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Symbolbild zum Bericht "Bildung nicht nur für ManagerInnen" Aktuelle Studien zeigen: Bildung wird stark als Belohnung für gute Leistung gedacht bzw. unter dem Vorzeichen der Persönlichkeitsentwicklung forciert.

Bildung nicht nur für ManagerInnen

Schwerpunkt

Wichtige Branchen halten Weiterbildung von den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern fern.

Die Erwachsenenbildungsausgaben sind in Österreich vergleichsweise sehr hoch – aber auch sehr ungleich verteilt. 631 Euro werden bei uns pro Kopf und Jahr dafür ausgegeben. Diesen internationalen Spitzenwert hat eine von der AK in Auftrag gegebene Studie errechnet. Diese Top-Position wird allerdings durch die überdurchschnittlichen Bildungsausgaben der privaten Haushalte getragen. Bei (Weiter-)Bildung, die in der Arbeitszeit stattfindet bzw. von den Unternehmen zumindest teilweise finanziert wird, liegt die Republik demgegenüber nur im Mittelfeld. Wirklich problematisch erscheinen allerdings der derzeitige Gesamttrend und vor allem die Unterschiede zwischen Beschäftigtengruppen. Insgesamt werden aktuell nämlich nur 31 Prozent der ArbeitnehmerInnen über betriebliche Maßnahmen weitergebildet – Tendenz rückläufig.

Jung, männlich und Führungskraft

Wie Michael Tölle von der AK Wien ausführt, weist die innere Verteilung dieser betrieblichen Weiterbildung eine extreme Schieflage auf: Nur 13 Prozent der ungelernten ArbeiterInnen, aber 42 Prozent der leitenden Angestellten nehmen an ihr teil. Bemerkenswert erscheint zudem, dass sich laut Statistik Austria Frauen (35,1 Prozent) in höherem Ausmaß als Männer (25,1 Prozent) ausschließlich außerhalb der Arbeitszeit weiterbilden müssen. Markant sind ebenso die Differenzen zwischen unterschiedlichen Altersgruppen und Betriebsgrößen. ArbeitnehmerInnen in Großbetrieben sowie jüngere Beschäftigte nehmen stärker an Weiterbildungsangeboten teil als andere Beschäftigte. Besonders deutlich – und in der Folge aufschlussreich – sind zudem die Unterschiede zwischen den Branchen.

Ein Euro für Bildung bringt 13 Euro

64 Prozent Weiterbildungsbeteiligung im Kredit- und Versicherungswesen stehen nämlich nur 14 Prozent der Beschäftigten im Gastgewerbe und 12 Prozent am Bau gegenüber, die sich an entsprechenden Maßnahmen beteiligen. Während die Banken 1,3 Prozent ihrer Personalkostensumme in betriebliche Weiterbildung investieren, sind es im Gastgewerbe gerade einmal 0,3 Prozent. Viele Bildungsexpertinnen und -experten sowie vor allem BildungsanbieterInnen versuchen dieses Systemversagen mit der (eigenen) Marktlogik zu schlagen: Immerhin bringt schließlich jeder in Weiterbildung investierte Euro dem Unternehmen 13 Euro – also eine extrem hohe Bildungsrendite. Warum aber werden dann diese Argumente offensichtlich nicht gehört?

Im Bankbereich haben mehr als 50 Prozent der Beschäftigten eine Reifeprüfung oder ein Studium abgeschlossen. Branchen wie diese – also jene, in welchen MitarbeiterInnen in der Regel bereits über eine hohe Formalqualifikation verfügen – gelten gleichzeitig nicht nur als besonders weiterbildungsfreudig. Aktuelle Studien zeigen: Bildung wird hier zudem stark als Belohnung für gute Leistung gedacht bzw. unter dem Vorzeichen der Persönlichkeitsentwicklung forciert. Umgekehrt stehen die unmittelbaren betrieblichen Erfordernisse und die Verpflichtung der Beschäftigten zur Weiterbildung nicht unbedingt im Vordergrund. Eine positive „Kultur“ der Weiterbildung ist somit vorhanden. In Branchen wie dem Bau- oder Gastgewerbe hat demgegenüber mehr als die Hälfte der Beschäftigten maximal einen Lehrabschluss. Gleichzeitig existiert hier die geringste Weiterbildungsquote. Der Nutzen von Weiterbildung wird in der Belegschaft viel weniger anerkannt als in den vorher genannten Bereichen. Konservative Ansätze erklären solche Einstellungen ganz einfach mit der starken Präsenz von „weniger begabten“ oder „bildungsfernen“ Schichten, die sich eben in gewissen Branchen konzentrieren würden. Aktuelle Studien geben demgegenüber deutliche Hinweise darauf, dass gerade auch die Führungsebenen in „manuellen“ Berufsfeldern dem Nutzen betrieblicher Weiterbildung besonders skeptisch gegenüber stehen. Ein Blick in die einschlägigen Kollektivverträge, Abschnitt Bildung (so überhaupt vorhanden), bestätigt dieses Bild oft drastisch. Das ist fatal, weil umgekehrt gerade die ArbeitnehmerInnen in diesen Bereichen auch besonders stark der Meinung sind, dass Weiterbildung eigentlich Sache des Betriebes ist.

