So besitzt das reichste Prozent der Haushalte fast ein Viertel des Vermögens, in konkreten Zahlen sind es 22,6 Prozent. Die reichsten fünf Prozent besitzen sogar bereits 43,1 Prozent aller Vermögenswerte. Und: Die obersten 10 Prozent haben mehr als die restlichen 90 Prozent. Betrachtet man die untere Hälfte der Bevölkerung, so sieht die Lage völlig anders aus: Sie besitzen gemeinsam nämlich nicht einmal vier Prozent des Vermögens.
Denkbar schlecht
Eine andere Quelle zum Thema Verteilung von Vermögen ist der sogenannte Gini-Koeffizient, der die Gleichheit oder Ungleichheit der Verteilung von Vermögen misst. 0 wäre absolute Gleichheit, 1 wäre absolute Ungleichheit – das wäre der Fall, wenn eine Person alles besitzen würde. Auch hier schneidet Österreich denkbar schlecht ab. AK-Verteilungsexperte Matthias Schnetzer erklärt: „In Österreich liegt der Koeffizient für Vermögen bei 0,73 Punkten, das Ausmaß der Ungleichheit ist also enorm.“
Die Konzentration privater Vermögen in den Händen der Reichsten nimmt international insbesondere seit den 1980er-Jahren rasant zu.
Und diese Konzentration privater Vermögen in den Händen der Reichsten nimmt international insbesondere seit den 1980er-Jahren rasant zu. „Die Forschungsergebnisse des bekannten Verteilungsökonomen Thomas Piketty sind eindeutig“, so Schnetzer. Verantwortlich, so der AK-Experte, seien unter anderem Deregulierung und Privatisierungswellen, die Orientierung an Aktionärsgewinnen, der internationale Steuerwettbewerb sowie Steueroasen.
Vermutlich noch höher
Erschwerend kommt hinzu, dass die Ungleichheit sogar noch drastischer sein könnte. Denn die HFCS-Studie basiert nämlich auf freiwilligen Selbstauskünften von zufällig ausgewählten Haushalten. „Die ganz Reichen werden so nicht erfasst“, erklärt Schnetzer. Denn dass gerade die reichsten Haushalte als Stichprobe ausgewählt werden, wäre ein enormer Zufall – zusätzlich gibt es bei den besonders Reichen eine höhere Tendenz zur Teilnahmeverweigerung.
Die Ungleichheit könnte sogar noch drastischer sein: Studien basieren oft auf freiwilligen Selbstauskünften und nicht selten kommt es zu einer Teilnahmeverweigerung.
In der vorangegangenen Studie „HFCS 2014“, die 2017 erschienen ist, wurde beispielsweise das Vermögen des reichsten Haushalts in Österreich mit rund 40 Millionen Euro angegeben. Es existieren allerdings verschiedene Listen der reichsten ÖsterreicherInnen, die von weit höheren Vermögen ausgehen. So publiziert etwa das Wirtschaftsmagazin „Trend“ jährlich ein Ranking der Reichsten im Lande. Die Liste für 2018 führen die Familien Porsche und Piëch mit 39,4 Milliarden Euro an – ziemlich genau das Tausendfache des reichsten Haushalts der „HFCS 2014“-Studie. Danach folgen der Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz mit 12,47 Milliarden sowie Novomatic-Boss Johann Graf mit 6,7 Milliarden. Laut „Trend“ bringen es allein die 100 reichsten Familien in Österreich auf ungefähr 170 Milliarden Euro. „Das entspricht rund 24 Prozent des Gesamtvermögens aller Österreicher“, so das Wirtschaftsmagazin.
Dass das tatsächliche Vermögensungleichgewicht in Österreich vermutlich weit höher ist, davon sind Benjamin Ferschli und Rafael Wildauer überzeugt. Sie sind Co-Autoren der Studie „Bestände und Konzentration privater Vermögen in Österreich“, die im September 2017 von der AK Wien veröffentlicht wurde. Die Ökonomen haben berechnet, wie ungleich die Verteilung durch Hinzuschätzung der Superreichen wäre, und kommen zu dem Schluss, dass das reichste Prozent der Bevölkerung sogar rund 41 Prozent des Gesamtvermögens besitzt.
Keine Mittelschicht
Die meisten Menschen in Österreich schätzen sich laut der HFCS-Studie mit ihrem Vermögen selbst in der Mitte ein – den Tatsachen entspricht das nicht. Die Studie zeigt klar: Es gibt in Österreich bei der Vermögensverteilung keine breite Mitte oder Mittelschicht. Die Ergebnisse sind auch für Schnetzer eindeutig: „Es gibt in Österreich eine kleine Vermögenselite, die dem Rest der Bevölkerung eindeutig davonzieht.“
Die Einschätzung des eigenen Reichtums ist dabei stark von der sozialen Situation abhängig. „Je reicher ein Haushalt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Selbsteinschätzung“, heißt es in der Studie. Und noch eine andere interessante Einschätzung der Vermögenden zeigt sich: Im reichsten Fünftel der Haushalte liegt die Zustimmung zur Aussage „In Österreich kann jemand mit harter Arbeit reich werden“ bei fast 60 Prozent. Doch gleichzeitig sind das jene Haushalte, die am meisten von Erbschaften profitieren.
