Budget = Prioritäten setzen

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Erbe der Banken
  2. Seite 2 - Verschiedene Strategien
  3. Auf einer Seite lesen >
Senkung der Abgabenquote und Nulldefizit oder Investitionen in Beschäftigung, sozialen Zusammenhalt und ökologischen Umbau?

Eine markante Trendwende in den Zielsetzungen der Budgetpolitik ging von den EU-Vorgaben aus: Stabilitätspakt und Fiskalpakt stellten die Erreichung von Budgetzielen – mittelfristiges strukturelles Nulldefizit und Schuldenquote von 60 Prozent des BIP – in den Mittelpunkt. Österreich hat diese Weichenstellung akzeptiert und die budgetpolitische Strategie neu ausgerichtet. Das strukturelle Defizit wurde durch einen ausgewogenen Maßnahmenkatalog aus Steuererhöhungen und Ausgabeneinsparungen von drei Prozent in der Finanzkrise 2009 auf 0,3 Prozent im Jahr 2015 zurückgeführt.

Die Staatsschuldenquote reagiert langsamer, sie erreicht dieses Jahr 74 Prozent des BIP, wird 2021 das Vorkrisenniveau von 65 Prozent und 2023 auch die Marke von 60 Prozent des BIP unterschreiten. Im Wesentlichen war das Budget aber im Jahr 2015 saniert.

Österreich erfüllt also die Fiskalkriterien der EU. Und jetzt bei saniertem Budget und guter Wirtschaftslage stellt sich die Frage nach den budgetpolitischen Prioritäten noch einmal sehr explizit.

Verschiedene Strategien

Strategie I stellt zwei Ziele in den Mittelpunkt: erstens ein Nulldefizit, selbst wenn, wie derzeit in den Prognosen festgehalten wird, die Arbeitslosigkeit ab 2020 wieder zu steigen droht. Zweitens die Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent des BIP, mit Schwerpunkten der Steuersenkung für Besserverdiener (Ausschaltung der kalten Progression, Familienbonus nicht für das untere Einkommensdrittel der Familien), die Großunternehmen (Senkung des Körperschaftssteuersatzes, Begünstigung von nicht entnommenen Gewinnen) und einzelne Lobbys (Mehrwertsteuersenkung Tourismus, Abschreibungsregeln für Immobilienwirtschaft).

Strategie II stellt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Investitionen in sozialen Zusammenhalt und ökologischen Umbau in den Mittelpunkt: etwa in die aktive Arbeitsmarktpolitik durch Stärkung der Vermittlung und Qualifizierung der Arbeitslosen und prekär Beschäftigten für gute Jobs; in die Integration der Geflüchteten in das Bildungssystem, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft; in den weiteren Ausbau von Kindergärten und Krippen und die bessere Bezahlung der dort beschäftigten LeistungsträgerInnen; in Ganztagsschulen und Schwerpunktmaßnahmen nach dem Chancenindex; in den Ausbau des Pflegesystems, damit der soziale Unterschied zwischen Arm und Reich nicht im Alter nochmals schlagend wird.

Sie beinhaltet auch Investitionen in den öffentlichen Verkehr, damit der Anteil des motorisierten Individualverkehrs verringert werden kann; in den sozialen Wohnbau, der leistbaren Wohnraum bietet und die Zersiedelung der knappen Bodenflächen vermeiden hilft; in die Erneuerung der Energieerzeugung und der Energienetze; in die Entlastung der Arbeitseinkommen durch Abgaben, damit sich Leistung lohnt.

Kein Konflikt mit Schuldenabbau

Strategie II muss übrigens nicht in Konflikt mit der Verringerung der finanzkrisenbedingten Staatsschulden kommen: Momentan entgehen dem Staat Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung und -umgehung sowie den geringen Anteil von vermögensbezogenen Steuern.

Würde man diese Mittel lukrieren, würde dies budgetäre Spielräume eröffnen, durch die ein nachhaltiger Finanzierungssaldo mit einer ökologisch-sozialen Investitionsstrategie und einer Entlastung der Arbeitseinkommen kombiniert werden kann. Allerdings würde bei steigender Arbeitslosigkeit die Bekämpfung dieser sozialen Geißel Priorität vor einem Nulldefizit haben.

Die Differenzen in diesen unterschiedlichen politischen Strategien sind nicht nur Grundsatzfragen, sondern sie wirken sich in der konkreten Budgetpolitik jeden Tag aufs Neue aus. Im Budget 2018/19 kam der Unterschied zwischen Strategie I und II auf den Punkt: Wären die Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose (Nettokosten 220 Millionen Euro pro Jahr) oder das Integrationsjahr für Asylberechtigte (100 Millionen Euro) oder das zweite kostenlose Kindergartenjahr (90 Millionen Euro) nicht wichtiger als eine Mehrwertsteuersenkung im Tourismus (120 Millionen Euro pro Jahr)?

Von
Markus Marterbauer
Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
markus.marterbauer@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

 

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Erbe der Banken
  2. Seite 2 - Verschiedene Strategien
  3. Auf einer Seite lesen >

Über den/die Autor:in

Markus Marterbauer

Markus Marterbauer ist Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Vizepräsident des Fiskalrates und Universitätslektor.

Sie brauchen einen Perspektivenwechsel?

Dann melden Sie sich hier an und erhalten einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.

Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.