Im Arbeitsalltag ist man intensiven Belastungen unterschiedlicher psychischer und physischer Natur ausgesetzt. Der menschliche Körper schüttet daher Stresshormone aus, sodass er kurzfristig und vorübergehend auf Erholungsphasen verzichten kann. Überhört man allerdings die Signale des Körpers wie Gähnen, Durst, Konzentrationsabfall etc., so gerät man unweigerlich in einen chronischen Stresszustand.
Rechtsanspruch auf Arbeitspausen
Anzustreben sind aus diesem Grund im Arbeitsalltag Pausen, am besten mehrere kurze, denn der Erholungswert einer Pause nimmt mit der Dauer ab und zu lange Unterbrechungen erschweren den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess. Optimal ist aus arbeitsmedizinischer Sicht eine individualisierte, auf die Beanspruchung abgestimmte Pausenregelung, die Kurzpausen ermöglicht. „Daher gibt es auf Arbeitspausen auch einen rechtlichen Anspruch“, erklärt Clara Fritsch von der GPA-djp, „trotzdem wird in vielen Unternehmen auf die Einhaltung der Pausenzeiten häufig einfach ,vergessen‘. Gründe sind oft hohe Arbeitsbelastung, Druck von Kunden, Terminstress oder schlicht die fehlenden Räumlichkeiten zum Abschalten. Dabei ist eine gute ,Pausenkultur‘ zum Vorteil aller: Beschäftigte vermindern ihre gesundheitlichen Belastungen, Unternehmen profitieren von geringeren Fehlzeiten und Krankenständen.“ Paul Landmann, ein ehemaliger „Googler“ – so nennen sich MitabeiterInnen von Google –, findet, dass das Pausenproblem in dieser Firma optimal gelöst wird. „Bei Google gibt es verschiedene Büroarten, Großraum, aber auch kleinere Einheiten, je nachdem. Am Gang steht dann schon mal ein Flipper herum, Wii-Geräte sind aufgebaut, in der Küche steht ein Billardtisch. In der Küche, wenn man sich Kaffee holt, trifft man Kollegen, und während man zwischen den zahlreichen Kaffeeangeboten auswählt, macht man sich gleich eine Partie Billard für nach der Mittagspause aus.“ Die Idee dahinter ist, dass man motiviert und ausgeruht ist. Wenn die Konzentration nachlässt, kann man unabsichtlich Programmierfehler einbauen, die dann mehrere Arbeitsstunden von zwei anderen MitarbeiterInnen auffressen, die mit der Fehlersuche beschäftigt sind. „Bei Google sind die Leute bis zu 100-mal produktiver als bei österreichischen IT-Firmen“, ist Landmann überzeugt, „und man geht fast erholt nach Hause, nicht so wie in Österreich, wo man sich nach acht Stunden Arbeit nur noch vor den Fernseher schleppen kann.“ Eine konkrete Pausenkultur kann gesetzlich nicht vorgeschrieben werden, Relaxräume, Schlafen und Meditieren, und wahrscheinlich Spielen, werden nur angenommen, wenn die Führungskräfte mitmachen. „Außerdem kann Google mit dem Arbeitszeitgesetz in Konflikt kommen. Vielleicht macht man da auch mehr, als eigentlich verlangt wird. Problematisch sind All-in-Verträge, da besteht ein enormer Arbeitsdruck, Selbstausbeutung kann die Folge sein“, erläutert Fritsch. „Problematisch ist auch, dass es keine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit gibt. Außerdem ist das eher branchenspezifisch: Was bei einer Kreativfirma unter Umständen sinnvoll sein kann, wird der Kassiererin im Supermarkt eher nervend erscheinen, die will in ihrer Pause vielleicht gar nicht spielen. Sie will vielleicht nicht spielen wollen oder müssen, will nicht zur Verfügung stehen. Diese Menschen brauchen klarerweise ebenfalls Schutz.“
„Work hard – Play Hard“
Die Problematik ist für Landmann nicht evident. „Ausbeutung?“, fragt er. „Die Firma will die Produktivität maximieren und bietet ein möglichst klasses Umfeld. Wenn’s Spaß macht, dann bleibt man vielleicht länger, aber das bleibt jedem selbst überlassen. Das ist ja jetzt kein besonders böser Gedanke von der Firma.“
Sehr kritische Einblicke in solche, hierzulande noch wenig bekannte Welten bietet Carmen Losmann in ihrem Film „Work Hard – Play Hard“. Die Initialzündung des Films war die Frage, wie es sein kann, dass die Abschaffung der Stempeluhren dazu führt, dass die Menschen nicht mehr vierzig Stunden in der Woche arbeiten, sondern sechzig. Und was das alles mit der Entgrenzung der Arbeit durch die technischen Möglichkeiten von Laptop, Mobiltelefon, Internet zu tun hat.
