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Bilanz der schwarzblauen Sozialpolitik | Unsozial und dilettantisch

HINTERGRUND

Ob Arbeitsrecht, Pensionen oder Gesundheitspolitik: Die Maßnahmen der scheidenden Regierung haben in Österreichs Sozialpolitik tiefe Spuren hinterlassen. Vom gezielten Sozialabbau, unter dem Etikett »Erhöhung der Treffsicherheit« angepriesen, wurden die unteren Einkommensschichten am härtesten betroffen. Eine Politik, die bisweilen bizarr anmutete, jedoch durchaus Methode hatte. Ein Streifzug durch das traurige Kapitel schwarzblauer Sozialpolitik.

Die österreichische Sozialpolitik hatte bis zur politischen Wende im Februar 2000 einen ausgezeichneten Ruf. Mit Recht: Über Jahrzehnte hatte Österreich wesentlich weniger Arbeitslose als vergleichbare Länder. Die niedrige Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit hielt jedem internationalen Vergleich stand. Ein dichtes Netz an Sozialleistungen war - parallel zur Stärkung der Wirtschaftskraft - mit hohem Einsatz aufgebaut worden. Österreich galt als Land mit einer funktionierenden Sozialpartnerschaft und sozialem Frieden.

Folgen schwarzblauer Sozialpolitik für gekündigte Arbeitnehmer

Wer seine Arbeit verliert, wird nunmehr dreifach zur Kasse gebeten.

Einkommensverluste von 1000 Euro und mehr sind keine Seltenheit. Auf der anderen Seite der Medaille steht, dass für Arbeitgeber die Kündigung deutlich billiger gemacht wurde:

  • Durch geringere Urlaubsabgeltung.
  • Durch höhere Besteuerung der Beendigungsansprüche wie offene Urlaubsgelder, Kündigungsentschädigung oder Leistungen aus dem Insolvenzfonds.
  • Durch die Kürzung beim Arbeitslosengeld, etwa durch die Streichung der Familienzuschläge.

All das war kein Zufall, sondern Ergebnis jahrzehntelanger Aufbauarbeit, die inhaltlich ganz wesentlich von ÖGB und Arbeiterkammer mitgetragen wurde. Unstrittig ist aber auch, dass Ende der 90er Jahre so manches Reformvorhaben ins Stocken geraten ist. Erinnert sei an die parlamentarische Blockade bei der Bekämpfung organisierter Schwarzarbeit.

Das schwarzblaue Regierungsprogramm

Von Anfang an war klar, dass der Regierungswechsel zur massiven Umorientierung der Sozialpolitik führen würde. Die neue Regierung erklärte Nulldefizit, Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber und Kinderbetreuungsgeld »für alle« zu den obersten Zielen. Parallel dazu wurde ein umfassendes Sozialabbauprogramm in Angriff genommen.

Grundsätzlich positive Vorhaben wie die überfällige Umsetzung der »Aktion Fairness« oder die Reform der Abfertigung wurden mit weitreichenden Arbeitgeberforderungen verknüpft und inhaltlich verwässert.

ÖGB und AK reagierten mit heftigem Protest auf das Regierungsprogramm. In einer AK-Analyse wurden für Unternehmer und Selbständige Begünstigungen von gut 1,45 Milliarden Euro und für Arbeitnehmer Belastungen in Höhe von rund 0,94 Milliarden Euro errechnet! Nicht dabei: Die Kürzungen bei den Pensionen.

Ein Kernelement des schwarz-blauen Regierungsprogramms war die Schwächung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer. Unter dem Titel »Reform der Sozialpartnerschaft« wurde die Verlagerung der Mitbestimmung von der überbetrieblichen auf die betriebliche Ebene angepeilt. Ziel war es offenbar,
die branchenbezogene Kollektivvertragspolitik der Gewerkschaften zu unterlaufen. In ähnliche Richtung ging die Absicht, die AK-Umlage um 40 Prozent zu senken.

Nicht alles Angekündigte wurde umgesetzt. Manches wurde wegen des breiten Widerstandes wieder zurückgenommen, manches aber noch härter durchgezogen als ursprünglich vorgesehen.