Abschlüsse nicht anerkannt

Einen Sonderfall stellen zudem bereits qualifizierte Personen mit Migrationshintergrund dar. 16,1 Prozent der Migrantinnen und Migranten mit Matura sind beispielsweise als ArbeiterInnen in Hilfs- bzw. mittleren Tätigkeiten tätig (Vergleichswert Nichtmigrantinnen und -migranten: 1,1 Prozent). Oft handelt es sich um Personen mit „mitgebrachten“ Abschlüssen, die aber in Österreich nicht anerkannt werden. Auch hier gilt: Dort, wo Unterstützung über die betriebliche Ebene aufgrund der geringeren Dichte formaler Qualifikation besonders gefragt wäre, wird diese Verantwortung von der Führungsebene kaum wahrgenommen.

Grundsatz: Soziale Inklusion

Das Thema Bildung kann auch in den Betrieben somit nicht den Managerinnen und Managern überlassen werden. Der 18. ÖGB-Bundeskongress hat in seinem Leitantrag in dieser Hinsicht einige zentrale Ansätze verankert. Er betont im Abschnitt „Weiterbildung“ die soziale Inklusion als gewerkschaftlichen Grundsatz und fordert die ausreichende Finanzierung der Erwachsenenbildung. Er kritisiert, dass die Hauptzielgruppen von betrieblicher Weiterbildung männliche und leitende Beschäftigte sind, fordert verbesserte Zugangs- und Anerkennungssysteme, von denen u. a. Migrantinnen und Migranten besonders profitieren würden. Thematisiert werden zudem zwei weitere Aspekte, welche die Debatte in den kommenden Jahren entscheidend mitprägen werden.

Erstens spricht der ÖGB mehrfach das Thema der betrieblichen Bildung im Sinne der finanziellen Verteilung bzw. Kontrolle über die entsprechenden Mittel an. Gefordert wird ein allgemeiner Rechtsanspruch auf eine Woche bezahlte betriebliche Weiterbildung sowie ein allgemeiner Bildungsfonds in den – wie es heißt – auch die ArbeitgeberInnen einzahlen sollen. Die Wirtschaftskammer hat diese Forderungen umgehend abgelehnt! Alternative Umsetzungsmodelle, um die Unternehmerseite strukturell und finanziell in die Pflicht zu nehmen, sind also gefragt.

Zweitens drehen sich aktuelle Bildungsdebatten zu Recht um den Kompetenzbegriff, also die persönliche Fähigkeit, die ständig neuen und vielfältigen Herausforderungen in unserer Gesellschaft zu meistern. Bereits aus der engen Perspektive der reinen „Beschäftigungsfähigkeit“ wäre somit die Konzentration von Weiterbildung auf den unmittelbaren betrieblichen Nutzen verfehlt.

Gerade dort, wo Bildung heute systematisch fern von ganzen Personengruppen gehalten wird, muss es vielmehr darum gehen, durch neue Maßnahmen und Methoden potentielle Ausgrenzung zu verhindern. Es geht damit nicht zuletzt um die Möglichkeit zur Teilhabe bzw. Teilnahme.

Der ÖGB definiert daher völlig zu Recht den Bereich der demokratischen Beteiligung und Politisierung als ganz zentrales Arbeitsfeld für Weiterbildungsmaßnahmen. Gerade an diesem Punkt ist aber mit besonderen Herausforderungen wie auch Widerständen zu rechnen. Das betrifft natürlich die Angebotsstruktur und die Gestaltung der Inhalte sowie die Erreichung bestimmter Zielgruppen. Betriebsrätinnen und -räte fungieren hier bereits vielfach als „BildungsbotschafterInnen“ und unterstützen ihre Kolleginnen und Kollegen durch ihr Know-how.

Es braucht allerdings noch aus einem ganz anderen Grund starke Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnenvertretungen vor Ort. Nur sie können dafür sorgen, dass die genannten Zielsetzungen nicht nur im Sinne eines Rechtsanspruchs erstritten, sondern in der Praxis auch – gerade von bisher bildungsbenachteiligten Kolleginnen und Kollegen – in Anspruch genommen werden können.

Aktuelles zum Weiterlesen – Betriebliche Weiterbildung 2010, Statistik Austria (2013): tinyurl.com/pzqo8al

Homepage der Erwachsenenbildung – Magazin 17/2012 (Aspekte betrieblicher Weiterbildung): tinyurl.com/ncpvjd9

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor johnevers@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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