Die missliche Lage der Pressefreiheit

Menschen mit Mikrofonen und Diktiergeräten in der Hand interviewen eine Person. Symbolbild für die schwierigen Arbeitsbedingungen von Journalist:innen.
Wenig Zeit, hoher Arbeitsdruck und sogar Gewalt: Die Arbeitsbedingungen österreichischer Journalist:innen werden immer schwieriger. | © Adobestock/Microgen
Führende Vertreter:innen der Medienlandschaft zeichnen ein düsteres Bild der unabhängigen Berichterstattung in Österreich. Die Vermischung von Inseraten und Fördergeldern wird ebenso scharf kritisiert wie der Umbau der Wiener Zeitung zu einer regierungsgesteuerten Journalismus-Ausbildung. Und gleichzeitig steigt die Arbeitsbelastung in Medienhäusern und Gewalt gegen Reporter:innen.
Wer glaubt, in einem zivilisierten mitteleuropäischen Land wie Österreich in einer heilen Medienwelt zu leben, in welcher kritischer Journalismus als demokratiepolitisches Korrektiv funktioniert, hat sich verkalkuliert. Korruptionsaffären, politische Besetzungen medialer Führungsetagen und gezielte Einschüchterungsversuche illustrieren den problematischen Umgang der Mächtigen mit unabhängigen Journalist:innen und ließen Österreich in der Rangliste der Pressefreiheit 2022 auf Platz 31 zurückfallen – als eines der schlechtesten EU-Länder und hinter Namibia oder Osttimor. In der Rangliste von 2023 verfestigt sich der Absturz: Österreich steht auf Platz 29.

Prekäre Dienstverhältnisse für Journalist:innen

Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia, ortet eine vielschichtige Gemengelage akuter Bedrohungen für den unabhängigen Journalismus: „Unsere Medienlandschaft befindet sich in einer veritablen Wirtschaftskrise, zahlreiche Kündigungen stehen im Raum.“ Sinkende Beschäftigtenzahlen bedeuten aber, dass „der Job schwieriger wird und die Arbeitsbelastung wächst: Oft sind Print und Online-Kanäle zu bedienen.“

Porträt Daniela Kraus
Daniela Kraus sorgt sich um die hohe Arbeitsbelastung von Journalist:innen. | © Markus Zahradnik

Ins selbe Horn bläst Eike-Clemens Kullman, der Vorsitzende der Journalist:innengewerkschaft in der GPA. Die Arbeitsbedingungen würden schlechter und der Druck größer – die Qualität der Produkte leide zunehmend: „Wenn Journalist:innen keine Zeit mehr für sorgfältige Recherche haben, weil das Arbeitspensum zu groß ist, dann ist das auch eine Einschränkung der Pressefreiheit. Freie Journalist:nnen müssen oftmals in prekären Dienstverhältnissen arbeiten, die Medienunternehmen zahlen ihnen nicht einmal die vereinbarten Honorarsätze.“

Fritz Hausjell, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, betont, dass sich schlecht abgesicherte Arbeitsverhältnisse negativ auf die Pressefreiheit auswirken: „Es ist beschämend, dass „viele junge Kolleg:innen zusätzliche Arbeiten annehmen müssen, um es sich leisten zu können, Journalismus als Beruf auszuüben. Ordentliche Bezahlung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass das System weniger anfällig für korrupte Vorgänge ist.“

Angriffe auf Journalist:innen

Als weiteres zentrales Problem benennt Kraus die „eingerissene Korruptions- und Interventionspraxis: Der politische Druck ist sehr groß, kleinere Redaktionen und freie Journalist:innen sehen sich oft mit Einschüchterungsklagen konfrontiert. Wir haben hier ein grundsätzliches Problem, eine düstere Unsitte.“ Auch Hausjell sieht den unabhängigen Journalismus durch eine Politik, die von „Korruption und Bestechung geprägt ist, schwer gefährdet: Da ist Feuer am Dach.“

