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Doris Christina Steiner Schon als Vierjährige übernahm Doris Christina Steiner gern freiwillig das Ruder und vertrat bei Bedarf die Kindergartentante. Später setzte sie sich zum Ziel, noch vor dem 30. Geburtstag eine leitende Position zu erreichen - und das gelang ihr.
Renate Blauensteiner Renate Blauensteiner vertritt als Betriebsratsvorsitzende rund 1.400 MitarbeiterInnen im Wiener Opel-Werk - 97 Prozent davon männlich. Sie war zuvor selbst Arbeiterin in der Produktion.
Ana Ilic Ana Ilic schaffte es trotz ungünstiger Startbedingungen, eine Führungsposition zu erreichen. Im Alter von 24 Jahren flüchtete sie vor dem Jugoslawien-Krieg nach Wien. Zurücklassen musste sie nicht nur Mutter und Schwester, sondern auch ihr Studium.

Reportage: Von Aufgaben, die wachsen lassen, und fairen Partnerschaften

Schwerpunkt Gleichstellung

Die im Schatten sieht man nicht. Dabei sind viele Frauen in der zweiten und dritten Führungsebene. Anders als ihre Kolleginnen in Spitzenfunktionen sind sie so selbstverständlich geworden, dass sie gar nicht beachtet werden. Wir machen eine Ausnahme - und drei von ihnen sichtbar.

Sie heißen weder Brigitte Ederer noch Angela Merkel oder Hillary Clinton. Sie heißen Renate Blauensteiner, Ana Ilic oder Doris Christina Steiner. Sie stehen nicht im Rampenlicht, sondern hinter den Frauen und Männern in der ersten Reihe. Sie sind Filialleiterinnen, Objektmanagerinnen, Senior Consultants, Betriebsratsvorsitzende oder Bereichsleiterinnen – Frauen in der zweiten und dritten Führungsebene. Und sie sind viele. Wie viele, das wurde im Gegensatz zu den Zahlen der Frauen in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten, die einmal jährlich veröffentlicht werden, noch nicht erhoben. Während ganz an der Spitze Frauen noch immer sehr rar gesät sind, dürften weibliche Führungskräfte ein bis zwei Etagen darunter alles andere als selten sein. Bisher hat nur kaum jemand auf sie geschaut.

Eine von ihnen ist Renate Blauensteiner, die im Opel-Werk von General Motors in Wien dem Betriebsrat vorsteht und damit die Interessen von rund 1.400 MitarbeiterInnen vertritt – 97 Prozent davon männlich. Auch ihr Stellvertreter und der dritte Betriebsrat sind Männer. Als Blauensteiner uns an einem Freitagnachmittag Anfang November im Opel-Werk in Wien-Aspern empfängt, hat sie seit 32 Stunden nicht geschlafen – sie hat die Nacht über für die Produktionsgewerkschaft PRO-GE Kollektivverhandlungen geführt.
Den Job als Betriebsratsvorsitzende, auf den unter anderem die Mitgliedschaft im Europa-Betriebsrat von Opel und die Vizepräsidentschaft der Arbeiterkammer Wien folgten, hat sich Blauensteiner nicht ausgesucht. Sie war von 1983 an Arbeiterin in der Produktion und wurde von der Kollegenschaft immer wieder zur Teamsprecherin und damit zum „Bindeglied zwischen Belegschaft und Betriebsrat“ gewählt. Das Angebot, den Betriebsratsvorsitz zu übernehmen, kam einigermaßen überraschend. Sie musste es erst überdenken – und mit ihrem Mann besprechen, mit dem sie zwei Kinder und zwei Stiefkinder hat. „Wir haben das gemeinschaftlich entschieden. Ich sage immer: Der Mann denkt, die Frau lenkt“, sagt sie verschmitzt.

