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Symbolbild zum Bericht: Eine Frage des Geldes? Wenn die Schule die Inhalte nicht vermitteln kann, buttern Eltern viel Geld in Nachhilfe. Ganztägige Schulen könnten dem entgegenwirken.
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Eine Frage des Geldes?

Schwerpunkt

Mehr als 100 Millionen Euro geben Österreichs Eltern pro Jahr für Nachhilfe aus. Gratisangebote und ganztägige Schulformen können die Eltern entlasten.

Im Herbst 2014 starteten erstmals an allen Wiener Volksschulen kostenlose Lernhilfekurse in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Diese Neuerung hat sich bereits in den aktuellen Statistiken niedergeschlagen: Während die Ausgaben für Nachhilfeunterricht im vergangenen Jahr österreichweit leicht gestiegen sind, sind sie in der Bundeshauptstadt gesunken. Für die Nachhilfebranche sind dies aber noch keine schlechten Nachrichten, denn die Ausgaben für Nachhilfe sanken nur geringfügig von 40 auf 39,5 Millionen Euro. ExpertInnen begründen dies damit, dass Nachhilfe bei VolksschülerInnen seltener vorkommt und das Gratisangebot vielfach von jenen genutzt wurde, die ansonsten keine externe Nachhilfe engagieren würden bzw. sich diese nicht leisten konnten.

Mehr als 1.200 Kurse

Seit Februar 2015 wird der kostenlose Nachhilfeunterricht in diesen Fächern auch für die Sekundarstufe 1 (Neue Mittelschule und AHS-Unterstufe) angeboten. SchülerInnen bzw. Eltern können zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Direkt in den Schulen gibt es Semester-Lernhilfekurse mit Anmeldung, in sogenannten Lernstationen (meist an VHS-Standorten) können die SchülerInnen unangemeldet vorbeikommen und etwa vor einer Schularbeit kurzfristig Hilfe bekommen. Wird in der Lernstation der Bedarf nach langfristiger Unterstützung festgestellt, so ist die Einschreibung in einen Lernhilfekurs möglich. Falls nötig, werden auch im Semester neue Kurse eingerichtet.
Die im Mai 2015 auf Basis von Telefoninterviews mit mehr als 3.300 Eltern (mit rund 5.500 Kindern) veröffentlichte IFES-Studie im Auftrag der AK Wien zum Thema Nachhilfe ergab:

  • 36 Prozent der Haushalte mit Schulkindern nehmen externe Nachmittagsbetreuung (schulische Betreuung, Hort, Ganztagsschule) in Anspruch. Mehr als die Hälfte davon hat den Eindruck, dass während dieser Betreuung so gut geübt wird, dass keine Nachhilfe mehr nötig ist. Andererseits sehen 23 Prozent keine nennenswert positiven Effekte der Nachmittagsbetreuung auf den Nachhilfebedarf.
  • 57 Prozent der Eltern lernen täglich oder mehrmals pro Woche mit ihren Kindern oder kontrollieren die Aufgaben.
  • 40 Prozent aller befragten Eltern sind durch das Helfen und Beaufsichtigen beim Lernen und Aufgabenmachen zeitlich sehr belastet. Ein weiteres Drittel spricht von einer gewissen Belastung. Eine österreichweite AK-Studie zeigte 2014 deutlich positive Effekte von Ganztagsschulen: Dort lernen nur 24 Prozent der Eltern täglich mit den Kindern, während im Durchschnitt aller Formen der Nachmittagsbetreuung 40 Prozent zusätzlich selbst mit den Kindern lernen.
  • Nachhilfe wird sowohl regelmäßig während des ganzen Jahres als auch vor Schularbeiten und Prüfungen beansprucht, am häufigsten in Mathematik und Fremdsprachen.
  • Knapp die Hälfte der Eltern, die für externe Nachhilfe zahlen mussten, ist dadurch finanziell sehr stark bzw. spürbar belastet. Wobei die Kosten in der AHS-Oberstufe besonders hoch sind.
  • 42 Prozent der Wiener Eltern haben ein Schulkind, in dessen Schule regelmäßig Förderunterricht abgehalten wird, bei 30 Prozent gibt es diesen nur gelegentlich.

Die Studie bestätigt unter anderem zwei langjährige ÖGB-Forderungen: Ausbau der schulischen Fördermaßnahmen sowie mehr verschränkte Ganztagsschulen mit Unterricht, Üben und Freizeit über den ganzen Tag.

