topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Symbolbild zum Bericht
Neues aus der SOZAK

Wachstumsstörungen

Neues aus der SOZAK

Vom Jugendvertrauensrat zum Betriebsrat - auch Gewerkschaften brauchen Nachwuchs. Durch Mentoring kann dieser gefördert werden.

Ob Sportvereine, Cliquen am Ausbildungsplatz, Vereine, Organisationen oder politische Parteien, sie alle verbindet eine Herausforderung: Nur die wenigsten Freiwilligen bleiben. Die einen gründen eine Familie, die anderen ziehen fort, oftmals lebt man sich einfach „auseinander“, entwickelt andere Interessen oder kann sich mit der Peergroup nicht mehr identifizieren. Auch die Gewerkschaftsjugend ist vor solchen Entwicklungen nicht gefeit. Es können persönliche Gründe sein, weshalb Jugendliche sich nach der Lehre nicht für eine Kandidatur zum Betriebsrat zur Verfügung stellen wollen. Andere Ursachen sind der Wechsel des Wohnortes oder gar des Betriebes, Familiengründung oder eine andere Ausbildung. Manchmal besteht auch keine realistische Chance, dass ein Betriebsratsmandat frei wird, somit bleibt auch kein Platz für Nachwuchs. Bisweilen scheitert eine Kandidatur auch am Widerstand von BetriebsrätInnen, die verhindern wollen, dass Junge nachkommen – nicht nur, weil sie Veränderungen fürchten, sondern vielleicht auch, weil sie mit JugendvertrauensrätInnen oder jungen Betriebsratsmitgliedern keine guten Erfahrungen gemacht haben.

Zentraler Stellenwert
Das Nachwuchsproblem wird auch bei den Gewerkschaften kaum wahrgenommen oder die Suche einfach den Jugendabteilungen überlassen, bei denen jedoch oft selbst die Motivation und Interesse an der Betriebsratsarbeit fehlen oder – sofern diese überhaupt vorhanden sind – schwinden. Dabei hat die Jugendarbeit bei den Gewerkschaften einen zentralen Stellenwert. Denn die Jugendabteilungen versuchen nicht nur, junge Menschen für die Gewerkschaftsarbeit zu begeistern, zu motivieren und somit junge Mitglieder zu gewinnen, sondern sie bilden auch junge GewerkschafterInnen aus und gründen Jugendvertrauensräte. Wenn jedoch nur wenige ihren Weg als BetriebsrätInnen weitergehen, entsteht eine große Lücke – viel Erfahrung und Talent gehen verloren.
Stefan Bartl (GBH), Michael Dedic (GdG-KMSfB), Michael Oppenberger (PRO-GE), Alexander Sollak (GPF) und Georg Steinbock (vida) haben sich im Jahr 2012/2013 diesem herausfordernden Thema gestellt. Im Rahmen ihrer SOZAK-Abschlussarbeit haben sie sich intensiv mit der Nachwuchsförderung in den ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen beschäftigt, mit dem Ziel, die Gewerkschaften mit diesem Problem zu konfrontieren. Gleichzeitig entwickelten sie einen Ratgeber, der BetriebsrätInnen dabei unterstützen soll, vorhandenes Potenzial weiter zu nutzen und einen reibungslosen Übergang vom Jugendvertrauensrat zum Betriebsrat sicherstellen zu können. Sie präsentieren auch mehrere Lösungsansätze, die bereits von Gewerkschaften in die Tat umgesetzt wurden.

Handbuch Mentoring
Kern ihrer Arbeit ist jedoch ein umfangreicher Leitfaden, „Mentoring für Gewerkschaft, Betriebsrat und Personalvertretung“, der Betriebsratskörpern und Gewerkschaften als Unterstützung dienen kann, um das Mentoring korrekt in der eigenen Organisation zu implementieren und umzusetzen. Als Literaturquelle nennen die Autoren ein Frauenförderprogramm der deutschen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie das „GEW-Handbuch Mentoring“. „In einer geschützten, auf persönlichem Austausch basierenden Beziehung soll individuelles Potenzial erkannt, gefördert und umgesetzt werden“, sagen die Autoren in ihrem Ratgeber.

