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Heute sind GLOBAL 2000, Greenpeace, der Verkehrsclub Österreich oder Attac PartnerInnen von ÖGB und Arbeiterkammern. Heute sind GLOBAL 2000, Greenpeace, der Verkehrsclub Österreich oder Attac PartnerInnen von ÖGB und Arbeiterkammern.

Spannende Allianzen

Schwerpunkt

Proteste und Gruppen, die sich gegen die etablierte Politik richten, sind für Gewerkschaften heute keine Feindbilder. Das war nicht immer so.

Vor 30 Jahren schienen die Gräben zwischen „neuen Bewegungen“ und dem ÖGB noch unüberwindbar: Angeblich kommunistisch infiltrierte „Besetzer“ hätten schließlich den Kraftwerksbau in Hainburg, durch eine „gegen bestehendes Recht gerichtete Massenbewegung“, verhindert.1 Heute sind GLOBAL 2000, Greenpeace, der Verkehrsclub Österreich oder Attac PartnerInnen von ÖGB und Arbeiterkammern. Was steckt hinter diesem Wandel?

Kalter Wind

„Hainburg“ fiel in eine Phase, in der ein verändertes Umfeld bereits zu einer Schwächung der Sozialpartnerschaft als institutionelle Machtressource der Gewerkschaften geführt hatte.2 Ab Mitte der 1980er-Jahre begannen nicht nur die Mitgliederzahlen langfristig zu sinken. Spektakuläre Fälle wie die Auseinandersetzung rund um das Semperitwerk in Traiskirchen zeigten im folgenden Jahrzehnt plastisch die Herausforderung beim Bestreben, den Erpressungsversuchen eines global agierenden Konzerns etwas entgegenzusetzen. Neoliberale Diskurse, Budgetsanierung und nicht zuletzt das Auftreten der Haider-FPÖ bedeuteten, dass den Interessenvertretungen auch medial bzw. politisch ein kalter Wind entgegenblies. Aber anders als die Gewerkschaften griffen neue (Gegen-)Bewegungen die entsprechenden Themen sehr schnell auf.
Im Herbst 1987 fand die erste österreichweite Demonstration gegen Sozialabbau mit rund 60.000 Teilnehmenden statt. Unter den Demonstrierenden befanden sich zwar auch viele Gewerkschaftsmitglieder, die ÖGB-Strukturen waren damals aber eher bemüht, das Demonstrationsbündnis zu ignorieren. Erste wirkliche Brückenschläge gelangen hingegen bemerkenswerterweise über das spannungsgeladene „Migrationsthema“. Es war das Lichtermeer gegen das FPÖ-Volksbegehren „Österreich zuerst“, welches gerade durch die massive gewerkschaftliche Präsenz zur bis dato größten Manifestation der österreichischen Nachkriegsgeschichte wurde.3 Ebenso begannen in der Folge die Gewerkschaften, Fragen wie das fehlende passive Betriebsratswahlrecht für Nicht-EU-/EWR-BürgerInnen öffentlich zu thematisieren. Eher konfliktreich waren demgegenüber erste Versuche von Menschen mit Migrationserfahrung, ihre Anliegen autonom in der Gewerkschaftsorganisation zu lancieren (siehe auch „(Sprach-)Barrieren abbauen“).4
Der Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung und ihre offenen Versuche, die institutionelle Macht des ÖGB dramatisch zu beschneiden, befeuerten neue Ansätze der Gewerkschaften nachhaltig. Begriffe wie „Organizing“, also (neue) Mitglieder über „ihre Themen“ zu gewinnen und aktiv in gewerkschaftliches Handeln einzubeziehen, wurden zunehmend diskutiert. Die Interessengemeinschaften (IGs), die explizit „einfache“ Mitglieder bzw. sogar Nichtmitglieder in schwer organisierbaren Berufsfeldern direkt in die Gewerkschaftsarbeit einbinden wollen, hatten ebenso bereits ihre Arbeit aufgenommen. Auch die erste ÖGB-Urabstimmung signalisierte ein neues Denken. Gewerkschaftliche Kräfte waren schon bei den breiten Protesten gegen die Regierung im Frühjahr 2000 massiv präsent gewesen. Vor allem im Streikjahr 2003 konnte der ÖGB dann strukturelle Gegenmacht aufbauen. Die öffentliche Wahrnehmung von Gewerkschaften wandelte sich dadurch zumindest temporär massiv. Inhaltlich traf man sich zudem vor allem in der Globalisierungskritik zunehmend mit NGOs wie Attac bzw. internationalen Entwicklungen. Kathrin Niedermoser, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Projekt „Trafo Labour“5, betont die Rolle der Sozialforumsbewegung sowie der „Stopp GATS“-Kampagne. Gerade als Reaktion auf die ÖGB-Krise (2006) sollten neue Ansätze und Kooperationen vorangetrieben werden. Doch wie stellen sich heute die Bilanz und der Status quo dieser Öffnung dar?

