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Symbolbild zum Bericht: "Europäische Säule sozialer Rechte"

Feigenblatt oder Kurswechsel?

Veranstaltung | Schwerpunkt Internationale Solidarität

In Brüssel setzten sich GewerkschafterInnen kritisch mit dem Kommissionsprojekt einer "Säule der sozialen Rechte" in der EU auseinander.

Die Europäische Kommission hat vergangenen März angekündigt, den Fokus ihrer Aktivität wieder stärker auf sozialpolitische Themen zu setzen. Unter dem Titel „Europäische Säule sozialer Rechte“ sollen Herausforderungen erkannt werden und Ziele für die Teilnehmerstaaten festgelegt werden. Der Vorschlag wird derzeit in einer öffentlichen Konsultation diskutiert, die noch bis Jahresende läuft. Könnte die soziale Säule einen politischen Kurswechsel einläuten oder ist sie nur ein weiteres soziales Feigenblatt der EU-Kommission: Mit dieser Frage beschäftigte sich Anfang Juni eine ganztägige Konferenz in Brüssel.

Verbindliche Standards
Die Finanzkrise hat in der EU zu einer massiven Legitimations- und Vertrauenskrise geführt. Fast ein Viertel der EuropäerInnen lebt laut der OECD an oder unter der Armutsgrenze. Die meisten der DiskutantInnen stimmten darin überein, dass das Vertrauen der Menschen nur zurückgewonnen werden kann, wenn die EU ihre Handlungsfähigkeit beweist und die sozialen Standards in den Mitgliedstaaten anhebt. „Angesichts der schlechten Erfahrungen mit sozialen Initiativen der EU-Kommission ist Skepsis angebracht“, fasste Bernhard Achitz die erste Reaktion der Gewerkschaften zusammen. Dennoch werden die Gewerkschaften sich aktiv in die Diskussion einbringen, denn „wir haben in der EU nicht zu viele, sondern zu wenige verbindliche soziale Mindeststandards“, betonte der Leitende Sekretär des ÖGB. Neue soziale Standards dürften sich nicht am niedrigsten Niveau in der EU orientieren.

Investition in die Zukunft
Den Fokus auf niedrigere Leistungen für Arbeitslose oder auf die weitere Schwächung des Pensionssystems zu legen, sei der völlig falsche Ansatz, hielt Achitz fest: „Entscheidend für den Erfolg der Initiative wird sein, ob wir starke Sozialsysteme nur als Kostenfaktor sehen oder als notwendige Absicherung und Investition in die Zukunft.“ Im Übrigen könne die Beschränkung der Initiative auf die Eurozone nur ein erster Schritt sein, denn soziale Standards müssten für alle EU-Staaten gelten.
Die beiden EU-Abgeordneten Udo Bullmann (SPD) und Thomas Händel (Die Linke) begrüßten die Kommissionsinitiative zumindest im Grundsatz. Händel ist Vorsitzender des Beschäftigungsausschusses und forderte die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Die meisten RednerInnen waren sich einig, dass verbindliche Standards nötig seien. Das sehen offenbar auch einige Regierungen so. „Ein sozialer Knigge reicht nicht, wir brauchen nach der Konsultation auch weitergehende Vorschläge für konkrete Richtlinien“, erklärte Susanne Hoffmann vom deutschen Arbeitsministerium. Verbesserungswürdig sei die Einbindung der Sozialpartner, wenn im Kommissionsdokument von Löhnen und Produktivität gesprochen werde. Andreas Botsch vom DGB kritisierte die von der Kommission empfohlene automatische Koppelung von Pensionsalter und Lebenserwartung. „Schaffen wir mit der sozialen Säule endlich den sozialen Aufbruch oder brechen wir Europa ab?“ sei die entscheidende Frage, so Botsch.

Gefährdetes Sozialmodell
Zum Abschluss betonten die TeilnehmerInnen die Wichtigkeit von Sozialinvestitionen. Der luxemburgische Sozialminister Nicolas Schmit kritisierte die Vorgangsweise der EU-Kommission: „Man diktiert Budgetregeln und überlässt die sozialen Aufgaben allein den Nationalstaaten.“ Ohne verstärkte Investitionen in den Sozialstaat sei die Stabilität des europäischen Sozialmodells akut gefährdet. Christof Cesnovar vom AK-Europa-Büro betonte die Mehrfachdividende von zukunftsgerichteten Sozialinvestitionen. So haben Studien der Arbeiterkammer Wien klar gezeigt, dass verstärkte Investitionen in die Kinderbetreuung positive Auswirkungen auf Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt haben.

Weitere Infos
www.akeuropa.eu
www.oegb-eu.at

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