Umsetzung der schwarzblauen Sozialpolitik

Die Kompetenzumverteilung der Ministerien bestätigte den neuen Trend. Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz und Arbeitslosenversicherung wurden in das Wirtschaftsressort verlagert. Die Arbeitnehmerinteressen wurden jenen der Wirtschaft untergeordnet.

Auf eine eigene Frauenministerin verzichtete man. Als Beitrag zur Geschlechterpolitik der schwarzblauen Regierung wird wohl nur die Einrichtung einer »Männerabteilung« im Sozialministerium in Erinnerung bleiben.

»Aktion Unfairness«

Die ersten inhaltlichen Änderungen brachte das im Mai 2000 beschlossene Arbeitsrechtspaket. Die ÖGB-Forderung nach Beseitigung der rechtlichen Schlechterstellungen der Arbeiter (»Aktion Fairness«) wurde zu einer Umverteilungsaktion zugunsten der Arbeitgeber umfunktioniert.

Die Rechtsangleichung Arbeiter-Angestellte wurde auf die Verlängerung der Lohnfortzahlungsfristen beschränkt. Andere rechtliche Schlechterstellungen der Arbeiter (etwa bei den Kündigungsfristen) blieben unangetastet. Parallel dazu wurde die Streichung der Postensuchtage bei Selbstkündigung und die so genannte »generelle Urlaubsaliquotierung« beschlossen. Ein milliardenschwerer Coup, der für die Arbeitgeber Kündigungen erheblich verbilligt und die Betroffenen einiges kostet.

In Summa führte das von der schwarzblauen Regierung als »Umsetzung der Aktion Fairness« verkaufte Maßnahmenpaket zu einem Minus von rund 220 Millionen Euro für die Arbeitnehmer und zu einem entsprechenden Plus bei den Arbeitgebern.

Dramatische Folgen für viele gesundheitlich beeinträchtigte Arbeiter hat die Abschaffung des Entgeltfortzahlungsfonds, die ohne Vorwarnung an das Arbeitsrechtspaket angehängt wurde.

Bezeichnend: Diese weitreichende Maßnahme wurde ohne Stellungnahmeverfahren in den Parlamentsausschuss eingebracht und im Handumdrehen im Plenum beschlossen. Chronisch Kranke haben es nun schwerer, den Arbeitsplatz zu halten bzw. einen neuen zu finden, da den Arbeitgebern keine Kosten bei Lohnfortzahlung an Kranke rückerstattet werden. Inzwischen wird die ersatzlose Abschaffung des Fonds auch von vielen Wirtschaftstreibenden kritisiert.

Als - mehr als bescheidenes - Gegenwicht zu den angesprochenen Maßnahmen kann bestenfalls die Einführung der Familienhospizkarenz im Jahr 2002 gesehen werden. In der Praxis wird diese an sich sinnvolle Regelung meist nur für Menschen mit einem gut verdienenden Partner in Frage kommen. Für viele andere wird das Fehlen eines Entgeltersatzes die Inanspruchnahme unmöglich machen.

Pensionen: Untergrabenes Vertrauen

Das zweite sozialpolitische Maßnahmenpaket war die im Juli 2000 beschlossene »Pensionsreform 2000«. Mit sofortiger Wirkung sollte der Pensionsaufwand um Milliarden gekürzt werden. Zentrale Maßnahme war die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters. Seit Oktober 2002 gilt die volle Anhebung um 18 Monate. Parallel zur Altersanhebung wurden die Pensionsabschläge von zwei auf drei Prozent pro Jahr erhöht.

Zu gravierenden Härten führt auch die - ursprünglich sogar rückwirkend (!) beschlossene - sofortige Beseitigung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Betroffen von dieser Maßnahme sind vor allem Hilfsarbeiter ab 57, die Gesundheitsprobleme, aber keinen Berufsschutz haben. Für etliche von ihnen bedeutet die »Pensionsreform 2000« ein Hinaufsetzen des Pensionszugangs um viereinhalb Jahre - und das ohne Sicherstellung, dass sie auch länger als bisher im Erwerbsleben bleiben können!

Die Opfer der Reform

Die »Pensionsreform 2000« bedeutet eine Leistungskürzung von mehr als 1,3 Milliarden Euro bei jenen, die nach altem Recht kurz vor der Pension standen. Ein massiver Vertrauensbruch gegenüber Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet und Beiträge bezahlt haben.1) Ohne Wimperzucken wurde in Kauf genommen, dass Tausende ältere Arbeitnehmer in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt werden und Jugendlichen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wird. Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den letzten beiden Jahren bestätigt diese traurige Realität.

