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Symbolbild zum Beitrag: Harte Zahlen, bitte! Österreich hat in der Nachhaltigkeitsberichterstattung einen gewaltigen Aufholprozess vor sich.

Harte Zahlen, bitte!

Schwerpunkt

Bisher ist es den Firmen überlassen, ob sie in ihren Geschäftsberichten über soziale und Umweltaktivitäten berichten. Das muss zur Pflicht werden.

Vor wenigen Wochen wurden LeserInnen eines österreichischen Wochenmagazins überrascht. Statt der üblichen Beilagen von Autofirmen oder anderen Konsumartikeln war dem Magazin ein „Nachhaltigkeitsmagazin“ der Post AG beigelegt. In der Präambel ist zu lesen, dass es Ziel des Magazins ist, „mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu gehen, mit den Kunden, den Mitarbeitern und anderen Stakeholdern zu reden und zu zeigen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um auch in Zukunft wertvolle Beiträge für die Gesellschaft leisten zu können“.

Offengelegt

Den LeserInnen präsentierte sich ein buntes Magazin mit vielen plakativen Storys wie: „Die an ihre Grenzen gingen: MitarbeiterInnen stellen bei einem Staffellauf einen Weltrekord auf“. Unter dem Titel „So grün ist die gelbe Post“ beschäftigte sich ein Artikel mit Postprojekten für die Umwelt. Handfeste Zahlen, Vergleiche, Entwicklungen über relevante Indikatoren wie Aus- und Weiterbildung, Arbeitsunfälle, Diversität, Einkommensverteilung oder Umwelt hingegen suchten die LeserInnen vergeblich. So weit, so oberflächlich. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, würde man der Post AG unterstellen, mit Informationen zu ihren Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit hinterm Berg zu halten. Auf ihrer Homepage veröffentlicht sie – im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen – einen echten Nachhaltigkeitsbericht mit zahlreichen Indikatoren, mehr oder minder exakt dargestellt.

Marketingthema

Nachhaltigkeit ist für die meisten Unternehmen mittlerweile ein unverzichtbares Marketingthema geworden. Das zeigt auch die Strategie der Post deutlich. Ernsthafte Berichterstattung setzt jedenfalls voraus, dass nicht bunte Bilder und gute Storys, sondern harte Zahlen, Daten und Fakten über soziale oder ökologische Belange dargestellt werden. Diesen Anspruch wiederum erfüllen nur wenige Unternehmen. Einer Studie von Ernst&Young zufolge veröffentlicht nur etwa jedes vierte der 100 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich einen Nachhaltigkeitsbericht. Damit hinkt Österreich weit hinter anderen Ländern nach. In Frankreich, Dänemark und Großbritannien beispielsweise publizieren die größten Unternehmen mittlerweile fast lückenlos entsprechende Berichte.
Die EU hat nun eine Richtlinie erlassen, die bis Ende 2016 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Diese schreibt für große börsennotierte Unternehmen und Finanzinstitute eine Sozial- und Umweltberichterstattung („nichtfinanzielle Leistungsindikatoren“) vor. Dabei gibt es jedoch einen Wermutstropfen: Anders als bei der übrigen Finanzberichterstattung üblich, hat die EU keine exakten Vorgaben gemacht, wie eine derartige Umweltberichterstattung inhaltlich gestaltet sein muss. Festgelegt wurden lediglich sehr allgemein gehaltene Themengebiete wie etwa Umwelt-, Sozial-, und ArbeitnehmerInnenbelange, Menschenrechte oder die Bekämpfung von Korruption. Was darunter jeweils zu verstehen ist, ist der Interpretation der Mitgliedstaaten überlassen. Nicht festgelegt wurde auch, ob die Berichterstattung von externen PrüferInnen geprüft werden muss, um die Zuverlässigkeit der Zahlen und Daten zu gewährleisten. Damit ist auch zu befürchten, dass diese Berichte nicht auf gleicher Augenhöhe mit den Finanzberichten im Aufsichtsrat und der Hauptversammlung behandelt werden und damit wirkungslos bleiben.

