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Symbolbild zum Bericht: Bildung? Ja, bitte! Gewerkschaftliche Bildung will ArbeitnehmerInnen in die Lage versetzen, Zusammenhänge zu erkennen und zu hinterfragen.
Buchtipp

Bildung? Ja, bitte!

Schwerpunkt

Was die gewerkschaftliche Bildungs- und Kulturarbeit zu etwas Besonderem macht und warum Spaß dabei wichtiger ist als der Markt.

Seminare, Lehrgänge, Workshops, Veranstaltungen – das gewerkschaftliche Bildungsangebot ist umfangreich und vielfältig. Es ist jedoch mehr als die Summe all dieser Angebote. Doch was macht die gewerkschaftliche Bildungsarbeit aus, was ist das Besondere, was unterscheidet sie von anderen Angeboten der Erwachsenenbildung? Prinzipiell geht es darum, ArbeitnehmerInnen und vor allem ArbeitnehmervertreterInnen in die Lage zu versetzen, bei der Problemlösung kollektiven und nicht individuellen Interessen zu folgen. Zusammenhänge zu erkennen und zu hinterfragen, das Gelernte zu reflektieren, sind dabei wesentliche Elemente. Weder ReferentInnen oder ExpertInnen sollen unhinterfragt „die Welt erklären“ noch „Dr. Google“. Das braucht ausreichend Raum und Zeit und gelingt natürlich in länger dauernden Lehrgängen leichter als in einem zweitägigen Seminar.

Politische Bildung

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit unterliegt nicht der Logik des Marktes (Was verkauft sich gut?) und der reinen Verwertbarkeit (Was bringt mir ein Zertifikat?) wie Angebote anderer Erwachsenenbildungseinrichtungen. Es beinhaltet Dauerbrenner z. B. aus dem Bereich der Sozialen Kompetenz oder dem Arbeitsrecht genauso wie klassische „politische“ Themen wie Antirassismus oder die Europäische Union – wobei de facto alle Themen in der gewerkschaftlichen Bildung auch politische Themen sind.
Gewerkschaftliche Bildung ist immer politische Bildung, weil es darum geht, die vermittelten Inhalte und die erworbenen Kompetenzen im gesamtpolitischen Kontext zu sehen, Verbindungen zwischen den Themen zu schaffen und Zusammenhänge herzustellen.
Martin Allespach, Hilbert Meyer und Lothar Wentzel beschreiben das in ihrem Buch „Politische Erwachsenenbildung“ folgendermaßen: „Eine politische Bildung, die ‚nicht Akzeptanzbeschaffung für bestehende gesellschaftliche Verhältnisse‘ ist, sondern ‚kritische Instanz zur Problematisierung gesellschaftlicher Widersprüche. Sie stellt den Anspruch, Politik zu entschlüsseln, Zusammenhänge durchschaubar zu machen und neue Perspektiven aufzuzeigen.‘“

Ziele und Besonderheiten

Die Fähigkeit zu analysieren, strategisch zu denken, zu argumentieren, mitzugestalten und vor allem auch über Grenzen hinweg zu denken und zu handeln ist wesentliches Ziel der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Und dabei sind sowohl die Grenzen im Kopf, die es manchmal zu überwinden gilt, gemeint, als auch ein transnationales Agieren über den eigenen Standort hinaus. Bildung ist nicht nur da, um Menschen fit für den Markt zu machen. Gewerkschaftliche Bildung hat deswegen eine ganz spezielle Rolle, da sie die Prinzipien der Kollegialität, der Solidarität vermittelt – Grundwerte, die die Basis jedes gewerkschaftlichen Handelns sind. Und gerade diese gewerkschaftliche Handlungskompetenz hat viel mit dem Aufbau von Haltungen zu tun und damit, selbstbewusst und auf gleicher Augenhöhe politisch zu argumentieren.
Es ist daher auch eine Besonderheit der gewerkschaftlichen Bildung, dass das Ziel nicht ist, den individuellen Marktwert zu erhöhen. Im Gegenteil, das Ergebnis dieses Lernprozesses ist sehr oft, dass die ArbeitnehmervertreterInnen danach verstärkt mit Konflikten und Auseinandersetzungen auf betrieblicher Ebene konfrontiert sind, wenn sie das Erlernte im Interesse der Beschäftigten umsetzen. Umso wichtiger ist es, die KollegInnen auch für diese Herausforderung mit Empowerment-Angeboten zu unterstützen und zu begleiten.
Das Ziel ist es, eine Aus- und Weiterbildung anzubieten, die aus der Praxis kommt, sich an den Herausforderungen der Arbeitswelt orientiert und GewerkschafterInnen in der Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen bestmöglich unterstützt. Dies gelingt nur durch Entwicklung und Stärkung des gewerkschaftlichen Bewusstseins, aus dem heraus erst Handlungs- und Konfliktfähigkeit entstehen kann.