Mentor und Odysseus
Vielleicht hatten auch Sie einen Mentor oder eine Mentorin, der oder die Ihnen Wissen weitergegeben, Sie gefördert und gefordert hat? Ein/e LehrerIn, ein/e ehemaliger Vorgesetzte/r, ein/e AusbildnerIn oder gar einfach nur ein/e Bekannte/r Ihrer Familie? Eine Person, der Sie bis heute dankbar sind, die teilweise dafür verantwortlich ist, wer Sie heute sind und wo Sie heute stehen? Das Wort „Mentor“ selbst stammt – wie sollte es auch sonst sein – aus der griechischen Mythologie, denn Mentor war ein Freund des Odysseus und Lehrer und Erzieher von dessen Sohn Telemach. Seither gilt Mentor als Bezeichnung für die Rolle eines Beraters oder einer Ratgeberin, der oder die eigene Erfahrungen und Wissen an die sogenannten „Mentees“ weitergibt, um diese zu fördern. Sogar während des Mentoring-Prozesses werden neue Erfahrungen, neues Wissen und neue Erkenntnisse gewonnen.
Mentoring ist jedoch nicht nur ausschließlich im beruflichen Bereich möglich, es kann auch im persönlichen Umfeld stattfinden. Für alle Formen von Mentoring-Beziehungen sollte jedoch eines grundlegend sein: Es handelt sich um eine gleichberechtigte Austauschbeziehung, geschlechtsneutral, freiwillig, vertraulich und trotz eventueller Alters- und Erfahrungsunterschiede nicht hierarchisch geprägt, ohne Weisungsbefugnis.
Gemäß den Autoren ist Mentoring eine hervorragende Maßnahme, um den Generationenkonflikten innerhalb der einzelnen Gewerkschaften und Betriebsratskörperschaften entgegenzuwirken. Denn in diesem Rahmen kann geistiges Kapital von GewerkschafterInnen mit Erfahrung an die noch unerfahrenen BetriebsrätInnen und FunktionärInnen weitergegeben werden. „Das gemeinsame Interesse, zu wachsen, ist stärker als die Befürchtung, sich nicht zu verstehen“, sagen sie. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Arten der Personalentwicklung, sei es im Rahmen von Trainings oder Seminaren, handelt es sich beim Mentoring um eine berufsbegleitende Art von Fortbildung, die für alle MitarbeiterInnen eingesetzt werden kann. Das Grundkonzept kann flexibel je nach Bedürfnis und Zielsetzung an die verschiedensten TeilnehmerInnen angepasst werden. Da der Mentee die Inhalte und Ziele selbst bestimmen kann, bleiben mehrere Möglichkeiten der Weiterentwicklung offen, und die Person lernt während des Mentorings nicht nur, zunehmend Verantwortung zu übernehmen und effizient zu arbeiten, sondern kann auch die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen besser entwickeln und entfalten.

Kein Protektionismus
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Mentoring-Beziehungen entstehen können. Einerseits können sie ganz zufällig entstehen, indem der/die Erfahrenere den „Neuling“ unterstützt und fördert. Es gibt aber auch strukturierte Programme, die Mentoring-Beziehungen systematisch bilden können. Letztere haben den Vorteil, dass Beziehungen entstehen, die sonst nie zustande gekommen wären. Diese Programme sind auf einen Zeitraum, meist ein bis eineinhalb Jahre, festgelegt, können jedoch weitergeführt werden. Um zu verhindern, dass Mentoring innerhalb der Organisation mit Protektionismus verwechselt wird, sind diese Programme offiziell und transparent und werden in interne und externe Programme der Organisation integriert.
Bei Erscheinen des Ratgebers konnten die Autoren auf keine Erfahrungswerte mit strukturierten Mentoring-Programmen innerhalb der österreichischen Gewerkschaften zurückgreifen. In Deutschland hingegen konnten einige Gewerkschaften bereits einige Erfahrungen sammeln. Da Frauen in vielen gewerkschaftlichen Bereichen unterrepräsentiert waren, wurden hauptsächlich Frauen, die in der Gewerkschaft entweder berufstätig oder auf freiwilliger Basis aktiv waren, in verschiedenen Mentoring-Programmen gefördert. So wurden im Mentoring-Programm „VERA“ der Deutschen Postgewerkschaft vor allem junge Gewerkschaftssekretärinnen unterstützt, die innerhalb eines Jahres durch erfahrenere Kolleginnen betreut und gefördert wurden. Nach der Teilnahme übernahmen die ehemaligen Mentees verschiedenste Funktionen, die dem Bundesvorstand von ver.di unterstehen.

Weiterentwicklung
Ein weiteres Programm der deutschen Gewerkschaft Nordbaden wurde bereits im Jahr 2000 umgesetzt. Zielgruppe waren ebenfalls Frauen, die eine Karriere in gewerkschaftlichen Funktionen oder eine berufliche Veränderung anpeilten. Mentorinnen waren Kolleginnen in der Gewerkschaft und Schulleiterinnen, die ganz entsprechend den Zielen der Mentees eingesetzt wurden, sodass diese sich in gewerkschaftlichen und schulischen Funktionen weiterentwickeln konnten.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum