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Symbolbild: Karotte vor der Nase

Aktien statt Tellerwaschen?

Schwerpunkt Start-ups

Es klingt verlockend: Erst ein niedrigeres Gehalt akzeptieren und dann reich werden, wenn das Start-up teuer verkauft wurde! Aber leider: Das ist nur ein Schmäh.

MitarbeiterInnen-Beteiligungen“ werden immer wieder diskutiert und es gibt sogar Einzelfälle, in denen sie erfolgreich waren. Bei der Voest etwa haben sie geholfen, eine Mehrheit österreichischer Eigentümer zu sichern, bei der AMAG konnte ein spekulativer Verkauf verhindert werden. In beiden Fällen war die Beteiligung auch für die Beschäftigten finanziell erfolgreich, ebenso beim Wiener Flughafen.
Allerdings handelte es sich nicht um Start-ups, sondern um große Unternehmen, in denen starke Betriebsräte und Gewerkschaften die Gründung der MitarbeiterInnen-Beteiligung kontrolliert und unterstützt haben. Komplexe juristische Konstruktionen waren erforderlich, um diesen Modellen zum Erfolg zu verhelfen.

Keine echte Beteiligung
Die Anteile der einzelnen ArbeitnehmerInnen wurden gebündelt, dadurch konnte tatsächlich immerhin etwas Einfluss auf die Geschäftsführung genommen werden, zumal Betriebsräte in großen Unternehmen jedenfalls im Aufsichtsrat vertreten sind. Dazu kommen die Rechte (Aufsichtsratsmandate) aus der Beteiligung selbst. Von alledem kann bei Start-ups keine Rede sein, meist wird überhaupt keine echte Beteiligung angeboten, sondern nur eine speziell berechnete Prämie, doch dazu später noch detaillierter. Leider ist selbst unter günstigen Bedingungen die Zahl der fehlgeschlagenen Beteiligungen weitaus höher als die der erfolgreichen. Am dramatischsten war der Fall MCN: Dort wurden die Angestellten überredet, sich mittels eines Kredites Anteile zu kaufen. Die Rückzahlung sollte aus den Erträgen leicht finanziert werden. Leider: Nicht allzu viel später war das Unternehmen pleite, die Anteile entsprechend nichts mehr wert – aber die Kredite mussten natürlich weiterhin zurückgezahlt werden.

Widerspricht Grundlagen
So dumm ist heute (hoffentlich) niemand mehr. Aber wie viel intelligenter ist es, sich an einem Start-up zu beteiligen, bei dem man angestellt ist? Eigentlich muss man sich nur an die Grundregeln jeglicher Veranlagung erinnern, um eine solche Lösung abzulehnen, die da lautet: „Klumpen-Risiken“ jedenfalls vermeiden! Das ist die simpelste Weisheit jedes Anlageberaters oder jeder Anlageberaterin: Niemals alles auf ein Pferd setzen, sondern das Risiko streuen.
ArbeitnehmerInnen sind durch ihren Arbeitsplatz bereits mit einem hohen Anteil – nämlich dem gesamten laufenden Einkommen – zwangsläufig an ein Unternehmen gebunden. Auch noch das Anspargeld für ein privates Vermögen auf dieses Unternehmen zu setzen widerspräche den grundlegendsten Regeln jeglicher Vorsorge.
Zu viele Beispiele von Totalverlusten wie United Airlines, Holzmann, Babcock, Enron oder MCN belegen dies, ebenso die massiven und anhaltenden Kursverluste bei der AUA oder Jowood. Auch die Infineon-Aktie hat, trotz der extrem erfolgreichen österreichischen Tochter, nie mehr annähernd jenen Wert erreicht, den sie bei Ausgabe der MitarbeiterInnenaktien hatte: Seinerzeit waren es 35 Euro, nach über einem Jahrzehnt mit Werten um die 10 Euro notiert sie nun bei rund 20 Euro – ein bitteres Lehrstück für all jene, die damals ein „Klumpen-Risiko“ eingegangen sind.
Man sollte sich nicht durch möglicherweise richtige, aber irrelevante und irreführende Daten hereinlegen lassen. So gibt es die unterschiedlichsten Schätzungen darüber, wie viele Start-ups scheitern. Allein dieser Anteil soll bis zu 90 Prozent betragen, aber darauf kommt es gar nicht an: Man hat viel zu billig gearbeitet, somit anderweitig erzielbares Einkommen verloren und muss damit alle negativen Folgen vom niedrigeren Arbeitslosengeld bis zur niedrigeren Pension tragen. Und aus den möglichen hohen Gewinnen ist nichts geworden.