Momentaufnahmen

Veronika Kronberger (GPA-djp) berichtet in diesem Kontext: „Ich bin selbst Vorsitzende des Vereins Plattform Generation Praktikum und habe als solche in den letzten Jahren viele positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der GPA-djp gemacht. Die Kommunikation war immer sehr wertschätzend und stets auf Augenhöhe, das ist auch der Grund dafür, warum ich nun selbst seit Dezember 2013 hauptamtliche Sekretärin mit dem Arbeitsfeld ‚atypisch Beschäftigte‘ bei der GPA-djp bin.“ So gesehen sei sie selbst eines von vielen positiven Beispielen für die Zusammenarbeit zwischen NGOs oder Vereinen und der Gewerkschaft. „Eines der ersten Projekte, das ich für die GPA-djp umgesetzt habe und an dem natürlich auch der Verein Plattform Generation Praktikum beteiligt war, ist die ‚Watchlist Praktikum‘. Die GPA-djp steht geschlossen hinter dieser Initiative und bietet volle Unterstützung.“ René Schindler, Bundessekretär der PRO-GE, zieht folgende Bilanz: „Die PRO-GE und andere Gewerkschaften arbeiten seit mehreren Jahren in der Allianz ‚Wege aus der Krise‘, bei ‚UNDOK‘ usw., neuerdings auch bei der Unterstützung von ErntehelferInnen mit NGOs zusammen. Inhaltlich hat sich das sehr bewährt, bei den Mitgliederzahlen bislang nicht. Letzten Herbst haben wir in Tirol mit vielen LeiharbeiterInnen, die keinen Betriebsrat haben, unmittelbar zusammengearbeitet. Das war sehr erfolgreich, auch was Mitgliederzahlen betrifft!“ Nach wie vor würden Gewerkschaften neue Mitglieder aber vor allem über die Betriebsräte werben. Angesichts des Strukturwandels (kleinere Betriebe, atypisch Beschäftigte) sei das durchaus ungünstig.

Gespannter Ausblick

Perspektivisch ist hier festzustellen, dass Gewerkschaften durch entsprechende Kooperationen nicht nur inhaltlich profitieren, indem marktradikalen Kräften argumentativ bzw. in der Öffentlichkeitsarbeit besser begegnet werden kann. Gemeinsame Arbeit bzw. voneinander zu lernen kann auch dabei helfen, dass Interessenvertretungen wieder stärker an „ihre ursprüngliche Entstehung aus Basisbewegungen aktiver ArbeiterInnen anknüpfen“, so Schindler.6  Dem stünde aber die gewerkschaftliche Praxis entgegen – auch aufgrund mangelnder Kampferfahrung –, Konflikte in zentraler und strikt organisierter Form zu führen bzw. führen zu müssen. Anzumerken ist hier allerdings, dass gerade jüngere Beispiele von Arbeitskämpfen in schlecht organisierten Bereichen zeigen, wie wichtig die Partizipation der Betroffenen – sowie des gesamten lokalen Umfelds – für den Streikerfolg ist.7 Ebenso wird von (potenziellen) KooperationspartnerInnen das Führen von Arbeitskämpfen durch die Gewerkschaften in der Regel zwar kritisch, aber grundsätzlich meist sehr solidarisch kommentiert.8
Zwischen traditionellen Strukturen und der Arbeit in Bündnissen bzw. mit neuen (Ziel-)Gruppen können sich somit durchaus Spannungsfelder, aber eben auch Chancen ergeben: „Eine neue Kultur dezentraler, unkontrollierter, aber vom Apparat prinzipiell unterstützter Aktivitäten könnte die Aktionsfähigkeit ausweiten. An sich besteht gerade innerhalb der hauptamtlichen MitarbeiterInnen der Gewerkschaften durchaus Interesse an lustvollen, kämpferischen Aktivitäten, die eine interessante Alternative zur routinisierten Arbeit darstellen“, meint Schindler9. Grundsätzlich schwieriger könnten sich demgegenüber solche Kooperationen gestalten, wenn Gewerkschaften als Reaktion auf die Krise wieder verstärkt bzw. einseitig versuchen, ihre Position über die Arbeit in den staatlichen Institutionen zu bewahren.  Auch bzw. gerade wenn sie sich als Krisenmanager bewähren sollten, entstehen hier (erneut) Spannungsfelder. Das gilt für das Verhältnis zu externen Organisationen und PartnerInnen – insbesondere dann, wenn diese an die kapitalismuskritischen Bewegungen in Spanien und Griechenland anknüpfen. Das gilt aber wohl auch für die eigenen inhaltlichen Bemühungen, alternative „Wege aus der Krise“ zu entwickeln.

Internet:
Weitere Infos finden Sie unter:
www.wege-aus-der-krise.at
trafo-labour.univie.ac.at
www.watchlist-praktikum.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
johnevers@gmx.net
oder die Redaktion
aw@oegb.at

1 Vgl.: Hesoun/Pöttschacher, Schwarz-Weißbuch Hainburg, 1985.
2 Die Analyse folgt dem „Jenaer Machtressourcenansatz“. Vgl. dazu: Schmalz, Dörre (Hrsg.): Comeback der Gewerkschaften?: Machtressourcen, innovative Praktiken, internationale Perspektiven, 2013.
3 Vgl. tinyurl.com/qgxymvm
4 Vgl. z. B. die Bilanz der Initiative „Sesam Öffne Dich!“ auf: tinyurl.com/k9yq6ox
5 Vgl. trafo-labour.univie.ac.at. Bei diesem Projekt arbeiten WissenschafterInnen unter der Leitung von Ulrich Brand u. a. gemeinsam mit PRO-GE, GBH, vida und AK an ökologischen Fragestellungen.
6 René Schindler, Strategische Allianzen zwischen Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen: Eine Chance zur Wiedergewinnung ideologischer Hegemonie und praktischer politischer Durchsetzungskraft. tinyurl.com/katd94y
7 Vgl. Tagungsdokumentation: Kommt der Streik zurück? tinyurl.com/k4z9l2c
8 Vgl. z. B. Nico Weinmann, Stefan Schmalz, Zwischen Macht und Ohnmacht: Gewerkschaftliche Krisenproteste in Westeuropa, Kurswechsel 1/2014. tinyurl.com/m55cjxn
9 Vgl. tinyurl.com/katd94y

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