Stolz auf die Partnerin
Eine gute und faire Partnerschaft, bei der beide Teile Verantwortung für Haushalt und Kinderbetreuung übernehmen, ist aus Sicht der 57-Jährigen essenziell, damit auch Frauen verantwortungsvolle Positionen übernehmen können. Als sie etwa die Sozialakademie besuchte und dafür von 1994 bis 1995 ein Jahr lang jede Woche von Sonntag bis Freitag in Mödling war, schupfte ihr Mann den Haushalt, wusch die Wäsche und half den Kindern beim Lernen. Das war damals,
Ende der 1980er-Jahre, noch keineswegs üblich. Ihre Funktionen brachten auch einen oft vollen Terminkalender mit sich. Für ihren Mann war das kein Problem: „Er hat sich gefreut und war stolz.“
Wie Renate Blauensteiner entwickeln viele Frauen, die sich nicht „von Natur aus“ in einer leitenden Position gesehen hätten, mit der Zeit und den Erfahrungen Führungsqualitäten. „Man wächst mit den Aufgaben“, sagt Blauensteiner. Am Anfang habe sie „Bammel vor allem“ gehabt und wollte vor allem als Frau nicht belächelt werden. Ihr Selbstvertrauen hatte einen Wachstumsschub nötig. Nach einer abgebrochenen Friseurlehre, einer Karenzzeit mit Kindern sowie der Arbeit als Verkäuferin in einer Lampenfabrik und Fließbandjobs mit Schichtarbeit war selbst das Schreiben eine Herausforderung für sie. Sie nahm sie an, verfasste fortan Protokolle und gewann Selbstbewusstsein, welches ihr heute bei Verhandlungen nützt. Ihre weiteren Ziele? „Ich will erreichen, dass der Standort Aspern für viele weitere Jahrzehnte abgesichert ist.“ Und die Vision für die Frauen? „Es soll sich so weit ändern, dass sich die Frage gar nicht mehr stellt: Ist das ein Mann oder eine Frau? Dann bräuchten wir gar keine eigenen Frauenbereiche mehr.“

Reserve-Kindergartentante
Auch Doris Christina Steiner, die mit ihren 29 Jahren schon seit drei Jahren eine Führungsposition innehat und nebenbei an der Fachhochschule Kufstein unterrichtet, ist mit jeder ihrer Aufgaben gewachsen. Die Lust zu führen war ihr offenbar schon in die Wiege gelegt worden. „In der Familie haben sie mich ‚Der General‘ genannt“, lacht sie. Sie habe „immer schon gern Entscheidungen getroffen und Verantwortung übernommen“. Als „Natural Born Leader“ mimte sie schon im zarten Alter von vier Jahren die Reserve-Kindergartentante, indem sie sich auf deren Platz setzte, wenn die echte Tante den Raum verließ.
Steiner ist eine von vier Senior Consultants der Kommunikationsagentur Ketchum Publico und damit direkt der Geschäftsführerin unterstellt. Ihr Aufgabenbereich sind die Digitalagenden, zu ihrer KundInnenliste gehören unter anderem BMW, A1, PwC und Microsoft. 2014 war sie Onlinerin des Jahres, und sie gewann bereits einige Preise, unter anderem bei den PR Young Lions in Cannes. Bei Ketchum wird „agil“ geführt, was bedeutet, dass die Teams je nach Projekt und Bedarf immer wieder neu zusammengestellt werden. So arbeiten MitarbeiterInnen auch oft gleichzeitig für mehrere Senior Consultants. Nicht zuletzt deshalb werden Steiner und die anderen Seniors bei Personalentscheidungen einbezogen. Auch MitarbeiterInnengespräche gehören zu ihren Aufgaben – bei ihrem ersten war sie „furchtbar nervös“.
Als junge Frau muss sie nicht nur ihre MitarbeiterInnen, sondern auch ihre KundInnen überzeugen. Und da zeigte sich bei ihr ein Muster: „Mit Frauen, die in meinem Alter, also um die 30 sind, gibt es überhaupt keine Probleme. Das sind Frauen, die sich beruflich nehmen, was sie wollen. Da gibt es eine Solidarität.“ Auch ältere Männer als Kunden seien kein Problem, sofern sie ihnen „kontere“. Schwierig laufe es mitunter mit Frauen ab ca. 40. Was der Grund dafür sein könnte, dazu kann Steiner nur Mutmaßungen anstellen: „Diese Frauen haben sich sehr viel erarbeiten müssen.“
Frauen, so glaubt Steiner, könnten „ruhig unverschämter und selbstbewusster“ sein: „Man merkt oft bei Frauen, dass sie sich weniger zutrauen, als sie eigentlich können. Viele sitzen in der Perfektionsfalle.“ Sie selbst kam einmal drauf, dass ein männlicher Kollege um 100 Euro mehr Basisgehalt bekam als sie: „Daraufhin habe ich um 200 Euro mehr verlangt.“ Und manchmal wählt Steiner auch gern die große Geste: Das Gründungsevent ihres Vereins Digitalista, der Frauen in der Digitalbranche vernetzen und stärker sichtbar machen will, veranstalteten Steiner und ihre Kolleginnen in einem Zigarrenclub – einem Ort, der früher für Frauen tabu war.