Vom Wissen zum Handeln

Konkret bedeutet das, Seminare mit dem Schwerpunkt inhaltliche Fachkenntnisse anzubieten und Sachkompetenz zu vermitteln. Die Inhalte allein nützen jedoch nichts, wenn man nicht weiß, wie man z. B. Recht durchsetzen und verhandeln soll. Daher ist auch soziale Kompetenz wesentlich. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit endet hier aber nicht, denn es gehört schließlich dazu, das Erlernte auch im Betrieb anzuwenden, es umzusetzen und Handlungskompetenz zu beweisen. Zudem ist es aus gewerkschaftlicher Sicht wichtig, das Wissen an andere weiterzugeben und als MultiplikatorInnen aufzutreten.
Eine der Besonderheiten in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit ist die Heterogenität der TeilnehmerInnen – das spiegelt sich auch in den Angeboten wider. Die TeilnehmerInnen der einzelnen Seminare und Lehrgänge kommen aus unterschiedlichen Branchen, sind unterschiedlichen Alters und verschiedener Herkunft usw. Sie haben daher auch unterschiedliche Arbeits- und Lebensrealitäten, die in der Konzeption und Umsetzung berücksichtigt werden müssen.
Dies erfolgt einerseits innerhalb der einzelnen Angebote, andererseits gliedern sich die unterschiedlichen Angebote entlang dieser Zielgruppen. Es gibt Angebote für Gewerkschaftsmitglieder, die keine (oder noch keine) Funktion haben, wie Diskussionsveranstaltungen, Kulturangebote oder die Gewerkschaftsschule. Für ArbeitnehmervertreterInnen gibt es österreichweit eine Vielzahl an Seminaren und Lehrgängen von unterschiedlicher Dauer. Dazu gehören die Grundkurse und Spezialseminare der Gewerkschaften, zentral und regional angebotene Tagesseminare und mehrtägige Seminare ebenso wie die länger dauernden Lehrgänge: Gewerkschaftsschule, BetriebsrätInnenakademie (BRAK) oder Sozialakademie (SOZAK).
Die zweijährige Gewerkschaftsschule stellt dabei eine Besonderheit dar: Sie wird österreichweit regional angeboten, findet abends statt und ist sowohl für Gewerkschaftsmitglieder mit als auch ohne Funktion in der ArbeitnehmerInnenvertretung zugänglich. Für ArbeitnehmervertreterInnen gibt es darüber hinaus noch zusätzliche Spezialangebote je nach ihrer Funktion (Behindertenvertrauenspersonen, BetriebsrätInnen im Aufsichtsrat, Sicherheitsvertrauenspersonen, KonfliktlotsInnen, Europäische BetriebsrätInnen usw.).

Bindeglied

Aber auch ein spezielles Angebot für ReferentInnen und TrainerInnen, die in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig sind, gehört zur Palette dazu – in der ReferentInnenakademie erhalten sie eine Vielzahl an Train-the-Trainer-Angeboten. Das ist besonders wichtig, da die TrainerInnen und ReferentInnen als Bindeglied zwischen Gewerkschaft und TeilnehmerInnen eine Schlüsselfunktion haben. Im Rahmen der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit besitzt auch die gewerkschaftliche Kulturarbeit einen wichtigen Stellenwert. Sie verfolgt das Ziel, möglichst vielen ArbeitnehmerInnen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen.
Die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen wird vielfach als Bereicherung und Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag erlebt. Viele ArbeitnehmerInnen kommen jedoch viel zu selten in den Genuss von Kunst und Kultur. Die gewerkschaftliche Kulturarbeit umfasst dabei den Besuch von Veranstaltungen, Museen und Theateraufführungen genauso wie das aktive Mitwirken in Workshops (z. B. Schreibwerkstätten und Theaterworkshops).

Lernen darf Spaß machen

Bei all den beschriebenen Zielen und Besonderheiten ist eines klar: Das alles kann nur gelingen, wenn auch der Faktor Spaß nicht zu kurz kommt. Nur wenn die Inhalte auch emotional ankommen, ist Lernen wirkungsvoll. Mit anderen Worten: Es darf, nein, es muss auch gelacht werden. Denn auch das ist eine Besonderheit der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung.

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