Bei den Witwenpensionen ist vor allem neu, dass sie unter Umständen auf null reduziert werden. Nach altem Recht gebührte den Hinterbliebenen zumindest 40 Prozent der Pension des verstorbenen Partners.

Höchst unsozial ist auch die Kürzung der bereits niedrigen Invaliditätspensionen. Immerhin wurden hier aber längere Übergangsfristen festgesetzt.

Völlig unzureichend fielen die arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen »zur Abfederung sozialer Härten« der »Pensionsreform 2000« aus. Größere praktische Bedeutung haben nur zwei Maßnahmen: die Schutzbestimmung für Langzeitversicherte und die Neufassung der Altersteilzeit.

Die (befristete) Ausnahme von Langzeitversicherten von der Pensionsaltersanhebung greift aber zu kurz. Nicht erfasst werden zum Beispiel all jene, deren Berufsleben irgendwann von Arbeitslosigkeit unterbrochen war.

Die von der Arbeitslosenversicherung mit hohem Mitteleinsatz geförderte Altersteilzeit wird massiv, nämlich von 18.000 Arbeitnehmern, in Anspruch genommen. Dramatisch unterschätzt haben die schwarzblauen Sozialpolitiker allerdings die Kosten ihres Modells. Die Folge war, dass Minister Martin Bartenstein das von ihm geschaffene Gesetz gleich wieder zurücknehmen wollte.

Die »Pensionsreform 2000« brachte massive Einschnitte in die Lebensplanung vieler Menschen. Strukturreformen fehlen jedoch. Maßnahmen wie die kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten oder der Ausbau der eigenständigen Alterssicherung für Frauen sucht man vergebens.

Bezeichnend auch die »Last-Minute«-Aktion der schwarzblauen Regierung einen Tag vor dem Auflösungsbeschluss vom 20. 9. 2002. Zur Förderung der privaten Altersvorsorge wurde über Nacht ein »Zukunftsvorsorgemodell« aus dem Hut gezaubert, das in dieser Form weltweit wohl einzigartig ist. Eine (erhebliche) staatliche Förderung soll es dem neuen Gesetz zufolge für Einzahler in Altersvorsorgeeinrichtungen geben, die zumindest (!) 60 Prozent in Aktien veranlagen.

Treffsicherer Sozialabbau

Wie schon bei den vorigen Maßnahmenpaketen wurde auch bei der »Erhöhung der Treffsicherheit« das Regierungsabkommen ohne Federlesen verschärft. Die ursprünglich vorgesehene Kürzung um rund 218 Millionen Euro wurde bei der dritten großen Sozialabbauaktion im Handumdrehen mehr als verdoppelt.

Neuregelung der Witwenrente durch die »Pensionsreform 2000«
Fall 1
Ehepaar - ein Ehepartner bezieht eine Pension von 1600 Euro, der zweite eine Pension von 800 Euro - der Ehepartner mit 800 Euro Pension verstirbt
Fall 2
Ehepaar - beide beziehen jeweils eine Pension von 2000 Euro - einer der beiden verstirbt
Anspruch des überlebenden Ehepartners:
Eigenpension 1600 Euro
Hinterbliebenenpension: 0% = -
Gesamt 1600 Euro
Anspruch des überlebenden Ehepartners:
Eigenpension 2000 Euro
Hinterbliebenenpension: 40% = 800 Euro
Gesamt 2800 Euro
Die Fallbeispiele zeigen, wie es um die von der Regierung behauptete »Erhöhung der Bedarfsgerechtigkeit« steht. Welcher Prozentwert als Hinterbliebenenpension zusteht, richtet sich nicht nach der Pensionshöhe, sondern nach dem Verhältnis der beiden Pensionen zueinander. Liegt die Pension des verstorbenen Partners um einiges niedriger als die Pension des Witwers bzw. der Witwe, so gibt es in vielen Fällen überhaupt keine Witwenpension mehr. Ist das Verhältnis zwischen den beiden Pensionen ein anderes, so kann die Witwenpension bis zu 60 Prozent betragen. Positiv an der Neuregelung ist, dass die Schutzgrenze, bis zu der 60 Prozent Witwerpension zustehen, auf rund 1500 Euro erhöht wurde.

