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Symbolbild: Im Namen der Jungen sollen die Pensionen reformiert werden. Nimmt man das Schlagwort "Generationengerechtigkeit" ernst, so muss man vor allem an einer Stellschraube drehen: dem Arbeitsmarkt.

Not in Our Name!

Schwerpunkt

Im Namen der Jungen sollen die Pensionen reformiert werden. Die vermeintlichen GewinnerInnen einer Reform wären die großen VerliererInnen.

Ein heute 20-jähriger Deutscher muss nach 45 Berufsjahren mit einer staatlichen Pension auskommen, die weniger als 38 Prozent seines bisherigen (Brutto-)Einkommens beträgt. Dieselbe Person darf in Österreich mit einem beinahe doppelt so hohen Einkommen im Alter rechnen, beläuft sich die (Brutto-)Ersatzrate in Österreich doch auf knapp 80 Prozent.

Private Lücke
Das Beispiel Deutschland zeigt also, wohin Pensionsreformen führen können. Bei unseren NachbarInnen wurde nämlich der Anspruch aufgegeben, über das öffentliche, umlagefinanzierte Pensionssystem den Lebensstandard im Alter zu sichern. Staatlich geförderte Betriebspensionen und die private Pensionsvorsorge sollten die Lücke schließen, allein sie werden dazu nicht in der Lage sein. So rechnet die OECD selbst unter Miteinbeziehung dieser beiden „Säulen“ und einer günstigen Entwicklung mit einer Pension von nur rund 50 Prozent des (Brutto-)Einkommens. Jeder zweiten Person, die 2030 in Deutschland in Pension geht, droht Altersarmut
Diese alarmierende Bestandsaufnahme hat nun auch in unserem Nachbarland eine Diskussion ausgelöst. Die SPD, aber auch Teile der CDU haben erkannt, dass es vielen Menschen schlicht nicht möglich ist, am Ende des Monats noch Geld für Pensionsvorsorge beiseitezulegen. Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert nun eine „umfassende Reform“ mit dem Ziel, die Absenkung des Rentenniveaus zu stoppen.
Dennoch werden von wirtschaftsliberaler Seite und der privaten Versicherungswirtschaft „Riester“-ähnliche-Reformen für Österreich gefordert. Als Kernargument dient dabei eine vermeintliche Kostenexplosion des Pensionssystems. So müsse immer mehr Geld aus dem Steuertopf für staatliche Pensionen zugeschossen werden. Um die „Pensionen“ der Jungen zu sichern, müssten demnach also Pensionsansprüche gekürzt werden.

Die Kostenexplosion gibt es nicht
Doch die immer wieder behauptete Kostenexplosion gibt es nicht. Obwohl der Anteil der über 65-Jährigen von derzeit rund 18 Prozent bis zum Jahr 2060 auf knapp 29 Prozent ansteigen wird, steigt der Pensionsaufwand laut EU-Kommission „nur“ um einen halben Prozentpunkt, und zwar von 13,9 Prozent des BIP auf 14,4 Prozent. Der Anteil, der aus Steuermitteln zur Finanzierung der Pensionen (inklusive jener der BeamtInnen) aufgewendet werden muss, wird demnach geringfügig von 6,0 auf 6,4 Prozent zunehmen. Das zeigt sehr klar, wie gravierend die vielen bereits durchgeführten Pensionsreformen in die Zukunft wirken werden.
Wer vor dem Hintergrund dieser Zahlen dennoch eine weitere „große Pensionsreform“ fordert, kann daher nur eine drastische Kürzung der Pensionen meinen – wovon vorwiegend die heute jungen Personen betroffen sind. Über das Motiv dahinter kann angesichts der Faktenlage nur gemutmaßt werden. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass die Lobby der Versicherungswirtschaft beste Kontakte in die Politik pflegt. Und deren Interesse ist klar: Das gut funktionierende öffentliche System soll zumindest teilweise durch private Versicherungsprodukte abgelöst werden. Diesen Zusammenhang erkennt auch der ehemalige deutsche Sozialminister und CDU-Politiker Norbert Blüm: „Das Umlagesystem ermöglicht zwar weniger Gewinne für private Pensionsversicherer, aber höhere Pensionen und/oder niedrigere Beiträge für die Versicherten.“