Andy Kaltenbrunner, Geschäftsführer von Medienhaus Wien und Journalismusforscher an der Akademie der Wissenschaften, beunruhigt die zunehmende Hörigkeit im österreichischen Journalismus. Bedenklich seien „wachsenden ökonomischen Abhängigkeiten von einer Regierung, die selbstgefällig und recht freihändig entscheidet, wen sie über Inserate oder intransparente Geldflüsse fördern und wen sie behindern will.“

Porträt Andy Kaltenbrunner
Dass die Rolle des Journalismus als demokratiepolitische Kontrollinstanz erodiert, befürchtet Andy Kaltenbrunner. | © Katharina Schiffl

In dieser aufgeheizten Stimmung seien Angriffe auf Journalist:innen keine Seltenheit mehr, kritisiert Kraus. Online zielten diese zumeist auf Frauen in Form von sexualisierter Gewalt ab. Seit der Corona-Pandemie komme es auch bei Demonstrationen vermehrt zu verbalen und körperlichen Angriffen auf akkreditierte Journalist:innen: „Von der Bühne herab wird – in erster Linie von rechten oder rechtsextremen Demonstrant:innen – gegen die ‚Lügen- oder Systempresse‘ gehetzt. Kolleg:innen mit Fotoausrüstung werden angepöbelt, mit Bierdosen beschossen oder mit Regenschirmen attackiert.“ Die Polizei biete selten ausreichenden Schutz: „Kolleg:innen wurden vor den Augen der Exekutive sekkiert oder am Zutritt gehindert.“

Verbale, ökonomische und physische Angriffe

Hausjell wundern die Diskreditierungen nicht: „Journalisten stehen immer auf der Seite der Aufklärung. Jenen, die mit der Verklärung von Machtverhältnissen hantieren, ist Journalismus zuwider, sie versuchen ihn gezielt zu schwächen.“ Kaltenbrunner meint: „Je unabhängiger, selbstständiger und investigativer Journalist:innen arbeiten, je öfter sie die richtigen Fragen kritisch stellen, desto stärker sind sie Angriffsopfer – verbal, ökonomisch und physisch.“

Verlieren wir die vierte Macht?

Angesichts dieser Auswüchse stellt sich die Frage, ob unabhängiger Journalismus in Österreich noch seine Kontrollfunktion als vierte Macht im Staat wahrnehmen kann? Kraus ist davon „nach wie vor überzeugt, weil sehr viele gute Journalist:innen ihren Job mit Herzblut und Professionalität machen. Wir leiden unter teilweise nicht optimal gemanagten Medienunternehmen und der mangelhaften Medienpolitik der Regierenden.“ Ein wichtiger Schritt wäre, die „Unabhängigkeit des ORF zu stärken und dessen Führungsgremien zu entpolitisieren.“ Kullmann ortet „eine der gröbsten Einschränkungen der Pressefreiheit im Amtsgeheimnis: Das gehört endlich abgeschafft.“ Kaltenbrunner ist wenig optimistisch, er sieht „den Journalismus als wichtige demokratiepolitische Kontrollinstanz bereits erodieren.“

Eine liberale Demokratie braucht guten und unabhängigen Journalismus.

Fritz Hausjell, Professor für Publizistik und Kommunikationswissenschaft

Die Zukunft scheint düster: Den Entwurf für das Medientransparenzgesetz beurteilt Hausjell als „zahnlos, weil er keine Deckelung für das Inseratenvolumen der Regierenden enthält.“ Im öffentlichen Diskurs kommt es häufig zu einer Vermischung von Journalismusförderung und Inseratenpolitik. Dass „die Redaktion der Wiener Zeitung zerschlagen und in eine Ausbildungseinrichtung umgebaut wird, die direkt dem Bundeskanzleramt untersteht“, beurteilt Kraus als „demokratiepolitischen Wahnsinn.“

Über den/die Autor:in

Andrea Rogy

Andrea Rogy schreibt unter anderem für die NÖN und arbeitet als Lektorin
im Studiengang Soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Pölten.

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