Sexy ist das Thema berufliche Chancengleichheit trotz anzüglicher Wortspiele und neuer Kreationen wie Equal Pay Day nicht wirklich. Als Jahrzehnte alter Dauerbrenner könnte es sogar langweilig werden, doch es geht um Gerechtigkeit – und für manche um die Existenz.
Einkommenstransparenz gefordert
Mehr Transparenz fordern ÖGB, Frauen- und Sozialministerium: So sollen in Betrieben die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zuerst sichtbar gemacht und dann beseitigt werden. Diese Unterschiede sind nach wie vor eklatant: Laut Einkommensbericht des Rechnungshofs 2008 verdienten weibliche Angestellte 49 Prozent der mittleren Männereinkommen. Der Anteil der Teilzeit Arbeitenden steigt, 89 Prozent aller Teilzeit-beschäftigten sind weiblich. Vergleicht man nur Vollzeitbeschäftigte, bringen es Frauen beim Einkommen auf durchschnittlich 78 Prozent der Männer, bleibt noch immer ein Rückstand von 22 Prozent (2006/07). Laut Lohnsteuerstatistik 2007 der Statistik Austria beträgt der Unterschied sogar 26,2 Prozent. Die schlechtesten Einkommen gibt es in der Dienstleistungsbranche, hier sind auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern am größten.
Mit der Initiative »gleich = fair« fordern Frauen- und Sozialministerium, dass Unternehmen im Gleichbehandlungsgesetz dazu verpflichtet werden sollen, anonymisiert das Einkommen für die verschiedenen Bezugsgruppen offenzulegen. ÖGB-Präsident Erich Foglar: »An sich gibt es in den Kollektivverträgen keine Unterschiede mehr zwischen Männern und Frauen. Aber in der Praxis werden Frauen sehr wohl niedriger eingestuft und schlechter bezahlt. Es gibt sogar Unternehmen, wo es verboten ist, den ArbeitskollegInnen das Gehalt mitzuteilen.« Derzeit ist geplant, nur Firmen mit mindestens 25 MitarbeiterInnen zur Transparenz zu verpflichten – obwohl gerade im öffentlichen Dienst und bei Großunternehmen die Einkommensunterschiede tendenziell geringer sind und ein großer Teil der österreichischen Betriebe weniger als 25 MitarbeiterInnen hat.
Kein Betriebsrat zur Kontrolle
In kleineren Firmen gibt es auch häufiger keine BetriebsrätInnen – die übrigens theoretisch auch heute schon das Recht haben, in Gehaltslisten u. ä. Einsicht zu nehmen und so zu prüfen, ob Arbeitnehmerinnen benachteiligt werden. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will diese Möglichkeit ausweiten und konkretisieren: »Wir möchten, dass BetriebsrätInnen betriebsintern die Gehälter bzw. die Einstufung prüfen und Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter vorschlagen. Zwei Jahre später soll dann nachgeschaut werden, wie weit die Frauen aufholen konnten.« Transparenz wäre auch für nicht angestellte MitarbeiterInnen sinnvoll, denn hier sind die Männer ebenfalls im Vorteil. So verdienten laut Journalistenreport 2007 fünfmal mehr männliche als weibliche freiberufliche Journalisten über 5.000 Euro monatlich.
Dr. Dr. Guido Strunk, Senior Scientist am Forschungsinstitut für Gesundheitsmanagement und Gesundheitsökonomie und sein Team haben erstmals 2005 die Karriereverläufe von Männern und Frauen verglichen. Fazit: Es gab – trotz gleicher Voraussetzungen große Einkommensunterschiede, die weiblichen Teilnehmerinnen gelangten deutlich seltener in Führungspositionen als ihre Kollegen. Kurzum: Eine Frau muss ein Mann sein, um Karriere zu machen. In einem kürzlich veröffentlichten Update dazu untersuchten Guido Strunk und Anett Hermann die Karrieren von 94 WU-AbsolventInnen mit 26 identischen Voraussetzungen (Alter, Abschlussjahr, Noten, Ehrgeiz etc.) und fanden nach wie vor dramatische Einkommensunterschiede.
Im ersten Berufsjahr waren die Gehälter der Frauen nur geringfügig niedriger, im Lauf von zehn Jahren verdienten Männer mit den gleichen Voraussetzungen durchschnittlich 70.000 Euro mehr als Frauen. Rechnet man jene Frauen heraus, die im Vergleichszeitraum in Karenz waren, liegt der Einkommensunterschied immer noch bei stolzen 61.000 Euro. Das heißt: Kinder spielen zwar eine Rolle, aber offenbar nicht die entscheidende. Und auch Frauen, die bewusst Karriere statt Kinder wählen, fallen hinter die Männer zurück.
Als besonders karriererelevant stellte sich die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit heraus. Je mehr Wochenarbeitszeit, desto höher das Gehalt. Und hier übertrafen die Männer die Frauen deutlich. Es besteht allerdings die Möglichkeit, so die Studie, »dass die geringere Wochenarbeitszeit von Frauen mehr die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen widerspiegelt als die Leistungsbereitschaft.«
Flache Karrierekurven
Strunk stellte auch fest, dass die Chancen auf Karriere und gute Bezahlung in größeren Unternehmen besser sind. Leider wirkt sich dieser Umstand bei Frauen deutlich weniger aus als bei ihren männlichen Kollegen. Unabhängig von der Größe eines Unternehmens verlaufen weibliche Karrieren flacher als männliche. Mit einem Satz: Frauen können sich noch so anstrengen, die Chance, dass der genauso qualifizierte Kollege bevorzugt wird, ist groß. Manche haben es dann eben satt, fortwährend gegen Widerstände zu kämpfen bzw. zu argumentieren. Strunk wirft in seiner Untersuchung die Frage auf, ob die »typisch weiblichen Eigenschaften« (weniger Risikobereitschaft und Ehrgeiz, mehr Harmoniebedürfnis etc.) nicht eher eine Folge fehlender Chancengleichheit als deren Ursache sind.
Auch die EU sieht punkto Einkommensschere Handlungsbedarf und empfiehlt den Mitgliedsstaaten unter anderem folgende Lösungsansätze:
- Mehr Frauen in gut bezahlte technische Berufe.
- Ausbau hochwertiger und erschwinglicher Kinderbetreuungseinrichtungen.
- Gezielte Maßnahmen, um die Kinderbetreuung zwischen beiden Eltern aufteilen zu können.
- Bekämpfung von Stereotypen, damit Frauen und Männer ihr Potenzial voll ausschöpfen können (Überprüfung von Unterrichtsmaterialien auf Rollenklischees, Sensibilisierungsmaßnahmen am Arbeitsplatz etc.).
- Förderung einer paritätischen Vertretung von Frauen und Männern in Entscheidungsprozessen und Führungspositionen.
Es dürfen Wetten abgeschlossen werden, wie lang es dauert, bis der Equal Pay Day im Dezember begangen werden kann.
Weblink
Forderungen der ÖGB-Frauen:
www.oegb.at
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Von Astrid Fadler (Freie Journalistin)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.
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