»Treffsicher« wurden vor allem sozial Schwache getroffen. Besonders empörend war die brutale Kürzung der Unfallrenten, die plötzlich der vollen Steuerpflicht unterliegen sollten. Dies hätte eine Kürzung der Rentenansprüche um rund ein Drittel bedeutet. Nach massiven Protesten wurde die Besteuerung kurz nach InKraft-Treten für einen Teil der Unfallrentner wieder zurückgenommen. Regierungsvertreter erklärten allen Ernstes, sie hätten bei der Beschlussfassung im Parlament nicht gewusst, dass viele Unfallrentner ein sehr niedriges Einkommen haben!

Die abgeschwächte Fassung der Unfallrentenbesteuerung sieht nunmehr vor, dass bei einem Jahreseinkommen bis zu 16.700 Euro eine Rückerstattung der Steuer erfolgt. Wie halbherzig und taktisch motiviert dieser »Rückzieher« war, zeigt der Ausschluss neu zuerkannter Unfallrenten von der Rückerstattungsregelung. Alle, die nach dem 1. 7. 2001 einen Arbeitsunfall erleiden, trifft die Besteuerung voll, auch wenn ihr Einkommen unter der genannten Grenze liegt.

Ohne jede Übergangsfrist wurde die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung für kinderlose Ehepartner und Lebensgefährten abgeschafft. Betroffen sind fast ausschließlich Frauen, davon nicht wenige in hohem Alter. Für so manche 85-Jährige muss seit In-Kraft-Treten des »Treffsicherheitspakets« mit 1. 1. 2001 der Gatte fast eine halbe Monatsrente hinblättern, damit seine Frau weiter krankenversichert ist.

Karenzgeld - Kinderbetreuungsgeld im Vergleich
Leistungen Monatsanspruch
Altes Recht - Ein Kind Karenzgeld 415 Euro
Altes Recht - Zwei Kinder Karenzgeld und ein Familienzuschlag 460 Euro
Altes Recht - Drei Kinder Karenzgeld und zwei Familienzuschläge 505 Euro
Neues Recht - Ein Kind Kinderbetreuungsgeld 436 Euro
Neues Recht - Zwei Kinder Kinderbetreuungsgeld 436 Euro
Neues Recht - Drei Kinder Kinderbetreuungsgeld 436 Euro
Viele Mütter und Väter erhalten nach dem Wechsel vom Karenzgeld zum Kinderbetreuungsgeld weniger Geld. Betroffen sind alle jene, die mehr als ein Kind haben und zum alten Karenzgeld einen oder mehrere Familienzuschläge bekommen hatten. Bis zur Kürzung im Rahmen des »Treffsicherheitspakets« betrugen diese Zuschläge zirka 45 Euro pro Monat. Der Nachteil durch die niedrigeren Monatszahlungen kann bestenfalls durch die längere Bezugsdauer beim Kinderbetreuungsgeld wettgemacht werden.

Als besonders »treffsicher« für sozial Schwache erwies sich die Kürzung der Familienzuschläge zu Karenzgeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Die für unterhaltsberechtigte Angehörige gezahlten Zuschläge wurden mit dem »Treffsicherheitspaket« von 49 auf 29 Euro im Monat herabgesetzt. Für Arbeitslose mit Kindern führt allein diese Maßnahme nicht selten zu Leistungskürzungen um zehn Prozent oder mehr.

Die Kürzungen bei den Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollten den Weg zu einer massiven »Überschuss-Abschöpfung« des Bundes und zur Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung ebnen. Auf Letzteres musste aufgrund des dramatischen Anstiegs der Arbeitslosenzahlen verzichtet werden.

Teures Kindergeld

Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes wird von den beiden Regierungsparteien als sozialpolitische Großtat dargestellt. Richtig ist, dass es sehr viel kostet. So zieht das Monatsmagazin »trend« im Oktober 2002 folgende Bilanz: »Das Kindergeld, als sozialpolitischer Meilenstein gefeiert, erweist sich als zu teuer, ungerecht und ineffizient.« Richtig ist auch, dass die neue Leistung vor allem Nichtberufstätigen und Selbständigen etwas bringt. Für unselbständig arbeitende Eltern gilt das nur in viel geringerem Ausmaß - uneingeschränkt positiv ist für sie wohl nur die Erhöhung der Zuverdienstgrenzen2). Für viele Unselbständige wird das Kinderbetreuungsgeld sogar niedriger ausfallen als die Ansprüche nach altem Karenzgeldrecht. Vor allem für Eltern mit mehr als einem Kind, da zum Kinderbetreuungsgeld kein Familienzuschlag bezahlt wird.

