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Symbolbild zum Bericht: Zumutung sexuelle Belästigung Es ist zumutbar, dass man sich vorher vergewissert, was die andere Person akzeptiert und wo eine Grenze überschritten wird - und zwar egal, ob es um eine anzügliche Bemerkung oder gar um eine körperliche Berührung geht.

Zumutung sexuelle Belästigung

Schwerpunkt

So manche ArbeitnehmerInnen sind am Arbeitsplatz mit Vorurteilen oder gar sexueller Belästigung konfrontiert.

Frau J. ist Lehrling in einer Tischlerei. Dort gibt es einen älteren Kollegen, der sehr beliebt ist. Er hat den Ruf, sehr gesellig zu sein, manche munkeln, dass er ein „Frauenheld“ sei. Frau J. findet seine Witze im Gegensatz zu den anderen nicht lustig. Es geht dabei immer wieder um Sex, und Frau J. ist dies unangenehm. Sie zeigt sich reserviert, bleibt aber freundlich und sagt nichts. Als sie einmal mit dem Kaffeekochen dran ist, folgt ihr der Kollege und berührt sie im Sozialraum an den Armen, am Po und streicht ihr über die Wangen. Frau J. ist starr vor Schreck und weiß nicht, was sie tun soll. Der Kollege meint nur, sie sei wohl ein wenig „unterkühlt“. Danach umarmt sie der Kollege nun öfter, aber nie, wenn andere dabei sind.
Frau J. nimmt all ihren Mut zusammen und geht zum Chef. Dieser verspricht ihr, dass er mit dem Kollegen sprechen wird. Frau J. geht es in der Zwischenzeit immer schlechter, da sie unentwegt darauf bedacht ist, dem Kollegen nicht allein zu begegnen. Nach ein paar Wochen fragt sie nach. Der Chef meint, dass ihm der Kollege gesagt habe, alles sei nur ganz freundschaftlich gemeint gewesen.

Beispielhaft

Es ist dies ein anonymisierter Fall aus der Beratung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, der beispielhaft für viele Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz steht – und damit für Zumutungen, mit denen Frauen im Arbeitsalltag konfrontiert sind. Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) schützt vor Diskriminierung am Arbeitsplatz, und zwar aufgrund des Geschlechtes, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion und Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung.

Objektiver und subjektiver Maßstab

Eine immer noch sehr häufig vorkommende Diskriminierungsform ist die der (sexuellen) Belästigung. Um festzustellen, ob eine solche vorliegt, muss man sowohl einen objektiven als auch einen subjektiven Maßstab berücksichtigen. Objektiv muss die physische oder psychische Integrität verletzt werden oder im Fall der sexuellen Belästigung die sexuelle Selbstbestimmung.
Eine solche „Beeinträchtigung der Würde“ muss ein Mindestmaß an Intensität aufweisen. Das Verhalten muss auch subjektiv als Grenzüberschreitung wahrgenommen werden und unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein. Die Perspektive der diskriminierten Person hat also Gewicht. Dabei ist wesentlich, dass die Belästigung nicht ein „Verschulden“ des/der Belästigers/Belästigerin voraussetzt – auch wenn die Person es „nicht so gemeint hat“, liegt eine Belästigung vor.
Es kann daher schon bei den anzüglichen Witzen eine sexuelle Belästigung vorliegen. Eine reservierte Haltung und körperliche Abwendung sollten ausreichen, um die subjektive Unerwünschtheit zu erkennen. Gerade bei körperlichen Berührungen ist es nicht nur nach menschlichem Ermessen, sondern auch juristisch zumutbar, dass man sich vorher davor vergewissert, dass die andere Person dies auch will.

Wahrnehmung zählt

Eine Belästigung liegt auch vor, wenn explizit in beleidigender Form z. B. auf die sexuelle Orientierung Bezug genommen und dies auch als feindselig wahrgenommen wird. Dazu folgender Fall aus der Beratung der Gleichbehandlungsanwaltschaft als Beispiel:
Herr Z. ist als Handelsangestellter beschäftigt. Er erwähnt bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Filialleiter und den KollegInnen, dass er homosexuell ist, um spätere Irritationen auszuschließen. Einmal hält sich Herr Z. gemeinsam mit drei Arbeitskolleginnen und dem Filialleiter im Pausenraum auf. Gesprächsthema ist eine Tanzsendung im Fernsehen, bei der in der gerade laufenden Staffel ein gleichgeschlechtliches Tanzpaar antritt. Während eine Arbeitskollegin das Tanzpaar als „süß und charmant“ bezeichnet, sagt Frau F.: „Schwule haben in der Öffentlichkeit nicht zu tanzen, das schickt sich nicht.“
Während Frau F. dies sagt, sucht sie Blickkontakt zu Herrn Z. und lächelt. Frau K. schließt sich dieser Auffassung an: „Schwule brauchen sich auch nicht in der Öffentlichkeit zu küssen.“ Um diese Aussage noch zu verstärken, meint Frau K. weiter: „So ein Verhalten hätte in früheren Zeiten zu Konsequenzen geführt.“ Auch Frau K. schaut während dieser Äußerung Herrn Z. an und lacht provozierend. Herr Z. beteiligt sich nicht an der Unterhaltung, die Aussagen empfindet er als zutiefst kränkend. Der Filialleiter schweigt zu dem Vorfall.