„Spielen kann erholsam sein“
Aus Büros werden „nonterritoriale“ Arbeitsplätze, man findet sich längst an wechselnden „working stations“, an denen weder private Fotos noch ein persönliches Kaffeehäferl erlaubt sind, weil zur neuen Office-Philosophie, mit englischem „Newspeak“, neben der totalen Transparenz auch der Zwang zum informellen Gespräch gehört. Denn „zufällige, ungeplante Kommunikation“ ist für „achtzig Prozent“ der Kreativität eines Unternehmens verantwortlich. Also plant man eben das Unplanbare. Dazu gehören auch Spiele. An der Donauuniversität in Krems, im Zentrum für angewandte Spielforschung, beschäftigt man sich wissenschaftlich mit der Auswirkung von Spielen auf den Alltag.
„Spielen kann erholsam sein“, weiß Thomas Wernbacher, Medienforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Donauuniversität. „Hier gilt eine simple Formel: Spielen ist dann erholsam, wenn es Spaß macht. Spiele machen dann Spaß, wenn sie SpielerInnen regelmäßig Erfolgserlebnisse bieten. Historische Beispiele für den Einsatz von Spielen im beruflichen Kontext sind mir im europäischen Raum keine bekannt. Es gibt allerdings eine Bewegung in Amerika, die auf dem Prinzip des ,Serious Play‘ beruht. InnovationsträgerInnen aus den Staaten setzen seit mehreren Jahrzehnten auf spielerische Konzepte im Recruiting und in der Ideenfindung bzw. der Projektkonzeptionsphase.“ Beispiele hierfür sind das MIT und die Pixar Studios, welche offene Büroräume mit zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten bieten. Es stehen Schreibtische mitten im Raum, Laptops sind mit Beamern verknüpft, Legosteine und Plastilin laden zum Experimentieren ein. Die Unternehmenskultur baut auf ständigem Ideen- und Feedbackaustausch auf – und das auf allen Unternehmensebenen. „Spielen hat per Definition eine positive Komponente“, erklärt Wernbacher. „Die freie Beschäftigung mit einer unterhaltsamen Handlung steht im Gegensatz zu klar definierten Arbeitsabläufen und Deadlines.“
Erhöhte geistige Aktivierung
Beim Spielen wird ein eigener Handlungsraum betreten, in dem keine klaren Gesetze bis auf mehr oder weniger klar definierte Spielregeln gelten. SpielerInnen können sich entfalten, verschiedene Rollen annehmen, gemeinsam Probleme lösen, miteinander kooperieren oder auch um den Spielsieg konkurrieren. „Aus wissenschaftlicher Sicht kann gesagt werden, dass Spielen zu einer erhöhten geistigen Aktivierung führt. Seitens der negativen Aspekte ist neben der Suchtproblematik, die jedoch nur auf einen sehr kleinen Teil der KonsumentInnen zutrifft, aus arbeitspsychologischer Sicht vor allem eine Verlängerung der Bildschirmarbeit anzuführen. Die Körperhaltung sollte im Idealfall ständig wechseln. Eine starre Haltung vor dem PC sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause einzunehmen ist keinesfalls empfehlenswert.“
Der Zentrumsleiter für angewandte Spielforschung, Alexander Pfeiffer, ergänzt abschließend: „Informell kann ich nur sagen, dass die Wuzzler in jenen Unternehmen, wo ich solche Stationen erlebt habe, keine negativen Auswirkungen hatten. Ganz im Gegenteil. Man kommt zusammen, redet oftmals beim Wuzzeln auch über die Arbeit. Die Kooperation, aber auch der Wettbewerb beim Wuzzeln in der Pause ist für das Firmenklima meiner Meinung nach sehr förderlich. Spielen in der Arbeitspause sollte an einem Ort erfolgen, der nicht das eigene Büro ist. Auch sollte das Spiel dort nicht in derselben Haltung erfolgen, also direkt vor einem PC. Am besten eignen sich eigene Spielräume – diese müssen allerdings zur Unternehmenskultur passen. Optimal setzt Google die Spielende Pause ein. Bei Google Boston beispielsweise sind Spielstationen mit „Rock Band“ etc. aufgebaut. Man kann sich etwas auspowern und auch interdisziplinäre Spiel-FreundInnen können entstehen und sich so informell austauschen.“
Internet:
Film „Work hard – Play Hard“:
www.workhardplayhard-film.de
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Von Thomas Varkonyi, Freier Journalist
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 07-08/2012.
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