Unselbständig erwerbstätige Eltern mit drei Kindern sind mit dem Kinderbetreuungsgeld um etwa 70 Euro pro Monat schlechter gestellt als vorher. Bei zwei Kindern macht die Schlechterstellung etwa 25 Euro pro Monat aus. Wettgemacht können diese Einbußen bestenfalls durch längere Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes werden.

Besonders befremdend ist aber, dass es bei einem derart hohen Mehraufwand für die Eltern weder Verbesserungen bei der Einkommensersatzrate, beim Angebot an Kinderbetreuungsplätzen noch den Wiedereinstiegshilfen gibt!

Sozialpartner setzen Abfertigung durch

Die Reform der Abfertigung wurde seit langem vom ÖGB gefordert, insbesondere der Schutz erworbener Anwartschaften auch bei Selbstkündigung und die Einbindung von Arbeitsverhältnissen unter drei Jahren.

Das schwarzblaue Abfertigungsmodell war allerdings so konzipiert, dass Hunderttausende Arbeitnehmer leer ausgegangen wären. So sollte die Beitragszahlung des Arbeitgebers in jedem Arbeitsverhältnis erst im 13. Beschäftigungsmonat einsetzen. Nach 25 Einzahlungsjahren, spätestens aber mit Erreichung des 45. Lebensjahres, sollte die Beitragszahlung gestoppt werden.

Wegen regierungsinterner Uneinigkeit über die Umsetzung wurde der Ball im Sommer 2001 den Sozialpartnern weitergereicht. Im Oktober 2001 wurden schließlich die »14 Eckpunkte der Sozialpartnereinigung« präsentiert, die den Weg für eine zukunftsweisende Neuregelung öffneten. Erfreulich ist, dass es gelang, die Wirtschaft zu einer Beitragszahlung für alle Arbeitnehmer und damit zu einer Abkehr vom Regierungsabkommen zu bewegen (nur der erste Monat ist beitragsfrei).

Einig waren sich die Sozialpartner auch darüber, dass die Abfertigung grundsätzlich Abfertigung bleibt. Die Regierung hatte versucht, sie in eine Betriebspension umzuwandeln - was auf eine Abschaffung hinausgelaufen wäre.

Bedauerlich ist, dass die ÖGB-AK-Vorschläge für ein faires Rahmenrecht für die Übertragungen von alten Abfertigungsanwartschaften an eine Kasse nicht aufgegriffen wurden. Es ist zu hoffen, dass dieses Manko zu Beginn der nächsten Legislaturperiode bereinigt werden kann.

»Reform« des Hauptverbands

Das Tauziehen um die Neuordnung der Führung des Hauptverbandes endete letztlich mit willkürlichen Gesetzesänderungen, mit denen eine schwarzblaue Mehrheit in der zentralen Einrichtung der österreichischen Sozialversicherung hergestellt wurde!

Bezeichnend ist etwa die Regelung, dass führende Gewerkschafter kein Mandat in den Leitungsgremien des Hauptverbandes bekleiden dürfen - was allen Grundprinzipien der Selbstverwaltung widerspricht.

Wahrscheinlich wird das schwarz-blaue Hauptverbandsrecht bald wieder der Vergangenheit angehören. Zu erwarten ist, dass der Verfassungsgerichtshof Kernelemente der schwarz-blauen »Reform« als sachlich nicht begründbar aufheben wird.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit 2000-2002
Altersgruppe September 2000 September 2000-
September 2001
September 2000-
September 2002
15-19 4.066 +11,7% +18,1%
20-25 20.513 +22,6% +46,5%
50-55 19.077 +3,5% +9,3%
55-60 14.685 +3,3% +24,0%
Über 60 1.592 +102,8% +151,6%
Gesamt 153.646 +13,8% +30,0%
Die Übersicht zeigt den dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Jahren. Bei den 20- bis 25-Jährigen beträgt er 46 Prozent, bei den über 60-Jährigen sogar mehr als 150 Prozent. Insgesamt ist die Zahl der Arbeitslosen um 30 Prozent angewachsen.

