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Symbolbild für Kleinbäuerliche Anwesen Zum Vergrößern bitte auf die Grafiken klicken!
Infografik: Verteilung der EU-Agrarförderungen 2016 Verteilung der EU-Agrarförderungen 2016
Infografik: Wer profitiert von den GAP-Hilfen? Wer profitiert von den GAP-Hilfen?

Im Namen der KleinbäuerInnen

Schwerpunkt Landwirtschaft

Oder: Wie Agrarförderungen meist begründet und wie sie tatsächlich verteilt werden.

Dass die höchsten Agrarsubventionen an die Großen gehen, ist bekannt. Agrarbetriebe und Arbeitsplätze werden weniger und neue Umweltprobleme, Stichwort Glyphosat, sind virulent. Trotzdem werden „KleinbäuerInnen“ oder „BergbäuerInnen“ gerne herbeigezogen, um die Notwendigkeit hoher Agrarbudgets zu begründen. Bilder von in traditioneller Handarbeit bewirtschafteten Almlandschaften unterstützen diese Botschaft.

Ungerechte Verteilung
Zusätzlich wird ein Szenario gezeichnet, wonach eine Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln nicht ohne ein hohes Agrarbudget und eine geförderte Landwirtschaft sichergestellt wäre. Wer aber bekommt unser Steuergeld wirklich?
Die ungerechte Verteilung der Agrarsubventionen ist seit Jahrzehnten ein großes Thema. Trotz vieler Reformvorhaben hat sich daran nur wenig geändert. Im Juni 2017 gab die Europäische Kommission ein Reflexionspapier über die Zukunft der EU-Finanzen heraus – die neue Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik beginnt ab dem Jahr 2021. Darin ist nachzulesen, dass das ungleiche Verhältnis zwischen den FörderempfängerInnen in der Europäischen Union unverändert bei 80:20 liegt, sprich 80 Prozent der Agrarsubventionen gehen an nur 20 Prozent der Betriebe – und zwar an die Großen. Die Kommission erklärt dies in ihrem Papier damit, dass Direktzahlungen häufig immer noch „auf alten Ansprüchen beruhen“ und sich „auf Großbetriebe und Landbesitzer in reicheren Mitgliedstaaten“ konzentrieren. Die EU-Kommission ergänzt diese Feststellung um den Hinweis, dass es enorme Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt: „So bewirtschaften zum Beispiel 92 Prozent der Landwirte in Rumänien und 97 Prozent in Malta kleine Betriebe, in Deutschland sind es weniger als 9 Prozent.“

20 Prozent an 2,8 Prozent
In Österreich ist das Verhältnis nicht ganz so krass wie im EU-Querschnitt, da es noch eine größere Anzahl von kleinen und mittleren Betrieben gibt. Eine Aufschlüsselung über den Anteil an Agrarförderungen, der jeweils an die erwähnten 20 bzw. 80 Prozent der FörderwerberInnen geht, existiert nicht. Dennoch kann man sich ein Bild machen, und dieses bestätigt auch für Österreich ein Ungleichgewicht. Von den insgesamt 1,587 Milliarden an EU-Subventionen inklusive nationaler Kofinanzierungsmittel flossen ganze 20 Prozent an gerade einmal 2,8 Prozent der FörderempfängerInnen.
Eine weitere Zahl bestätigt dieses Ungleichgewicht: Auf 87 Prozent der FörderwerberInnen wurde etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) dieser öffentlichen Gelder verteilt. Eine andere Quelle, die Auskunft über die Höhe der Agrarförderungen gibt, ist die Transparenzdatenbank. Darin kann man Einsicht nehmen, welche Betriebe entsprechende Summen abholen. Das Bemerkenswerte: Im obersten Spitzenfeld liegen Unternehmen, die zwar im Agrarsektor tätig sind oder mit diesem im Zusammenhang stehen, aber ohne selber eine Landwirtschaft zu betreiben.
Doch auch landwirtschaftliche Großbetriebe erhalten in Österreich mehrere Hunderttausend bis sogar mehr als eine Million Euro an Agrarförderungen – und das obwohl eigentlich eine Obergrenze von 150.000 Euro pro Betrieb sicherstellen sollte, dass sich die Zuwendungen an öffentlichen Geldern für Einzelbetriebe in Grenzen halten. Im Detail betrachtet ist diese Begrenzung jedoch zahnlos, denn sofern ein Betrieb an die 150.000-Euro-Grenze stößt, werden alle Arbeitskosten berücksichtigt und in die tatsächliche Förderhöhe einberechnet. Der Förderbetrag wird dann entsprechend erhöht, was bedeutet: Die SteuerzahlerInnen zahlen die Lohnkosten für diese Großbetriebe indirekt aus dem Budget. Dazu kommt, dass diese Grenze nur für die „Basisprämie“ gilt und andere Agrarförderungen davon nicht betroffen sind. So wird verständlich, dass Einzelbetriebe weiterhin Millionenbeträge erhalten können. Eine echte Begrenzung und Kürzung würde EU-weit alle Großen treffen, was bisher politisch nicht durchsetzbar war.

