Geld oder Stolz?

Sie wollen ihren Partner loswerden? Schnell, unkompliziert und emotionslos? Ohne Unannehmlichkeiten wie Weinkrämpfe und Vorwürfe über sich ergehen lassen zu müssen? Sagen Sie es dem Berliner Bernd Dressler, und er macht Schluss für sie: Per Brief, Anruf, Mail oder – wenn es mit Stil sein soll – persönlich. Bernd Dressler hat es sich zum Beruf gemacht, die Beziehungen von anderen Personen zu beenden. Eine ungewöhnliche Berufswahl, kommt Mr. Schlussmacher doch aus der eher konservativen Versicherungsecke.

Dem Himmel so nahe

Aber damit ist er nicht allein: Pfarrerin zu sein ist schon ungewöhnlich – auch wenn in der evangelischen Religion durchaus üblich. Aber Seelsorgerin auf einem Flughafen – die Arbeitsumgebung der Bayerin Gabriele Pace ist nicht alltäglich: Während im Minutentakt die Flugzeuge den Münchner Flughafen in alle Himmelsrichtungen verlassen, ist sie für die Passagiere da – um zu beten oder Trost zu spenden.
Wir arbeiten, um leben und überleben zu können: als ManagerIn, KrankenpflegerIn, LehrerIn, FabriksarbeiterIn, InstallateurIn, VerkäuferIn oder Bäuerin und Bauer. Doch es gibt auch Berufe abseits der Klassiker, die unsere europäische Arbeitswelt beherrschen.
Um das tägliche Brot zu verdienen, nehmen Männer und Frauen zum Teil die bizarrsten, zum Teil die gefährlichsten Jobs an. Die meisten, weil sie es müssen; viele, weil sie es wollen. Geld verdienen und im selben Augenblick seine Würde verlieren – ein guter Tausch? Andere reizt der Nervenkitzel, die Abenteuerlust oder der Gedanke, möglichst schnell viel Bares auf die Hand zu bekommen. Einen gefährlichen Beruf auszuüben bedeutet aber nicht automatisch, auf einen Schlag viel Geld zu verdienen. Oft ist das Gegenteil der Fall.
Millionen Menschen setzen täglich ihr Leben aufs Spiel, nur um knapp überleben zu können. Sie arbeiten unter den extremsten und schlechtesten Arbeitsbedingungen, in einer gesundheitsschädigenden Umgebung, haben keinerlei Rechte, und erhalten einen Minimallohn.
Der Job der MinenarbeiterIn gilt als besonders gefährlich, gesundheitsgefährdend und schlecht bezahlt. Während in den USA und Europa der Beruf MinenarbeiterIn aufgrund von Ressourcenausbeutungen deutlich zurückgegangen ist, graben in Asien, Russland und in Südamerika immer noch Tausende MinenarbeiterInnen in den Tiefen der Berge nach Rohstoffen. Vor allem die lateinamerikanischen BergarbeiterInnen sind für ihre schlechten Arbeitsbedingungen bekannt. Als Paradebeispiel dafür gelten die »mineros«, die in den Minen nahe der berühmten bolivianischen Stadt Potosí nach Silber graben. Die mineros, meist indigener Abstammung, arbeiten trotz der Giftgase ohne die in Europa üblichen Arbeitsschutzvorschriften und erhalten rund vier Dollar am Tag. Oft werden Kinder und Frauen eingesetzt, die sich aufgrund ihrer Größe in den engen Stollen viel besser bewegen können. Dabei werden mineros selten mehr als 38 Jahre alt, die meisten sterben an Silikose – der Staublunge -, ersticken oder werden während Sprengungen durch Felsplatten erschlagen.

Für 70 Euro in die Hölle

Ähnlich gefährlich und noch schmutziger sind die Arbeiten in den Abwasserkanälen in Entwicklungsländern wie z. B. Indien. Hunderte von Tagelöhnern, meist Angehörige der untersten Kaste, waten nackt und ohne Schutzausrüstung metertief in den Exkrementen der Kanalisation des Molochs New Delhi und säubern die verstopften Abflussrohre. Dabei sterben pro Jahr fast rund hundert Arbeiter: Die meisten ertrinken in Fäkalien, ersticken an den gefährlichen Gasen oder erliegen chronischen Krankheiten wie Tuberkulose oder Hepatitis. Die Entlohnung für das Schuften in der Hölle: 70 Euro im Monat.
Das älteste Gewerbe der Welt ist gleichzeitig auch menschenunwürdigste und florierendste: die Prostitution. Escort-Girls oder »Edel-Huren«, die diesen Beruf freiwillig und mit »Leidenschaft« ausüben, können wöchentlich oder gar täglich mehr verdienen als ein gewöhnlicher Angestellter in einem ganzen Monat. Zwangsprostituierte hingegen werden nicht nur gezwungen, ihren Körper zu verkaufen, sie müssen auch oft ihren gesamten Lohn an den Zuhälter abliefern.