Hilfe im Netz

Digital Natives mit Eigeninitiative und Selbstdisziplin, aber ebenso Eltern mit Auffrischungs- oder Nachhilfebedarf können auch online Unterstützung finden. Auf  YouTube etwa gibt es die Videos der amerikanischen Non-Profit-Organisation Khan Academy auch auf Deutsch. Der Erziehungswissenschafter Salman Kahn nutzte bereits 2006 das Internet, um Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt kostenlosen Bildungszugang zu ermöglichen. Das Projekt, damals revolutionär, hat inzwischen über 2,3 Millionen AbonnentInnen weltweit und bietet 4.000 YouTube-Nachhilfevideos in 65 verschiedenen Sprachen an.
Die „coolste Nachhilfe Deutschlands“ bietet The simple Club in den Fächern Mathematik, Physik, Biologie, Chemie und seit Kurzem auch Wirtschaft. Keine Nachhilfe im Stil des typischen Bildungsfernsehens, aber den Online-Kommentaren nach zu schließen zumindest jugendgerecht. In jedem Fall haben Lern- und Nachhilfevideos auf YouTube theoretisch den Benefit, dass die sich UserInnen gegenseitig in Form von Postings auf die Sprünge helfen können.

Peer-to-Peer-Lernen

Höchstens zehn Euro pro Stunde soll es kosten, wenn SchülerInnen einander beim Lernen helfen – österreichweit vermittelt über eine Online-Plattform. Der Gedanke von Talentify ist, dass beide Seiten profitieren – die schwachen SchülerInnen, die eine Perspektive bekommen und gestärkt werden, und die NachhilfelehrerInnen, die das eigene Wissen vertiefen und außerdem ihre Sozialkompetenzen erweitern. Außerdem bietet Talentify auch Hilfe bei der „Lebensvorbereitung“ und will junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben begleiten. Es geht um Fragen wie „Wo liegen meine Talente? Was will ich einmal werden und was braucht es dazu?“. Geübt werden Zeitmanagement, Kommunikation, Lebensläufe schreiben etc.
Das geflügelte Wort „Gratis ist nichts wert“ stimmt im Bildungsbereich, wo zum Glück nach wie vor viele Angebote von der öffentlichen Hand finanziert werden, meist ganz und gar nicht. Kostenfreie Maßnahmen bieten manchmal mehr Bürokratie und weniger Flexibilität, aber sie sind weder minderwertig, noch werden sie gering geschätzt. Während Nachhilfeinstitute, Maturaschulen und Co in den Medien allgegenwärtig sind, sind Gratis-Angebote in der Regel auch ganz ohne Werbung ausgebucht – so wie etwa die staatlichen Abendgymnasien mit ihren sieben Standorten in ganz Österreich. Diese Schulen bieten berufsbegleitend erwachsenengerechte Unterrichtsmethoden, funktionieren aber im Wesentlichen ähnlich wie andere Gymnasien – inklusive kostenlosem Förderunterricht. Außerdem werden Fernkurse angeboten.

Nach der Matura

Erst seit einigen Jahren auf dem Bildungsmarkt sind die Vorbereitungskurse zu den kapazitätsbeschränkten Studienrichtungen (Veterinär-)Medizin, Publizistik und Psychologie. Laut einer Studie des Wissenschaftsministeriums sind die Kosten für diese Kurse aber in dieser relativ kurzen Zeit, konkret seit 2009, merklich gestiegen. Über ein Drittel der Medizin Studierenden investierte mehr als 500 Euro in die Vorbereitung für das Zulassungsverfahren. In den Fächern Architektur, Biologie, Informatik, Wirtschaft, Pharmazie, wo es erst seit 2013 Zugangsbeschränkungen gibt, konnten vielfach mangels Kapazitätsüberschreitung ohnehin alle TestteilnehmerInnen aufgenommen werden. Trotzdem gibt es auch hier kostenpflichtige Vorbereitungskurse.
„Erfreulicherweise wurden bei der Novelle des Universitätsgesetzes im vergangenen Oktober Schritte in die richtige Richtung gesetzt“, so Martha Eckl, Bildungsexpertin der AK Wien. Erstens muss künftig bei Aufnahme- oder Auswahlverfahren seitens der Universitäten sichergestellt werden, dass diese zu keinerlei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie der sozialen Herkunft führen. Zweitens: Der Prüfungsstoff muss ab dem Wintersemester 2019/20 auf der Homepage der Universität kostenlos zur Verfügung stehen. „Das spätere Inkrafttreten hat urheberrechtliche und praktische Gründe. Bis dahin kann der Prüfungsstoff auch auf andere geeignete Weise – aber jedenfalls kostenlos – bereitgestellt werden.“

Linktipps

AK-Studie: Nachhilfe in Wien 2015. Studienbericht:
tinyurl.com/q3nxx7u
AK-Studie: Nachhilfe in Österreich. Bundesweite Elternbefragung 2014:
tinyurl.com/pnhshay
VHS-Gratislernhilfe:
www.vhs.at/gratislernhilfe
Datenbank der Bildungsförderung:
www.kursfoerderung.at
Abendgymnasien in Österreich:
www.abendgymnasium.at

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afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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