Frauen und Pay Gap: Vom Regen in die Traufe

Illustration Pay Gap
Illustration (C) Natalia Nowakowska
Weniger Gehalt, weniger Pension, weniger Vermögen. Trotz gesetzlich festgelegter Gleichbehandlung ist das Leben von Frauen nach wie vor von massiver ökonomischer Ungleichheit gezeichnet. Was tun?
Social Media auf, Hashtag #Corona, klick, Bilder anzeigen, klick – zu sehen sind Frauen. Krankenschwestern im Spital. Kassiererinnen im Supermarkt. Altenpflegerinnen im Pensionistenheim. Und Videos mit Applaus, Menschen die aus der Isolation und ihren Fenstern hinaus klatschen, um Danke zu sagen. Denn es sind mehrheitlich Frauen, die gerade die Gesellschaft stützen und das System aufrecht erhalten. Und nebenbei auch noch Kinderbetreuung oder Pflege übernehmen. Denn Care-Berufe sind weiblich – immer noch. Die Löhne niedrig, und Applaus ist kein anerkanntes Zahlungsmittel.

Care-Berufe sind weiblich – immer noch. Die Löhne niedrig, und Applaus ist kein anerkanntes Zahlungsmittel.

Es gibt genug Statistiken zur ökonomischen Situation von Frauen. Doch egal, ob vor oder während der Corona-Krise: Durchwegs ist die Debatte über den sogenannten Gender Pay Gap, also den Geschlechtsunterschied bei Gehältern, eine besonders mühsame.

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So beträgt – jedenfalls spiegeln das sämtliche Berechnungen vor der Corona-Krise wider – der gesamte unbereinigte Gender Pay Gap laut Statistik Austria 36,7 Prozent. Knapp die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in Österreich ist teilzeitbeschäftigt. Zieht man diesen Faktor von den genannten 36,7 Prozent ab, kommt man auf einen Unterschied von 22,2 Prozent. Wenn man von dieser Zahl wiederum nun “objektivierte” branchen- und berufsspezifische Faktoren subtrahiert, kommt man auf einen bereinigten Gender Pay Gap von 13,6 Prozent. Dieser verbleibende Lohnunterschied bleibt statistisch nicht erklärbar. Das bedeutet also, dass die 13,6 Prozent auf sexistischer Diskriminierung beruhen. Mal ganz davon abgesehen, dass struktureller Sexismus sowieso schon bereits vor, während und nach der Ausbildung eine Rolle spielt. Frauen haben seit Jahren die höheren Bildungsabschlüsse. Sie haben häufiger Matura und akademische Titel als Männer. Sie müssten demnach also im Grunde sogar besser verdienen als Männer. Tun sie aber nicht.

Erklärt heißt nicht gerecht

Werfen wir das Stichwort (stereo-)typische Frauen- und Männerberufe in den Ring. Auch da: Männerdominierte Branchen sind besser bezahlt als frauendominierte Branchen. Werden Branchen “weiblich”, sinkt das durchschnittliche Lohnniveau, werden sie “männlich”, steigt es. Auch das Ansehen ändert sich mit dem Geschlechterverhältnis. Man denke an das oft zitierte Beispiel mit den Programmiererinnen. Waren es in den 1960er Jahren hauptsächlich Frauen, also Bürokräfte mit niedrigem Status, die programmiert haben, kam es mit der wachsenden Relevanz der Computer zu einer Professionalisierung der Branche – die Frauen wurden verdrängt. Bis heute ist die Branche männerdominiert und gut bezahlt.

Armut bedeutet vor allem, täglich Angst zu haben, was der nächste Tag bringt.

Sybille Pirklbauer, Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien

Aber zurück zur Diskussion um den “wahren” Gender Pay Gap. Sybille Pirklbauer, Referentin für soziale und wirtschaftliche Aspekte von Gendergerechtigkeit und Familienförderung in der Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien, nennt das Herunterrechnen des Prozentsatzes nur bedingt sinnvoll: “Die 36,7 Prozent bleiben ja trotzdem relevant. Was bringt es den Frauen, wenn sie sich die Faktoren erklären können? Das ändert nichts daran, dass sie weniger verdienen”, sagt sie. Dass der Gender Pay Gap bis zu einem gewissen Grad erklärbar ist, bedeutet schließlich nicht, dass er gerecht ist.