»Easy money« trotz Lebensgefahr

Andere setzen ihr Leben aufs Spiel und verdienen Spitzengehälter. So wie die Liechtensteinerin Simone Bargetze: Im Schatten des Schauspielers riskiert sie in Actionszenen ihr eigenes Leben. Springen, stürzen, klettern, fallen, Messerstechereien, Schlägereien – Stuntfrauen und -männer setzen alles um, was SchauspielerInnen sich nicht trauen oder nicht können. Wichtig ist dabei die Vorbereitung: Selbst der kleinste Treppensturz muss präzise eingeübt werden, die Todesgefahr schwebt bei jeder Übung und bei jedem Stunt mit. Für Adrenalinjunkies ein Traumberuf. Die Gagen sind abhängig vom Budget der Filmgesellschaft und vom Stuntrisiko. Bargetze hat es geschafft: Sie ist eine der berühmtesten Stuntfrauen in Hollywood. Trotzdem bleibt es ein undankbarer Job, denn die Anerkennung bekommen immer andere. Königskrabbenfischer in Alaska haben den Ruf, den gefährlichsten Job der Welt auszuüben. Je nachdem wie die Saison ausfällt, kann ein Fischer in wenigen Tagen ein Jahresgehalt verdienen, zwischen 25.000 (rund 17.000 Euro) und 50.000 (73.450 Euro) Dollar. Für den Reichtum in kurzer Zeit setzen die Fischer allerdings ihr Leben aufs Spiel: Härteste körperliche Arbeit bei arktischen Temperaturen und 20-Stunden-Schichten, Kampf gegen Wind und Wellen, Packeis, das das Schiff zum Kentern bringen kann, und die ständige Gefahr, vom schweren Krabbenfangkorb aus Stahl getroffen und getötet zu werden.
Auch die Frauen und Männer des amerikanischen Sicherheitsunternehmens Blackwater hegen wohl weniger den Wunsch, aus idealistischen Gründen für den Weltfrieden zu kämpfen als in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen: Sie dürfen sich über sechsstellige Jahresgehälter freuen; ihr Einsatzgebiet umfasst neun Länder. Lukrativstes Einsatzgebiet der Schattenarmee, die keinem Rechtssystem und keinem Militärkommando untersteht, ist der Irak. Tagessätze von 450 (306 Euro) bis 650 (440 Euro) Dollar sind dort durchaus üblich.
Jobs können hart und anstrengend, gefährlich und herausfordernd sein. Oder einfach schräg und ungewöhnlich: Berufsfelder, von denen man sich kaum vorstellen kann, dass sie existieren. Der Schlussmacher Bernd Dressler hat es vorgemacht: Man kann jede seiner Fähigkeiten zu Geld machen. Oder einfach nur etwas Phantasie haben, wie bei diesen Jobs: Viel Einfühlsamkeit und Pietät erfordert der anspruchsvolle und abwechslungsreiche Beruf des Tatortreinigers.
Hingegen müssen die FoodstylistInnen mit Kreativität und Stressresistenz aufwarten, wenn sie zubereitete Speisen so präparieren müssen, dass sie auch fotogen sind. Oder WorterfinderInnen, die vor allem in Frankreich und Island gebraucht werden, um eigene Wörter zu erfinden, nur um den Siegeszug der Anglizismen zu stoppen.

Der beste Job der Welt

Wenig Mitleid muss man mit Ben Southall haben. Die Job Description des Briten klingt Otto Normalbürger gegenüber wie blanker Hohn: Southall ist noch bis Ende des Jahres sogenannter »Island Caretaker«: Er muss ein halbes Jahr in einer Villa mit Verpflegung am australischen Great Barrier Reef verbringen. Sein Arbeitsalltag besteht aus »schwimmen, schnorcheln, Freundschaften mit den Einheimischen schließen und das tropische Queensland-Klima und den Lifestyle dort genießen« und das Erlebte auf einem Blog festhalten. Für die schwere Arbeit erhält er neben Kost und Logis insgesamt 78.000 Euro. Der »Best Job In The World« ist eine Werbekampagne des Tourismusverbands Queensland. Wollen wir hoffen, dass Southall diese Arbeitsbedingungen ohne bleibende Schäden überlebt.

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Von Maja Nizamov (Freie Journalistin)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

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