Freiwilligkeit

Seit dem EU-Grünbuch 2001 war eine gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility – CSR) untrennbar mit dem Prinzip der Freiwilligkeit verbunden. Die Unternehmen sollten aus freien Stücken mehr für die Gesellschaft leisten, als ihnen von Gesetzes wegen vorgeschrieben war. Der Markt, so die Annahme, würde diese gute Unternehmensführung auch entsprechend belohnen. Dem war allerdings nicht so. ArbeitnehmervertreterInnen waren seit jeher äußerst skeptisch und ordneten das eher als PR-Gag ein denn als fundamentale Neuausrichtung der Unternehmensführung. Immerhin konnten sie täglich eher eine Verschärfung denn eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erleben. Und auch die EU glaubt mittlerweile nicht mehr so recht an die Selbstheilung durch den Markt: Wenn gerade einmal zehn Prozent der großen Unternehmen in der EU Informationen zu Umwelt und Sozialem offenlegen, dann ist die Zeit für verpflichtende Regeln gekommen. Die neue EU-Richtlinie schafft dafür die Voraussetzungen.
Der Teufel steckt im Detail: Erst der nationale Gesetzgeber legt fest, in welcher Form diese Verpflichtung umzusetzen ist. Genügt es, dass die Unternehmen prinzipiell zum Beispiel über die Arbeitsbedingungen berichten? Nach bisherigen Erfahrungen wird dann immer das herausgegriffen, was besonders imagefördernd ist: die Lehrlingsausbildung; Teilzeitarbeit zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie; Investitionen in Aus- und Weiterbildung und Ähnliches. Vorangestellt sind diesen Informationen meist jene Standardangaben, die ohnedies schon im Lagebericht offengelegt werden müssen. Diese Beliebigkeit muss allerdings nicht sein, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Dort müssen Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeiterinnen anhand von über 100 Leistungsindikatoren Auskunft über die ArbeitnehmerInnenbelange geben.

Fakten statt blumiger Berichte

Unbeeindruckt von der bisherigen Wirkungslosigkeit beharrt die Arbeitgeberseite nach wie vor auf dem Prinzip der Freiwilligkeit: Jede und jeder soll schreiben dürfen, was er oder sie will – ohne klare Vorgaben und ohne externe Überprüfung. Eine interessante Position beziehen die WirtschaftsprüferInnen, die einen derartigen „prinzipienbasierten“ Ansatz als offensichtlich unzureichend klassifizieren. Nur wenn die Kriterien zur Sozial- und Umweltberichterstattung konkretisiert werden, ist eine einheitliche Interpretation und inhaltliche Prüffähigkeit gewährleistet. Auch NGOs, AK und Gewerkschaften plädieren für harte Daten und Fakten statt blumiger Berichte. Daher verwundert es auch nicht, dass in den vom Justizministerium in einer öffentlichen Konsultation eingeholten Stellungnahmen nur noch der harte Kern der Unternehmensvertreter dem Prinzip „Freiwilligkeit“ nachhängt. Demgegenüber wollen 16 von 22 Organisationen handfeste Berichte.
Auf welcher Basis sollen diese Berichte erstellt werden? Weltweit hat sich die Global Reporting Initiative (GRI) durchgesetzt, ein Rahmenwerk, nach dem bereits jetzt weltweit 8.500 Unternehmen berichten. Auch bei den ATX-Unternehmen ist GRI der mit Abstand am häufigsten angewendete Standard. Es ist daher naheliegend, bei einer Spezifizierung der Nachhaltigkeitskriterien von den bereits vorliegenden GRI-Indikatoren auszugehen. Will man ein halbwegs umfassendes Bild über die Situation der ArbeitnehmerInnen im Betrieb erhalten, so braucht es allerdings noch zusätzliche Maßzahlen. In einer von der AK Wien durchgeführte Online-Umfrage bei BetriebsrätInnen börsennotierter Unternehmen wurden folgende Indikatoren von den allermeisten BetriebsrätInnen als besonders wichtig eingestuft: durchschnittliche Mehr- und Überstunden, Zeitaufwand für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Verbreitung von All-in-Verträgen im Unternehmen, die innerbetriebliche Vergütungsspanne zwischen Vorständen und Belegschaft sowie Informationen zu den verschiedenen Arbeitsvertragsformen. Weiters wünschen sich die befragten BetriebsrätInnen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung neu: harte eindeutige Maßzahlen, eine Behandlung der Berichte im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung und eine externe Testierung durch die WirtschafsprüferInnen.

Aufholprozess

Österreich hat in der Nachhaltigkeitsberichterstattung einen gewaltigen Aufholprozess vor sich. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, dem Nachzüglerdasein durch klare Normen ein Ende zu setzen. Nur vergleichbare, geprüfte und relevante Zahlen, Daten und Fakten bilden eine wirkungsvolle Grundlage für Veränderungen der betrieblichen Realität. Die Arbeitswelt wird damit sichtbar gemacht, sodass über Bewegungen in der „Sozialbilanz“ diskutiert werden kann. Eine externe Überprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von einer unabhängigen dritten Partei ist unerlässlich und sollte in Bezug auf Form und Inhalt auf Augenhöhe mit der Finanzberichterstattung erfolgen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren heinz.leitsmueller@akwien.at  ulrich.schoenbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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