Ungleichheit führt zu mehr Ungleichheit

Er ist außerdem die Grundlage für weitere Ungleichheit. Wer wenig verdient, bekommt weniger Pension. Dass Frauen nach wie vor den wesentlichen Anteil der Kinderbetreuung übernehmen, länger in Karenz gehen und den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit leisten, oft neben einer Teilzeitarbeit, spielt in die geringe Pension hinein. Maßnahmen wie die Anrechnung der Kindererziehungszeiten oder das Pensionssplitting können diese Kluft nur bedingt ausgleichen. “Bei den Kindererziehungszeiten wäre wichtig, dass der Betrag nicht zwölf, sondern wie ein kollektivvertragliches Gehalt 14 mal im Jahr ausbezahlt wird. Das Pensionssplitting kann auch zu niedrigeren Pensionen führen, wenn Frauen sich darauf verlassen, dass sie eh abgesichert sind. Ein Erwerbseinkommen zahlt aber sehr viel mehr auf das Pensionskonto ein, als es das Splitting tut, das dazu ja auch noch vom Partner abhängig macht”, sagt Pirklbauer.

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Im EU-Vergleich schneidet Österreich nach Eurostat-Erhebungen schlecht ab, was den Gender Pension Gap angeht. Nach Luxemburg (43 Prozent), Malta (42 Prozent) und den Niederlanden (40 Prozent) weist Österreich mit 39 Prozent die viertgrößte Pensionslücke zwischen Frauen und Männern auf. Der EU-Schnitt liegt bei 30 Prozent. Der desaströse Prozentsatz ist eine logische Konsequenz der vorhergehenden ökonomischen Ungleichheit.

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Franziska Disslbacher, Referentin für Verteilungsfragen in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien, betont zudem die Erwerbszentriertheit des österreichischen Systems: “Mit der Reform 2004 ging man von der Idee der Sicherung des Lebensstandards im Alter aus und der Versicherungscharakter des Pensionssystems wurde gestärkt“, erklärt sie. Für eine nachhaltige Verbesserung der Situation von Frauen im Alter sei eine gleichberechtigte Verteilung der unbezahlten Arbeit unerlässlich, auch höhere Mindestlöhne und Arbeitszeitverkürzung können dazu einen Beitrag leisten.

Mit der Reform 2004 ging man von der Idee der Sicherung des Lebensstandards im Alter aus und der Versicherungscharakter des Pensionssystems wurde gestärkt.

Franziska Disslbacher, Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien

Wenn nichts übrig bleibt

Wer wenig Pension bekommt, ist im Alter häufiger armutsgefährdet. Das Armutsrisiko für alleinlebende Pensionistinnen liegt laut Statistik Austria bei 26 Prozent. Bei Männern: 15 Prozent. Hinzu kommt, dass Frauen, wenn sie ihr Leben lang wenig verdienen, dementsprechend weniger bis nichts ansparen. Sie haben kein Kapital, auf das sie zurückgreifen können. Auch dafür gibt es einen eigenen Begriff: den sogenannten Gender Wealth Gap.

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Auf Basis von Daten aus der Household Finance and Consumption Survey (HFCS) konnte das Forschungsinstitut Economics of Inequality an der WU Wien die Vermögensaufteilung zwischen den Geschlechtern in österreichischen Haushalten ermitteln. Demnach besitzen Frauen in Österreich im Durchschnitt 23 Prozent weniger Vermögen als Männer. In Paarhaushalten beträgt die geschlechtsspezifische Vermögenslücke zu Lasten der Frauen durchschnittlich 58.417 Euro. Das entspricht 28 Prozent. Wer Vermögen hat, hat Macht. Frauen fehlt beides.

Frauen verfügen ihr Leben lang über wesentlich weniger Kapital und damit einer deutlich instabileren ökonomische Absicherung als Männer. Dadurch werden – und bleiben – sie viel zu oft von letzteren abhängig.

Frauen verfügen ihr Leben lang über wesentlich weniger Kapital und damit einer deutlich instabileren ökonomische Absicherung als Männer. Dadurch werden – und bleiben – sie viel zu oft von letzteren abhängig. Für eine gleichberechtigte Gesellschaft müssen Frauen aber unabhängig leben können. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis.

Warum ändert sich also nichts? Wie so oft ist die Antwort eine, die nicht ohne Kapitalismuskritik auskommt. Es braucht das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern, um die Verhältnisse zu erhalten. Denn innerhalb dieser wird es sich nicht ausgleichen lassen. Das war schon vor der Corona-Krise so, das gilt jetzt, mittendrin, und das wird auch danach so sein.

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Über den/die Autor*in

Nicole Schöndorfer

Nicole Schöndorfer ist 1990 in Oberösterreich geboren und lebt seit neun Jahren in Wien. Sie hat Publizistik, Anglistik und Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für verschiedene Medien.

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