mit einem antiviralen Nasenspray. Heute entwickelt sie verschiedene Medikamente zur Behandlung von Atemwegs- und Augenkrankheiten. Seit diesem Jahr notiert Marinomed an der Wiener Börse und wird mit 97,4 Mio. Euro bewertet. Das nützt in erster Linie dem Platzhirsch Marinomed selbst, danach der Steuer. Die Vetmed erhält nichts, schließlich ist Marinomed kein Tochterunternehmen der Hochschule.

Über den/die Autor:in

Zoran Sergievski

Zoran Sergievski, geboren 1988 in Hessen, freier Journalist und Lektor. Studierte Publizistik in Wien. Schreibt seit 2007 für diverse Websites, Zeitschriften und fürs Radio, am liebsten über Medien, Rechtsextreme und Soziales. Lebt mit Kleinfamilie in Wien.

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