Betongold überall?

Immobilien gelten als sichere Wertanlage. Das gilt insbesondere rund um die wachsenden Städte. In manchen ländlichen Regionen ist die Situation eine andere.
Es ist inzwischen schon zwei Nationalratswahlen her, dass Sebastian Kurz die Twitter-Wogen hochgehen ließ, indem er auf die von ihm favorisierte Strategie gegen Altersarmut hinwies. Ende September 2017 erklärte er, die beste Maßnahme gegen Altersarmut sei die Schaffung von Eigentum. Gemeint war vor allem Wohneigentum. Dahinter identifizierten damals viele die Forderung nach dem Weg in die Eigentümergesellschaft, die einen Sozialstaat vermeintlich kaum mehr nötig hat. Dass Eigentum vor Armut schützt, lässt sich schwer leugnen. So weit, so banal.

Dass Wohneigentum und Immobilienbesitz eine wertstabile Anlageform darstellen, sprichwörtliches „Betongold“, gilt allerdings auch nicht ausnahmslos überall und immer. Wo Landstriche unter Abwanderung leiden, erfüllt sich die Verheißung von der sicheren Anlage Wohnraum nicht unbedingt. Wer hier Grund oder ein Haus besitzt, kann der These vom Eigentum als Schutz vor Armut vermutlich nicht viel abgewinnen. Manche EigentümerInnen fürchten längst den Wertverfall ihrer Immobilien.

Zahlenspiele

Doch droht Immobilien am Land tatsächlich die große Entwertung? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Und überhaupt gibt es zum Immobilienmarkt jede Menge Zahlen aus unterschiedlichen Quellen, die sich auf verschiedenste Weisen interpretieren lassen. Nimmt man die Bodenpreise zum Maßstab? Den Preis, zu dem Immobilien in einem Jahr verkauft wurden? Oder betrachtet man, um wie viel Immobilien teurer geworden sind? Für letztere Frage ist der Häuserpreisindex der Statistik Austria eine gute Datenquelle. Dieser ergab für das zurückliegende Jahr 2018, dass die Kaufpreise für Häuser und Wohnungen österreichweit um durchschnittlich 4,7 Prozent gestiegen sind.

Die Statistik Austria stellt große Unterschiede zwischen der Immobilienpreisentwicklung in den einzelnen Bundesländern fest.

Allerdings stellt die Statistik Austria große Unterschiede zwischen der Immobilienpreisentwicklung in den einzelnen Bundesländern fest. Während die Häuserpreise in Vorarlberg um ganze 16,2 Prozent stiegen, kam es in Kärnten zu einem Preisrückgang um ein Prozent. Auch die Immobilienwirtschaft selbst legt Daten zur Preisentwicklung vor. Das ImmobilienmaklerInnen-Netzwerk RE/MAX etwa wertete 24.865 Wohnungsverkäufe inklusive der Kaufverträge anhand der Daten aus den Grundbüchern (sogenannte Verbücherungen) des ersten Halbjahres 2019 aus. Die MaklerInnen stellten für die vergangenen fünf Jahre beim Quadratmeterpreis einen Anstieg für Wohnungen fest, und zwar in Höhe von 38,7 Prozent. Kein Wunder also, dass so manche hier das große Geld sehen. Die Statistik Austria wiederum hat Daten zu Kaufpreisen für Häuser und Wohnungen: Demnach sind die Preise zwischen 2014 und 2018 um 25,5 Prozent angestiegen.

Interessant ist natürlich nicht nur, wie viel teurer Immobilien geworden sind, also die Preissteigerung. Auch die Preise für Wohnungen selbst sind durchaus interessant. Dafür liefert RE/MAX Daten: Für durchschnittlich 207.183 Euro wechselten Wohnungen im ersten Halbjahr 2019 dem Unternehmen nach ihre BesitzerInnen. Ein Viertel der verkauften Wohnungen kostete weniger als 128.659 Euro, ein weiteres Viertel mehr als 277.000 Euro, berichten die MaklerInnen. Aber auch hier gilt natürlich, dass Wohnung nicht gleich Wohnung ist, sondern allein die Ortschaft, in der sie sich befindet, einen enormen Unterschied machen kann.

Enorme Unterschiede

Erhebliche regionale Unterschiede bei den Immobilienpreisen verzeichnet etwa die Website immopreisatlas.at, die von der Raiffeisen-Bausparkasse betrieben wird. Für den Kauf einer gebrauchten Wohnung gibt der Atlas unterschiedliche Durchschnittspreise je nach Bundesland an. Sie schwanken zwischen 1.561,08 Euro pro Quadratmeter im Burgenland und 4.279,89 Euro in Wien. Auch in Niederösterreich gibt es Bezirke mit auffällig niedrigen Quadratmeterpreisen für Bestandswohnungen. So zeigt der Atlas für den Bezirk Zwettl 910,77 Euro und für das steirische Murtal 1.106,33 Euro.

Bei den Quadratmeterpreisen für Wohnhäuser sind die Preisunterschiede enorm.