Karriereplan
Für Steiner, die in ihrer Familie die Erste war, die ein Studium absolviert hat, gibt es ein klares Langzeit-Ziel: Sie will einmal einen Vorstandsposten beziehen. Obwohl sie schon früh mithilfe eines Mentors einen Karriereplan erstellt hat, sind die konkreten Schritte dorthin nicht genau definiert. In näherer Zukunft würde sie gerne ein internationales Team führen. Erste Erfahrungen im Ausland kann sie schon vorweisen – so half sie etwa mit, im Ketchum-Büro in Mumbai die Digitalschiene aufzubauen.

Das Leben von Ana Ilic, die aus Bosnien und Herzegowina stammt, teilt sich in zwei Hälften: vor und nach ihrer Flucht vor dem Jugoslawienkrieg. Damals, 1993, war sie Mitte 20 und floh mit ihrem Onkel und ihrer Tante nach Wien. Hier lebt sie seit rund 24 Jahren. Die jugendlich wirkende Frau, die mit ruhiger Stimme spricht, konnte das Wirtschaftsstudium in ihrer Heimat nicht abschließen, musste alles zurücklassen, auch ihre Mutter und Schwester, und sich „von null“ eine neue Existenz aufbauen – inklusive einer völlig neuen Sprache. Der Job als Reinigungskraft für das Unternehmen Simacek, den sie relativ bald nach ihrer Ankunft in Wien antrat, war für Ilic ein Segen – und sie ist immer noch dabei: „Ich bin eine treue Seele.“ Vor zehn Jahren wurde ihr ein Job als Objektmanagerin angeboten: „Durch meinen Einsatz ist es dazu gekommen. Ich arbeite gerne und es wurde gesehen, dass ich mehr kann und zuverlässig bin.“ Heute ist Ilic für 23 Objekte, darunter ein Spital, ein Kindergarten, ein Fitnessstudio und Banken, verantwortlich – und für 80 MitarbeiterInnen.

Voller Einsatz
Geschenkt bekam Ilic diese Chance nicht: Sie bildete sich intensiv weiter, absolvierte eine Lehre zur Denkmal-, Fassaden und Gebäude-Reinigerin, besuchte weiterbildende Fachkurse und machte vor zwei Jahren auch noch die Meisterprüfung. Voller Einsatz, zu dem etwa auch das tägliche Aufstehen um vier Uhr  früh gehört, ist für sie selbstverständlich. Gleichzeitig ist sie um den menschlichen Umgang mit KundInnen und MitarbeiterInnen bemüht: „Ich versuche, gerecht zu sein und den Leuten zu helfen, wenn ich kann und wenn ich sehe, dass sie Hilfe brauchen.“ Obwohl Ilic niemand ist, „der sich an die erste Stelle stellt“ und sich auch nicht als Karrierefrau sieht, muss sie in ihrer Rolle als Chefin manchmal unpopuläre Dinge tun und etwa Verwarnungen aussprechen: „Man muss sich schon durchsetzen können. Es ist nicht selbstverständlich, dass man von jedem akzeptiert wird.“ Manche MitarbeiterInnen seien der Meinung, sie könnten Ilics Arbeit vielleicht besser machen. Die männlichen Mitarbeiter, eine deutliche Minderheit in ihrem Team, haben dabei nie ein Problem mit der weiblichen Chefin gehabt. Manchmal muss Ilic MitarbeiterInnen kündigen: „Ich muss ehrlich sagen, ich habe immer ein Problem damit. Es gibt immer einen Grund dafür, aber mir geht es trotzdem schlecht damit.“