Dem Mythos, dass jede/r es schaffen könne,
erteilt die Studie eine klare Absage.
Dem Mythos, dass jede/r es schaffen könne, erteilt die Studie eine klare Absage. „Erbschaften sind in Österreich sogar noch ungleicher verteilt als Vermögen“, erklärt Schnetzer. So wird die Vermögensungleichheit durch Erbschaften über Generationen einzementiert. Laut der HFCS-Studie haben rund 60 Prozent der Haushalte in Österreich bisher keinerlei Erbschaft erhalten. Dennoch zeigt die Studie, dass auch bei wenig Vermögenden der Begriff „Erbschaftssteuer“ nicht sehr populär ist, die Zustimmung liegt gerade einmal um die 20 Prozent. Offenbar fürchten viele Menschen um eigene mögliche Erbschaften.
Ganz anders sieht es aus, wenn gefragt wird, ob Reichtum besteuert werden soll. Hier liegt die Zustimmung in der Gesamtbevölkerung bei 46 Prozent, im ärmsten Fünftel der Bevölkerung sogar bei deutlich über 50 Prozent. Ein Hinweis darauf, dass Begriffe wie „Vermögenssteuer“, „Reichensteuer“ oder „Konzernsteuer“ offenbar weit eher Mehrheiten finden als der Begriff „Erbschaftssteuer“.
[infogram id=“aandw-online-wirtschaftsstandort-vermogen-1h7j4dyndmv94nr?live“]Vermögen: privat vs. öffentlich
Auf den ersten Blick zeigen die Zahlen der vorangegangenen beiden HFCS-Studien, dass das mittlere Nettovermögen pro Haushalt in Österreich sogar unter den Werten einiger südeuropäischer Länder liegt. „Die Vermögensungleichheit in Österreich ist sogar im Vergleich der Eurozone enorm hoch, das zeigen Daten der Europäischen Zentralbank“, so Schnetzer. Doch gleichzeitig sind Ländervergleiche immer mit Vorsicht zu bewerten, warnt der Wirtschaftswissenschafter.
In Österreich gibt es vergleichsweise wenig privates Wohnungseigentum, und die Pensionssysteme sind überwiegend staatlich organisiert. Das durchschnittlich geringere Nettovermögen erklärt sich somit aus öffentlicher Wohnbautätigkeit und staatlichen Sicherungssystemen. „Das ist also eher ein Indiz für soziale Errungenschaften“, so Schnetzer. Er plädiert dafür, privates und öffentliches Vermögen nicht getrennt zu betrachten. Wenn das öffentliche Vermögen zerstört wird, würde das vor allem jene treffen, die nicht über große Vermögen, Einkommen oder Erbschaften verfügen. „Und die Bevölkerung kann auch gut leben ohne Zwang zum Wohnungseigentum, zu privaten Krankenversicherungen oder zum Angstsparen für das Alter“, so der AK-Experte.
Frage der Demokratie
Vermögen bedeutet Zugang zu Macht und Einflussmöglichkeiten. Geld kann in Bewegung gesetzt werden, um Lobbying zu betreiben, um Schmiergelder zu bezahlen, um ein politisch vorteilhaftes Umfeld zu schaffen. Wer hingegen weniger Ressourcen hat, fühlt sich entsprechend weniger repräsentiert. Die Folge: Menschen mit niedrigerem Einkommen gehen weniger oft wählen.
Vermögen bedeutet Zugang zu Macht und Einflussmöglichkeiten.
Vermögenskonzentration hat somit negative Auswirkungen auf die Demokratie und das soziale Gefüge. „Wir wissen aus Studien aus verschiedenen Ländern, dass die ungleiche Verteilung von Vermögen zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko ärmerer Bevölkerungsschichten, zu niedrigerer Lebensqualität sowie zu einem höheren Risiko von Kriminalität führt“, erklärt Schnetzer.
Von selbst wird sich an all dem nichts ändern. Der Verteilungsökonom Thomas Piketty hat mit seinen Forschungen gezeigt, dass die Konzentration von Vermögen in den Händen superreicher Eliten immer weiter zunimmt, wenn keine gegenläufigen Maßnahmen ergriffen werden.
Weitere Informationen:
www.hfcs.at
AK-Vermögensstudie:
tinyurl.com/yc59mh9t
Michael Bonvalot
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/19.
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