Kommt einem Arbeitgeber zu Ohren, dass einer oder eine der MitarbeiterInnen (sexuell) belästigt wurde, ist er verpflichtet, angemessene Abhilfe gegen die Belästigung zu schaffen. Der innerbetriebliche Umgang mit (sexueller) Belästigung stellt eine große Herausforderung dar. Oft steht Aussage gegen Aussage, die Übergriffe werden abgeschwächt und verharmlost, manche KollegInnen berufen sich beispielsweise bei homophoben oder rassistischen Aussagen auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung.
Demgegenüber steht jedoch die Verpflichtung der Arbeitgeber, geeignete Maßnahmen zu setzen, um die oder den Betroffene/n vor weiteren Belästigungen zu schützen. Juristisch spricht man von „angemessener Abhilfe“, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu setzen ist. Das kann von der Ermahnung über die Versetzung bis hin zur Kündigung oder Entlassung gehen. Im eingangs geschilderten Fall darf der Chef also nicht einfach dem Kollegen glauben, sondern er muss die Schilderung der Betroffenen ernst nehmen. Diese empfindet das Verhalten ihres Kollegen eben gerade nicht „freundschaftlich“. Die Übergriffe dürfen also nicht als „Kavaliersdelikte“ verharmlost werden.

„Verlängerter Arm“

Im zweiten Fall ist der Filialleiter, der als „verlängerter Arm“ des Arbeitgebers zu sehen ist, bei dem Übergriff selbst anwesend. Er hätte daher einschreiten und arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen müssen. Gerade bei pauschalen, nicht direkt gegen die Person gerichteten homophoben oder auch rassistischen Äußerungen, die im vorliegenden Fall sogar die Verfolgung homosexueller Menschen in den Raum stellen, berufen sich BelästigerInnen immer wieder auf „freie Meinungsäußerung“. Das Gericht hat dazu hingegen festgestellt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung keinesfalls Äußerungen rechtfertige, die dem Gleichbehandlungsgesetz zuwiderlaufen.

Machtverhältnisse

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat im Umgang mit Fällen von (sexueller) Belästigung langjährige Erfahrungen. Erst aus vielen Einzelfällen zeigen sich die dahinterliegenden strukturellen Muster der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bringt unter anderem einen „Fall des Monats“ auf der Website heraus, um diese Zusammenhänge und einzelne Fallkonstellationen sichtbar zu machen. Aus der Beratungserfahrung zeigt sich zudem, dass ein einmaliges Handeln durch den Arbeitgeber oft nicht ausreicht, um tatsächlich ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Nicht selten kommt es zu einer Gruppendynamik, in der zwei Gruppen von ArbeitnehmerInnen entstehen, die sich jeweils auf die eine oder andere Seite schlagen. Die betroffene Person wird so oftmals als die/der eigentlich Schuldige angesehen, die dem oder der BelästigerIn geschadet oder diese/n gar hinausgedrängt hat. Diese Situation stellt auch für den Betriebsrat eine besondere Herausforderung dar. Aus Sicht der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) wird in diesen Konstellationen sichtbar, dass die Unternehmenskultur, die Belästigungen erst ermöglicht hat, in keiner Weise geändert wurde. Die GAW rät in solchen Situationen – neben einem klaren Statement der Führungsebene – unter anderem zu Teamsupervisionen. Sinnvoll sind vor allem spezielle innerbetriebliche Workshops zum Thema (sexuelle) Belästigung.
Im Rahmen des Schwerpunktthemas „Gleichbehandlung Unternehmen“ werden derartige Workshops auch auf der Website explizit angeboten. Die Erfahrung der Gleichbehandlungsanwaltschaft kann so genutzt werden, um ein zumutbares, diskriminierungsfreies Arbeitsklima aktiv zu gestalten.

Linktipps:
App der Gleichbehandlungsanwaltschaft:
tinyurl.com/joyttlz
Beratung, Unterstützung und Information zum Thema Gleichbehandlung:
www.gleichbehandlungsanwaltschaft.at
Seminar für BetriebsrätInnen: „Gleichbehandlung in der Arbeitswelt“:
tinyurl.com/jnz8cgd

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sandra.konstatzky@bka.gv.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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