Ernüchternd
Selbst wenn,s besser läuft, ist leider noch nichts gewonnen. Denn es genügt keineswegs, dass ein Start-up gerade nicht pleitegeht. Vielmehr ging es ja darum, bei einem späteren Verkauf wirklich viel Geld zu bekommen. Und da markiert eine ganz andere Zahl die Untergrenze: Wie viele Start-ups werden erfolgreich verkauft? Die Antwort ist ernüchternd: weniger als jedes hundertste! Da hat man bessere Chancen, wenn man im Spielcasino Roulette spielt und dabei auf einzelne Zahlen setzt, denn die Wahrscheinlichkeit auf das große Geld liegt dort bei eins zu 37. Ja, selbst ein erfolgreicher Verkauf bedeutet noch nicht Millionengewinne. Der Anteil der Start-ups , die derlei erreichen, ist wohl nicht höher als der (ebenso unbekannte) Anteil der „TellerwäscherInnen“, die es zum/zur MillionärIn geschafft haben.

Widersprüchliche Rollen
Zugleich ArbeitnehmerIn und Unternehmer zu sein passt nicht zusammen. Da ist Rollenklarheit wichtig: Entweder man trägt das Unternehmerrisiko und kann es dann auch entsprechend beeinflussen und entscheiden, wie es weitergeht – eben wirklich Unternehmer sein. Oder aber man arbeitet mit und unterstützt vorgegebene Konzepte oder treibt sie voran, allerdings ohne die wesentlichen Entscheidungen treffen oder auch nur namhaft beeinflussen zu können – also ArbeitnehmerIn sein.
Aber warum sollte man dann das Unternehmerrisiko (mit)übernehmen? Um noch einmal die Casino-Metapher zu bemühen: Man spielt zwar mit eigenem Geld, aber jemand anderer platziert die Einsätze. Das wird kein vernünftiger Mensch tun! Letztlich ist es aber nichts anderes, wenn man zu einem Gehalt arbeitet, das unter dem Marktniveau liegt, weil man auf eine spätere hohe Prämie hofft. Dazu kommt, dass in der Regel gar keine echten Beteiligungen angeboten werden, sondern lediglich sogenannte „Virtual Stock Options“. Dabei handelt es sich in Wahrheit bloß um eine Prämie, die nur im Verkaufsfall bezahlt wird und deren Berechnungsgrundlage der dann erzielte Erlös ist.
Der Grund für solche Konstruktionen? Nun, ein Grund ist die häufig teure und schwierige Gestaltung echter Beteiligungen. Dies könnte man noch verstehen. Allerdings steckt dahinter auch ein ausdrücklicher Wunsch, die MitarbeiterInnen zwar finanziell zu verlocken, aber ihnen keine Mitspracherechte einzuräumen. Da wird letztlich ziemlich deutlich, was die GründerInnen wirklich von ArbeitnehmerInnen halten: Gebraucht werden wir schon, und wir sollen auch möglichst billig arbeiten, aber Fragen der technischen oder wirtschaftlichen Entwicklung mit unsereins „auf Augenhöhe“ zu besprechen und zu entscheiden – das wird offenbar als Zeitverschwendung betrachtet.

Korrekter Anteil
Und gerade „Jungunternehmer“ mit so einer Geisteshaltung scheitern ganz besonders häufig: an ihrer eigenen Überheblichkeit. Natürlich: Kollektivvertragliche Mindestgehälter müssen ohnedies in allen Fällen gezahlt werden, unter dieses Niveau zu gehen ist immer rechtswidrig und rechtsunwirksam.
Das gilt auch dann, wenn die wunderschönste „Beteiligungs“-Prämie für den Fall eines erfolgreichen Verkaufes zugesagt wird. Aber in aller Regel liegen die marktüblichen Gehälter höher, gerade in jenen Branchen, in denen Start-ups häufig sind, wie in der IT oder der Medizintechnik. Von einem „geschenkten Gaul“, dem man nicht ins Maul schaut, könnte man nur sprechen, wenn zusätzlich zu einem absolut marktkonformen, überkollektivvertraglichen Gehalt und der korrekten Bezahlung aller Überstunden noch eine Virtual Stock Option käme. Das wäre ein Gratis-Los – und dagegen, aber wirklich nur dagegen, spricht natürlich nichts.

INFO
Die Mitarbeiterbeteiligung
Die MitarbeiterInnenbeteiligung erlebte in Österreich bis 2008 einen starken Boom. Viele Unternehmen boten sie ihren Beschäftigten an – wohl auch vor dem Hintergrund, Forderungen der Gewerkschaften nach höheren Lohnabschlüssen Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Vordergrund standen insbesondere Gewinnbeteiligungsmodelle, die bei guten Ergebnissen Prämien und Boni versprachen. In Österreich sind rund sechs Prozent der Beschäftigten an ihrem Arbeitgeber-Unternehmen kapitalmäßig beteiligt.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor rene.schindler@proge.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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