Rahmenbedingungen
Renate Blauensteiner, Doris Christina Steiner und Ana Ilic stehen stellvertretend für Frauen, die eine Führungsrolle im mittleren Management übernommen haben. Dass sie Karriereschritte gemacht haben, verdanken sie nicht nur ihrem eigenen Einsatz, sondern auch gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie KollegInnen und UnternehmerInnen, die ihnen mitunter einen kleinen Schubser gegeben und Mut zugesprochen haben. Vielleicht sind sie Powerfrauen, vielleicht ist das aber auch nur ein Klischee. Womöglich sind sie ganz normale Frauen mit Führungsqualitäten, die FörderInnen und UnterstützerInnen im Beruflichen wie Privaten hatten und haben – genau wie ihre männlichen Kollegen. Jedenfalls sind diese Frauen Role-Models, die vorleben, dass es heute keine Besonderheit mehr ist, als Frau in Führung zu gehen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin alexandra.rotter@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Innovative Modelle für Gleichstellung
Zwar sind viele Frauen sehr gut ausgebildet – und doch fehlen sie in Führungspositionen. Dieses Potenzial liegt brach, wenn sie in niedrig qualifizierten Jobs bleiben, anstatt aufzusteigen. Manuela Vollmann hält das volkswirtschaftlich und unternehmerisch für unvernünftig. Die Geschäftsführerin des Vereins abz austria, der sich das Thema Frauen in der Wirtschaft auf die Fahnen schreibt und dazu unter anderem Unternehmen berät, stellt fest: Unternehmen müssten sich fragen, „ob sie nicht aus dem ganzen Pool schöpfen wollen“.
Allzu oft heißt es, dass Frauen gar nicht führen wollen und sich auf Stellenausschreibungen nicht melden. Es sei richtig, dass sich Frauen seltener für Führungspositionen bewerben, aber dafür gebe es Gründe, bei denen es anzusetzen gelte, so Vollmann: „Im Recruiting-Prozess ist es Realität, dass Männer sich sofort bewerben, sobald sie sehen: Das interessiert mich.“ Frauen dagegen würden sich Inserate ganz genau anschauen – und wenn sie sehen, dass ihnen eine Qualifikation fehlt, bewerben sie sich nicht.
„Man muss an den Kern des Problems gehen und sich fragen, wie Inserate gestaltet sein müssen, damit sich auch Frauen bewerben“, meint Vollmann. Ein weiterer Ansatz ist, sich innerhalb der Unternehmen bewusst nach passenden Frauen umzusehen – für Spitzenpositionen etwa in der zweiten Führungsebene.
Und noch etwas: Manche Qualifikationen und Talente liegen nicht auf dem Präsentierteller. Viele Frauen sind Managerinnen ihrer Familien. „Unternehmen sind gut beraten, sich anzusehen, welche informellen Kompetenzen die Frauen haben – Kompetenzen, die sie nicht an der Uni gelernt haben“, so Vollmann.
Natürlich heiße das nicht, dass jede Frau eine gute Managerin sei, aber möglich ist es – und dann wäre es ziemlich vernünftig, diese Fähigkeiten auch im Unternehmen zu nutzen und diesen Frauen eine Führungsposition anzubieten.

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