Je mehr Fläche, desto mehr Geld
Der Großteil der Agrarförderungen wird noch immer nach Größe der bewirtschafteten Flächen verteilt. Daher gilt generell: Je mehr Fläche, desto größer der Subventionsbetrag. Solange diese Regel gilt, wird sich an der schiefen Verteilung dieser öffentlichen Gelder wenig verbessern. Im Gegenteil, da Agrarbetriebe „wachsen“, werden hohe Förderungen an Einzelbetriebe zunehmen. Noch eine weitere Zahl: Die Zahlungen an die oberste Gruppe der Unternehmen aus den EU- und national finanzierten Fördermaßnahmen (1. und 2. Säule) betragen im Durchschnitt jeweils fast 100.000 Euro. Die untere Gruppe hingegen, zu der immerhin fast ein Drittel der Förderwerber (31,9 Prozent) gehört, erhält im Durchschnitt lediglich 2.317 Euro.
Eine gute Datenquelle, um die Situation der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe zu analysieren, sind die Einkommensdaten aus dem jährlich publizierten Bericht über die Situation der Österreichischen Landwirtschaft, auch als Grüner Bericht bekannt. Darin ist die Gruppe der „kleineren Betriebe“ neben den mittleren und größeren Betrieben dargestellt. Die „ganz Kleinen“ fehlen im Übrigen, denn die Gruppe der „kleineren Betriebe“ beginnt bei einem Standardoutput von 15.000 Euro.
Der Vergleich zeigt deutlich: Im Jahr 2016 erhielten diese „Kleineren“ deutlich geringere Agrarförderungen als die anderen beiden Gruppen. Im Vergleich mit den größeren Betrieben beträgt die Differenz bei den Agrarförderungen 53 Prozent. Die Kleinen erzielen auch ungleich niedrigere Einkünfte aus der Landwirtschaft als die zwei anderen Gruppen. Erstaunlich ist jedoch, dass ihr gesamtes Erwerbseinkommen inklusive unselbstständiger Tätigkeiten mit großem Abstand unter dem der „Größeren“ liegt. Denn die größeren Betriebe haben aufgrund ihrer bedeutenden Einkünfte aus der Landwirtschaft in Summe ein doppelt so hohes Erwerbseinkommen wie die „Kleineren“. Ein Vergleich mit den ganz Großen ist aufgrund fehlender Daten nicht möglich.
Finanziert werden diese Agrarförderungen – ob für klein oder groß – zu einem beträchtlichen Teil aus dem EU-Haushalt. Für die Finanzperiode 2014 bis 2020 wurden dafür 420 Milliarden Euro veranschlagt, das sind immerhin 39 Prozent der Gesamtausgaben der EU. Im Jahr 2016 lagen die EU-Agrarausgaben bei 55 Milliarden Euro. Für Großbetriebe sind besonders die flächenbezogenen Direktzahlungen (1. Säule) maßgeblich, die mit 39,9 Milliarden Euro dotiert sind. Den Agrarmarktausgaben werden 3,2 Milliarden Euro zugeteilt. Die restlichen 11,9 Milliarden Euro gehen an das Programm für den Ländlichen Raum (LE 1420), mit dem ebenfalls flächenbezogene Maßnahmen finanziert werden können. Die Mitgliedstaaten hätten damit jedoch einen großen Gestaltungsspielraum, mehr Aktivitäten im gesamten ländlichen Raum zu fördern – sozusagen über den Tellerrand der engeren Agrarpolitik hinaus. Daher gilt hier im Besonderen: Es ist nicht immer „die EU“ schuld, wenn etwas schiefläuft.

Kein echter Reformwille
Trotz umfassender Kritik an der Verteilung und Verwendung der Agrarfördermittel, die insbesondere von Kontrollinstanzen wie dem Rechnungshof und aus der Wissenschaft kommt, entsteht kein echter Reformwille. Bewegung im Fördersystem könnte daher am ehesten eine „Anpassung“ des EU-Agrarbudgets bringen. Ein Argument für ein reduziertes Agrarbudget wäre die sinkende Zahl der Arbeitsplätze und Betriebe im Agrarsektor. Denn den hohen Agrarförderungen zum Trotz gehen die Beschäftigten in der Landwirtschaft deutlich zurück.
In Österreich ist seit dem EU-Beitritt des Landes ein Rückgang um 36 Prozent (von 209.256 auf 134.452 Arbeitskräfte in Vollzeitäquivalent gerechnet) zu verzeichnen. In manchen neuen EU-Mitgliedstaaten sind bekanntlich ganze Landstriche verwaist. Aber solange die EU-Agrarförderungen fast ausschließlich auf die Flächen aufgeteilt werden, ist nur wenigen geholfen. Denn Flächen brauchen keine Förderungen, um zu bleiben. Menschen und Arbeitsplätze manchmal schon.

Reflexionspapier der EU-Kommission:
tinyurl.com/y894k6pv
Transparenzdatenbank EU:
www.transparenzdatenbank.at
Grüner Bericht:
gruenerbericht.at/cm4

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maria.burgstaller@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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