Wie gemeinnützig ist das Internet?

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Die Wurzeln des Internets liegen im staatlichen oder staatlich geförderten Bereich. Ende der 1990er-Jahre sprangen private Konzerne auf den digitalen Zug auf.

Die so gesammelten Daten können auch noch ganz anderen Zwecken zugeführt werden. Fuchs erklärt dazu: „Die Aufdeckungen von Edward Snowden haben verdeutlicht, dass es einen überwachungsindustriellen Komplex gibt, in dem Geheimdienste mit privaten Sicherheitsunternehmen wie Booz Allen Hamilton und Kommunikationsunternehmen wie AOL, Apple, Facebook, Google, Microsoft, Paltalk und Yahoo zusammenarbeiten, um die Destinationen und Inhalte der Kommunikation von BürgerInnen zu überwachen.“ Das betrifft auch gewerkschaftliche Kommunikation in sozialen Medien, was vor allem dann bedacht werden sollte, wenn sich etwa eine Belegschaft unter klandestinen Bedingungen in einem gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen organisiert.

Doch zurück zur Frage nach dem Gemeingut Internet. Fuchs nähert sich dieser Frage von seiner Kenntnis der Zustände im Waldviertel aus. Er beschreibt die Gegend als spärlich besiedelt, wofür er auch die De-Industrialisierung der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich macht. Viele Orte im Waldviertel hätten nur eine langsame, teilweise auch gar keine funktionierende Internetverbindung. Das wird von den Versorgern durchaus zugegeben. Fuchs zitiert Hermann Gabriel, den Unternehmenssprecher der A1 Telekom Austria AG: „Man muss sagen, dass das Waldviertel einerseits aufgrund seiner topografischen Situation und der dichten Bewaldung, andererseits durch die dünne Besiedelung sehr schwierig zu versorgen ist.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Menschen im Waldviertel zwar dieselben Preise für ihre Telekommunikationsversorgung zahlen wie anderswo auch, dafür aber geringere Dienstleistungen erhalten. Dieser Zustand erinnert an die immer noch schwelende Diskussion rund um die sogenannte Netzneutralität. Damit ist gemeint, dass alle Daten bei ihrer Übertragung im Internet gleichbehandelt werden müssen. Die großen Internetprovider wollen das jedoch ändern. Sie wollen, dass man zukünftig für schnelle Datenübertragung besonders viel Geld hinlegen muss. In den USA wird diese Frage gerade in Senat und Repräsentantenhaus heftig diskutiert. Das Beispiel Waldviertel zeigt allerdings, dass auch bei (noch) bestehender Netzneutralität längst nicht alle Gegenden von den Telekommunikationskonzernen gleichbehandelt werden.

Hier kommt das „Gemeingut“ ins Spiel. Trotz der Dominanz der großen Konzerne haben sich Elemente der Gemeinnützigkeit im Internet erhalten. Mit Wikipedia ist eine internationale, nicht kommerzielle Enzyklopädie herangewachsen. Gewerkschaftsnahe Webseiten wie der Blog der Arbeit&Wirtschaft veröffentlichen Beiträge mit der Creative-Commons-Lizenz, um diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen. All diese Initiativen haben sich die Verbreitung frei zugänglicher Information über das Internet auf die Fahnen geschrieben.

Nichtkommerzielle Alternativen

Fuchs hält es für absolut vernünftig, hier anzusetzen. Für Österreich fordert er: „Es wäre durchaus sinnvoll, dass der ORF eine Art nichtkommerzielles YouTube entwickelt, während ein nichtkommerzielles Facebook und nichtkommerzielle WIFI-Netzwerke zivilgesellschaftlich organisiert sein sollten und durch eine partizipative Mediengebühr staatliche Hilfen bekommen könnten.“ Auf internationaler Ebene gibt es so etwas Ähnliches bereits. Die „Diaspora Foundation“ bietet eine gemeinnützige Facebook-Alternative an, die nicht auf Datenhandel beruht und anonyme Kommunikation ermöglichen soll. Weite Verbreitung fand sie allerdings nicht.

Für das Waldviertel entwickelt Fuchs die Idee lokaler und regionaler Freifunknetze, die von „nichtkommerziellen, gemeinwohlorientierten, selbstverwalteten Betrieben oder Gemeinden“ angeboten werden sollen. Hierin sieht er auch eine Chance für eine Wiederbelebung der Region, die seit Jahren durch starken Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet ist: „Eine kommunalisierte oder selbstverwaltete Kommunikationsinfrastruktur kann Teil gemeinnütziger lokaler Strukturen in globalen Dörfern sein, die es für junge Menschen attraktiv machen, in Regionen wie dem Waldviertel zu leben und tätig zu sein.“

Ein ähnliches kommunalisiertes Internetsystem sei im Jahr 2005 infolge des Hurrikans Katrina in New Orleans in Planung gewesen. Allerdings habe es dagegen „großen Widerspruch der lokal einflussreichen Telekommunikationskonzerne“ gegeben, die versucht hätten, das Projekt „zu boykottieren“. Ohne eine Auseinandersetzung mit den Großkonzernen wird es auch im Internet keinen Fortschritt geben.

Weiterführende Links:
Der Text „Internet, Kapitalismus und periphere Entwicklung im Waldviertel“ von Christian Fuchs ist als kostenloser Download erhältlich
Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Formen von Creative Commons findet sich hier
Im Februar 2014 beschäftigte sich der Fernsehsender 3sat mit den gemeinnützigen Wurzeln des Internets
Der Verein „Wikimedia“ fühlt sich der gemeinnützigen Informationsverbreitung verpflichtet

Von
Christian Bunke
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.

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