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Sonja Fercher Sonja Fercher, Chefin vom Dienst

Standpunkt: Missbrauchte Start-ups

Meinung

Als die ersten Fahrräder in Magenta in Wien auftauchten, war ich fasziniert: ein ökologischer Lieferdienst, was für eine tolle Idee! Natürlich hätte ich angesichts der Einheitsmontur skeptisch werden müssen. Erst später wurde mir klar, dass Foodora Teil einer großen Unternehmung ist, hinter der wiederum Großinvestoren stecken, in dem Fall die Risikokapitalgesellschaft Rocket Internet. Die FahrerInnen haben sich inzwischen organisiert, um gegen die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft anzukämpfen. Es sind die Wirren der neuen Wirtschaft: Es muss kein großer Konzern mehr sein, sondern die Ausbeutung von Menschen und/oder der Umwelt kommt in einem unscheinbaren, wenn nicht sogar scheinbar progressiven Gewand daher.

Versteckter Großkonzern
Was als sympathisches Start-up wahrgenommen wird, ist dies beleibe nicht immer. So rühmt sich Rocket Internet damit, in mehr als 110 Ländern auf sechs Kontinenten vertreten zu sein und damit zumindest indirekt Arbeitgeber von 36.000 Menschen zu sein. Das wohl bekannteste Start-up, bei dem die deutschen Investoren ihre Finger im Spiel hatten, ist Zalando. Auch von dieser Firma gibt es immer wieder Berichte über erschreckend miese Arbeitsbedingungen. So drängt sich eine Frage geradezu auf: Wie gerechtfertigt sind staatliche Förderungen, wenn diese am Ende Firmen unterstützen, die nicht nur auf das Arbeitsrecht pfeifen, sondern von denen viele fleißig Stimmung gegen Steuern und Sozialabgaben machen, aber zugleich nach mehr Förderungen der öffentlichen Hand verlangen? 
An sich habe ich große Sympathien für Start-ups. Immerhin könnte es sein, dass von ihnen die nächste große Innovation erfunden wird, die die Welt tatsächlich ein bisschen besser machen könnte. Sie sind mir sympathisch, weil sie von ihrer Idee überzeugt sind – und zwar so sehr, dass sie sogar alles daransetzen, um mit ihr Geld zu verdienen.

Start-ups sind mir allerdings dann wirklich zutiefst unsympathisch, wenn sie nur das große Geld zum Ziel haben – und zwar um jeden Preis, wie beim eingangs beschriebenen Beispiel. Bei diesem kommt sogar noch ein Aspekt dazu, den ich wirklich abstoßend finde: Es wird Umweltbewusstsein suggeriert, während die ArbeitnehmerInnen ausgebeutet werden.
Zum Glück agieren nicht alle Start-ups so, ganz im Gegenteil. Auch sind nicht alle auf das große Geld aus, sondern wollen tatsächlich etwas beitragen. Eine positive Seite davon sind Crowdfunding-Projekte. Gerade im Journalismus wer-den spannende Alternativen entwickelt, um den großen Verlagshäusern und ihrer Logik etwas entgegenzustellen. Ein Beispiel aus Deutschland sind die Krautreporter: Anfangs waren sie eine Crowdfunding-Plattform, auf der JournalistInnen ihre Artikelideen anbieten und dafür Geld sammeln konnten. Es war ein wirklich spannendes Projekt, das LeserInnen und AutorInnen näher zusammenbrachte: Wer mit seiner/ihrer Idee punkten konnte, erhielt entsprechende Geldmittel. Dadurch wurden einige spannende Projekte möglich. Dass verschiedene Privatpersonen Geld dafür rausgerückt haben, sorgt für eine möglichst große Unabhängigkeit des Projekts.

Nicht ohne Rücksicht auf Verluste
Zuletzt warben die Krautreporter für ihr eigenes journalistisches Projekt per Crowdfunding um Geld: Bei ihnen sollten lange Geschichten, gute Reportagen und Hintergründe ihren Platz haben. Kurzum: Guter Qualitätsjournalismus sollte wieder eine Plattform bekommen. Welch hehrer Anspruch und wie schön, dass es dieses Projekt immer noch gibt – und zum Vorbild für so manch andere wurde.
Zumindest eines macht den Reiz von Start-ups aus: der Anspruch, neue Wege zu gehen und dafür auch eigenes Geld in die Hand zu nehmen. Denn ebendiese Bereitschaft kann eine Wirtschaft sehr bereichern. Auf Kosten der Allgemeinheit oder von ArbeitnehmerInnen darf dies aber nicht gehen.

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