Dass heute jegliche Inhalte mit einer potenziell unbegrenzten Reichweite online veröffentlicht werden können, birgt die Gefahr der noch schnelleren und umfassenderen Verbreitung von rechtsextremen Verschwörungstheorien, traumatisierenden Gewaltdarstellungen und folgenschweren Falschinformationen.
Andererseits spielt im deutschsprachigen Raum – insbesondere in Österreich aufgrund der kleinen und konzentrierten Medienlandschaft – noch ein anderer Grund eine wesentliche Rolle dabei, weshalb klassische MedienmacherInnen ihren seit Jahren schwindenden Gatekeeping-Privilegien so hörbar nachweinen.
Öffentlichkeit ist Macht
Durch das Aufkommen sozialer Medien und anderer Self-Publishing-Plattformen wie Blogs und audiovisuellen Kanälen, für die es auch immer bessere Finanzierungsmöglichkeiten gibt, wurde diese Gatekeeping-Funktion jedenfalls mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Natürlich gibt es sie nach wie vor, aber sie ist kein Alleinstellungsmerkmal von JournalistInnen mehr, was das Einbüßen von Deutungshoheit und somit Macht zur Folge hatte. Denn Öffentlichkeit ist bekanntlich Macht. Das finden viele, die stets von diesen Hierarchien, von dieser klaren Trennlinie zwischen ihren als wichtig geltenden und anderen als weniger wichtig geltenden Stimmen profitiert haben und die Bühne nunmehr teilen müssen, wenig überraschend nicht so toll. Im Gegensatz zu jenen, die bis dahin systematisch ausgeschlossen wurden, weil sie keine Plattform in Form eines Mediums hatten. Das betrifft unter anderem Frauen, schwarze Personen, People of color und die LGBTIQ-Community.
Feministische, herrschafts- und systemkritische Positionen waren nicht mehr länger vom Goodwill klassischer MedienmacherInnen abhängig, sondern konnten mithilfe eigener Plattformen und Netzwerke selbst in Umlauf gebracht werden.
Damit waren feministische, herrschafts- und systemkritische Positionen nicht mehr länger vom Goodwill klassischer MedienmacherInnen abhängig, sondern konnten mithilfe eigener Plattformen und Netzwerke selbst in Umlauf gebracht werden. Dass so auch potenziell jenen Platz weggenommen werden konnte, die das an sich ausschließende System nicht infrage stellen, ist ein willkommener Nebeneffekt. Jenen, die anders als die „Neuen“ auf der Bühne keine Bedrohung für den Erhalt bestehender Machtverhältnisse sind, da sie durch sie ihre eigene Vormachtstellung festigen.
Alternative MedienmacherInnen werden diskreditiert
Dementsprechend wehren sie sich und versuchen, alternative MedienmacherInnen auf unterschiedliche Arten zu diskreditieren. Entweder werden ihre Positionen mit Ignoranz abgestraft oder es wird ihnen ihre Objektivität abgesprochen, auf die sie allerdings niemals einen Anspruch gestellt hatten. Mit diesem Objektivitätsanspruch soll wohl traditioneller Journalismus erhöht werden, obwohl er – wie oben geschrieben – nur eine Illusion sein kann.
Die Bühne teilen
Jedenfalls gibt es neben der Herabsetzung von „KonkurrentInnen“ eben auch den Weg, anzuerkennen, dass es nicht mehr nur JournalistInnen im klassischen Sinne sind, die etwas zu sagen haben bzw. die etwas sagen dürfen und damit den öffentlichen Diskurs prägen. Die Gatekeeping-Funktion ist zu schwammig geworden, um sich weiter an ihr und den mit ihr einhergehenden Privilegien festzukrallen. Das bedeutet unweigerlich ein Teilen der Bühne, eine nicht nur symbolische teilweise Aufgabe des eigenen prominenten Platzes und der damit verbundenen Deutungshoheit. Wer sich dagegen weiterhin sträubt, darf sich nicht wundern, wenn er/sie irgendwann von RezipientInnen im Regen stehen gelassen wird.