Die Lobby dahinter
„Die einflussreiche Lobby der Versicherungswirtschaft“: Das mag für manche nach Verschwörungstheorie klingen. Doch tatsächlich zeigt ein Blick ins Firmenbuch oder auf die Spenderliste eindeutige Zusammenhänge.
Besonders deutlich wird die Macht des Netzwerks am Beispiel Andreas Zakostelsky. Der ÖVP-Nationalratsabgeordnete und Vorsitzende des Finanzausschusses ist seit Anfang des Monats Vorstand der größten privaten Pensionskassa Österreichs (VBV-Gruppe). Als Sonderberater der Valida Holding AG, der Pensionskassa des Raiffeisenkonzerns, bleibt der Manager auch seinem bisherigen Arbeitgeber eng verbunden. Zakostelsky ist aber nicht der einzige ÖVP-Abgeordnete mit Naheverhältnis zur Versicherungswirtschaft.
Allein im Finanzausschuss haben fünf der sieben ÖVP-Abgeordneten eine oder mehrere Führungs- bzw. Aufsichtsfunktionen in Banken oder Versicherungen.
Außerhalb der politischen Parteien macht vor allem der neoliberale Verein „Agenda Austria“ Stimmung gegen das öffentliche, umlagefinanzierte Pensionssystem. Dabei ist man auch nicht verlegen, einseitige Studien aus dem Dunstkreis der privaten Versicherungen wie etwa die sogenannte „Mercer-Studie“ zu zitieren. Kein Wunder, finanziert sich der Verein, der sich selbst als „unabhängig, aber nicht neutral“ bezeichnet, doch – neben zahlreichen Privatstiftungen und einigen Industriellen – vor allem über Spenden von Banken. Neben der Oberbank AG und der Erste Bank sind es gleich mehrere Unternehmen aus dem Raiffeisenkonzern, die zur „Unabhängigkeit“ der Agenda Austria beitragen.

Falsch verstanden
Nimmt man das Schlagwort „Generationengerechtigkeit“ ernst, so sind die zu drehenden Stellschrauben jedenfalls ganz andere. Demografische Verschiebungen sind nämlich nur ein Faktor, der noch dazu kaum beeinflussbar ist. Worauf es tatsächlich ankommt, ist die Relation zwischen LeistungsbezieherInnen (PensionistInnen, Arbeitslose etc.) und Erwerbstätigen. Irreführend ist in dem Zusammenhang, wenn die Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit der Zahl der Erwerbstätigen gleichgesetzt wird. Schließlich sind es die Pensionsversicherungsbeiträge der aktiv Beschäftigten, die zum größten Teil die Pensionen finanzieren. Da die Pensionsversicherungsbeiträge als fixer Anteil der Löhne und Gehälter berechnet werden, ist das Wachstum der Lohnsumme für die Dynamik des Beitragsaufkommens entscheidend.
Dementsprechend stellt die hohe Arbeitslosigkeit die größte Herausforderung für die Finanzierung der Pensionen dar. Um die Pensionen zu sichern, bedarf es folglich in erster Linie einer aktiven Beschäftigungspolitik. Ebenso wichtig ist eine produktivitätsorientierte Lohnentwicklung, die eine gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstandes zwischen Arbeit und Kapital und damit eine breite Finanzierungsbasis sicherstellt.
Nichtsdestotrotz gibt es Handlungsbedarf im Pensionssystem. Die Situation jener, die von Altersarmut betroffen sind, muss verbessert werden. Davon betroffen sind in erster Linie prekär Beschäftigte sowie Personen mit brüchigen Erwerbskarrieren – allen voran Frauen mit langjährigen Betreuungspflichten. Demgegenüber stehen notwendige Einschränkungen von Sonderregelungen kleiner, privilegierter Gruppen sowie der Steuerbegünstigung privater Zusatzpensionen. Aber auch eine Harmonisierung der Beitragssätze würde zu mehr Gerechtigkeit zwischen den unterschiedlichen Versicherungsträgern und deren Versicherten beitragen. Die ASVG-Pensionen, die das Gros des öffentlichen Pensionssystems ausmachen, sind solide finanziert und wachsen nicht in den Himmel. Wer mit einer großen Pensionskürzungsreform das ASVG-System im Visier hat, handelt ideologisch und übersieht zudem das Wesentliche.

Ganzheitliche Sicht
Für einen Pensionsanspruch, der den Lebensstandard sichert, ist eine gute Erwerbsbiografie entscheidend. Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen. Diese reichen von einem guten Ausbildungssystem über verbesserte Berufseinstiegsmöglichkeiten und gute Entlohnung bis hin zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nur durch eine derartige ganzheitliche Sichtweise kann auch der Lebensstandard der heute Jungen in ihrer Pension gesichert werden. Andernfalls führt die bevorstehende Pensionsreform zu Leistungskürzungen – und diese treffen vor allem jene, denen heute eingeredet wird, ihre Pensionen würden damit gerettet.

Linktipp:
„Mercer Pensionsstudie: Und ewig grüßt das Murmeltier“:
tinyurl.com/jg3a8lm

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor josef.thoman@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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