Auch bei den Quadratmeterpreisen für Wohnhäuser sind die Preisunterschiede enorm. Im Tiroler Bezirk Kitzbühel liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis für ein Haus bei 7.904,60 Euro. Wer hier ein Wohnhaus besitzt, scheint demnach fast automatisch ImmobilienmillionärIn zu sein. Zum Vergleich: Im niederösterreichischen Bezirk Gmünd liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis beim Kauf eines Hauses mit 850,27 Euro bei nicht einmal einem Neuntel des Kitzbüheler Werts. Immobilienbesitz ist in Österreich also recht ungleich verteilt.

Doch Hinweise auf einen regelrechten Wertverfall bei Immobilien in bestimmten ländlichen Regionen liefern die unterschiedlichen Zahlen zum Immobilienmarkt aus Institutionen und Unternehmen eher nicht. Auch dort, wo die Wertsteigerungen die Inflationsrate kaum übertreffen, steht am Ende noch immer eine Wertsteigerung – könnte man folgern. Also stimmt die These vom Betongold? Nicht zwangsläufig, denn es gibt sie, die ländlichen Gemeinden, deren Ortskerne langsam veröden, in denen die Infrastruktur schwindet und die EinwohnerInnenzahlen sinken. Zahlen der Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) zeigen, dass die Bevölkerungsentwicklung in Österreich starke Unterschiede aufweist. So wird der Bundeshauptstadt Wien bis zum Jahr 2030 ein Wachstum um 17,6 Prozent auf knapp über zwei Millionen EinwohnerInnen prognostiziert, während etwa die obersteirische Mur-Mürz-Furche oder ländliche Gebiete in Kärnten, die abseits des Ballungsgebiets Klagenfurt-Villach liegen, EinwohnerInnen verlieren dürften. Allgemein gilt für die Bundesländer, dass die Städte tendenziell wachsen, während Dörfer und Landgemeinden schrumpfen. Natürlich wird sich diese Entwicklung auch auf den Wert der Immobilien am Land auswirken.

Unter Wert

Schon heute gibt es Hinweise darauf, dass ImmobilienbesitzerInnen, die ihre Liegenschaften und Häuser am Land verkaufen wollen, nicht immer die Summen erzielen, die sie sich erhofften. In solchen Regionen stellt Immobilienbesitz häufig nicht die finanzielle Absicherung dar, für die ihre BesitzerInnen ihn halten. Das zeigen zum Beispiel Zahlen, die das Online-Portal willhaben.at im Sommer 2019 veröffentlicht hat. Dafür wurden die Preise aus mehr als 100.000 Immobilien-Inseraten vom Online-Marktplatz mit tatsächlichen Verkaufspreisen aus den Grundbüchern verglichen. Die so ermittelte Preisschere zwischen Wunscherlösen aus Immobilienverkäufen und den tatsächlichen Erlösen fällt regional unterschiedlich aus.

Die Preisschere zwischen Wunscherlösen aus Immobilienverkäufen und den tatsächlichen Erlösen fällt regional unterschiedlich aus.

Im Bundesland Tirol war die durchschnittliche Abweichung mit zwei Prozent bei Häusern am geringsten. Die Preisvorstellungen der KäuferInnen und VerkäuferInnen scheinen hier also am dichtesten beieinanderzuliegen. In der Steiermark lag die durchschnittliche Abweichung mit 26 Prozent am höchsten, gefolgt von Niederösterreich mit 23 und Kärnten und Oberösterreich mit je 22 Prozent. Im Burgenland wichen die tatsächlichen Verkaufspreise um 20 Prozent von den ursprünglichen Angebotspreisen ab, in Salzburg um 16 Prozent und in Wien um 12 Prozent. „Verkäufer von Häusern in Gmunden (ca. 33 Prozent), Spittal an der Drau (ca. 32 Prozent) oder in Voitsberg (ca. 31 Prozent) mussten im österreichweiten Vergleich besonders hohe Abschläge zum Angebotspreis hinnehmen“, heißt es in der Auswertung der Daten.

Die Entwicklung der Immobilienpreise in ländlichen Regionen spiegelt die Bevölkerungsentwicklung wider. Mit der fortschreitenden Urbanisierung verliert Wohnraum in ländlichen Gebieten tendenziell an Wert, während Immobilien in den Großstädten für immer weniger Menschen erschwinglich sind. Gleichzeitig wird Wohneigentum am Land auch leistbarer – allerdings nur fernab der ökonomischen Zentren. Die Preisentwicklung auf dem Eigentumsmarkt gibt dabei nicht unmittelbar den Mietmarkt wieder. Insgesamt sind die Eigentumspreise in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als die Mieten. Dass Wohneigentum vor Altersarmut schützt, lässt sich faktisch schwer leugnen. Allerdings gibt es inzwischen Regionen, in denen die Erwartungen der EigentümerInnen deutlich über dem Preis liegen, der am Immobilienmarkt erzielt wird.

Von
Thomas Stollenwerk
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/19.

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Über den/die Autor:in

Thomas Stollenwerk

Thomas Stollenwerk stammt aus Deutschland, lebt seit über einem Jahrzehnt in Wien, ist studierter Politikwissenschaftler und arbeitet unter anderem als Redakteur des Magazins Biorama, als Buchautor und Wissenschafts-Kommunikator.

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