Interview: Der Sand in diesem wenig sozialen Getriebe

Ihre berufliche Laufbahn begann Renate Anderl in der Metaller-Gewerkschaft. 2014 wurde sie ÖGB-Vizepräsidentin und Frauen­vorsitzende. Seit April 2018 kämpft sie an der Spitze der Arbeiter­kammer für die Rechte der ArbeitnehmerInnen.
Fotos (C) Sebastian Philipp

Inhalt

  1. Seite 1 - Politischen Angriffe auf die AK
  2. Seite 2 - Auswirkungen des 12-Stunden-Tags
  3. Seite 3 - Sozialpartnerschaft bald passé?
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Schon jetzt werden bei der Arbeiterkammer vermehrt Fälle gemeldet, bei denen Chefs die neuen Arbeitszeitgesetze auszunutzen versuchen. AK-Präsidentin Renate Anderl verspricht, diesbezüglich bei der Regierung nicht lockerzulassen. Außerdem spricht sie über die Angriffe auf die AK, unflexible Arbeitgeber, das AK-Zukunftsprogramm und Geschlechtergerechtigkeit.
Renate Anderl begann ihre berufliche Laufbahn in der Metaller-Gewerkschaft. 2014 wurde sie ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende. Seit April 2018 kämpft sie an der Spitze der Arbeiterkammer für die Rechte der ArbeitnehmerInnen.

Arbeit&Wirtschaft: Seit rund einem halben Jahr sind Sie an der Spitze der Arbeiterkammer – jener Organisation, die manchen VertreterInnen der Wirtschaft, Industrie und Politik ein Dorn im Auge ist. Wie sind die politischen Angriffe auf die AK einzuordnen?

Renate Anderl: Das größte Problem derzeit ist, dass wir keine sehr gute Gesprächsbasis mit der Regierung haben. Termine werden immer wieder verschoben oder abgesagt. Vieles erfahren wir nur über die Medien. Dass die Regierung ihre Pläne zu einer Kürzung der Kammerumlage auf Eis legt zum Beispiel, habe ich in der Zeitung gelesen. Das macht die Arbeit natürlich schwierig, da wir uns auf unsicherem Boden bewegen und eigentlich nie genau wissen, ob und in welcher Form ein Angriff auf die AK kommt.

Was mir schon auffällt ist, dass die AK deutlich öfter und schärfer kritisiert wird als die WKÖ oder andere Kammern wie Ärztekammer, Notariatskammer usw. Da liegt natürlich der Verdacht nahe, dass eine Regierung, deren Maßnahmen bis jetzt ausgesprochen unternehmerfreundlich waren, einfach nicht will, dass die ArbeitnehmerInnen eine starke Partnerin an ihrer Seite haben. Die wiederkehrenden abfälligen Bemerkungen diverser Regierungsmitglieder über unsere Arbeit und die der Gewerkschaften verstärken diesen Verdacht. Wir sind natürlich Sand in diesem wenig sozialen Getriebe.

Was will die Arbeiterkammer dem entgegenhalten?

Wir haben beschlossen das Angebot der AK insofern zu reformieren, dass wir noch mehr Service für die Mitglieder anbieten wollen, ohne die Umlage zu erhöhen. Gemeinsam mit den Länderkammern haben wir ein Paket geschnürt – das „Zukunftsprogramm“. Ein wesentlicher Schwerpunkt darin ist die Digitalisierungsoffensive. Bis jetzt ist es so, dass öffentliche Förderungen in diesem Bereich sich entweder auf technologische Innovation beschränken oder Unternehmensförderungen sind. Wir wollen hier bewusst einen Kontrapunkt setzen und die ArbeitnehmerInnen dabei unterstützen, damit sie auch in Zeiten technologischer Umbrüche mithalten können, etwa durch Weiterbildung.

Ebenfalls im Zukunftsprogramm enthalten ist die Intensivierung der Beratung zum Thema Wohnen oder zum Nachholen eines Pflichtschulabschlusses. Abgesehen davon werden wir natürlich die Menschen weiterhin darüber informieren, was die AK alles leistet.

Ende August fand das erste Treffen mit Bundeskanzler Kurz statt. Die Chefs der vier Sozialpartnerorganisationen wurden zum Sozialversicherungsgipfel ins Bundeskanzleramt eingeladen. Wie ist das zu bewerten?

Grundsätzlich ist es positiv, dass die Regierung sich erstmals seit ihrem Antritt mit den Spitzen von ÖGB und AK getroffen hat. Ob und inwiefern unsere Expertise bei der geplanten SV-Reform tatsächlich einfließen wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich ist bei mir schon der Eindruck entstanden, dass sich die Regierung zwar um eine gute Atmosphäre bemüht, aber eigentlich nicht gewillt ist, die Einwände der ArbeitnehmerInnen in dem Ausmaß zu berücksichtigen, wie es notwendig wäre.

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Über den/die Autor:in

Amela Muratovic

Amela Muratovic, geboren 1983 in Bosnien und Herzegowina, seit 2009 Redakteurin in der ÖGB-Kommunikation. Zuständig unter anderem für die ÖGB-Mitgliederzeitschrift Solidarität und die Bereiche Frauen, Gleichstellung und Anti-Diskriminierung. Regelmäßige Beiträge für die Arbeit&Wirtschaft.

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