Gesundheitspolitik belastet Kranke

Gleich zu Beginn der Legislaturperiode wurde eine kräftige Erhöhung der Rezeptgebühr und die Einführung von Ambulanzgebühren beschlossen.

Vor allem die Ambulanzgebühren waren umstritten und erwiesen sich als völliger Flop. Endgültig bestätigt wurde die heftige Kritik der Gewerkschaften in den letzten Wochen. In letzter Minute vor dem Auflösungsbeschluss änderte die schwarzblaue Parlamentsmehrheit die Ambulanzgebühren-Regelung abermals, um die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu verhindern.

Inzwischen müssen selbst Regierungsvertreter einräumen, dass der Verwaltungsaufwand höher liegen könnte als die Einnahmen.

Das Ergebnis von zweieinhalb Jahren schwarzblauer Gesundheitspolitik ist, dass Gebühren erhöht und Leistungen gekürzt worden sind. Zukunftsweisende Strukturreformen aber fehlen. Zur Behebung der Finanzprobleme der Krankenkassen geschah letztlich nichts anderes, als die mit der 60. ASVG-Novelle beschlossene Ausräumung der noch verbliebenen Rücklagen bei manchen Kassen. Wie die defizitären Kassen die Kredite zurückzahlen sollen, bleibt unbeantwortet.

Die Regierung hat die Finanzprobleme der Krankenkassen sogar (gezielt?) verschärft. Zwei Beispiele: Begleitend zum »Arbeitsrechtspaket« war eine Senkung der Krankenkassenbeiträge der Arbeitgeber im Arbeiterbereich um 0,3 Prozentpunkte beschlossen worden. Begleitend zum Kinderbetreuungsgeld wurden die Krankenkassenbeiträge für Kindergeldbezieher und Arbeitslose drastisch gesenkt. Minister Herbert Haupt selbst bezifferte den zu erwartenden Einnahmenentfall der Krankenkassen allein aus dieser Maßnahme mit rund 726 Millionen Euro pro Jahr.

Zur Abrundung des Bildes ein brandneuer Vorschlag, den Gesundheits-Staatssekretär Reinhart Waneck am 1. Oktober 2002 präsentierte: Menschen in Ballungszentren sollen höhere Krankenversicherungsbeiträge bezahlen.

Das Resümee der schwarzblauen Sozialpolitik: Sie ist nicht nur unsozial, sondern auch dilettantisch! Zu hoffen ist, dass es gelingt, das Ruder wieder herumzureißen und Österreich in der nächsten Legislaturperiode wieder auf die Überholspur zurückzubringen.

1) Die Prüfung der kurzfristigen Altersanhebung durch den Verfassungsgerichtshof ist noch ausständig.

2) Allerdings führen unglückliche Begleitregelungen auch hier zu so mancher Tücke.

Worum geht’s?

In einer detaillierten Beschreibung nimmt Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien, die sozialpolitischen Maßnahmen der vergangenen zweieinhalb Jahre unter die Lupe und zieht Bilanz:

Es begann mit der Verlagerung der Kompetenzen in Arbeitnehmerfragen ins Wirtschaftsressort und mit dem Verzicht auf eigenständige Frauenpolitik. Inhaltlich zeigte das Arbeitsrechtspaket, im Mai 2000 geschnürt, wohin der Hase laufen sollte: Umverteilung zugunsten der Arbeitgeber. Auch die Analyse der »Pensionsreform 2000« und des Pakets zur »Erhöhung der Treffsicherheit« bringt für den AK-Sozialexperten nichts Positives zu Tage. Leistungskürzungen für finanzschwache Bevölkerungsgruppen, kombiniert mit der Untergrabung des Vertrauensschutzes lautet das Resümee der Wendepolitik.

Die zahlreichen Rückzieher von vielen Maßnahmen kurz nach In-Kraft-Treten und so mancher schildbürgerartige Vorschlag von Regierungsvertretern muten fast amüsant an. Zu bezahlen haben diese Politik aber jene, die ohnehin nicht viel zum Lachen haben.

G. M.

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