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Symbolbild zum Bericht Teilzeitbeschäftigung boomt hierzulande, allerdings aus den falschen Gründen: Weil sie erzwungen wird oder wegen mangelnder Kinderbetreuungseinrichtungen.
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Teilzeit - Luxus oder Problem?

Schwerpunkt

Damit der Spagat zwischen Beruf und Familie gelingt, arbeiten immer mehr in Teilzeit. Manche wünschen sich einfach nur mehr Freizeit.

Teilzeit ist ein Thema, an dem sich die Geister scheiden und die Gemüter erhitzen. Nicht nur die Ansichten der ArbeitnehmerInnen liegen weit auseinander, auch die Politik ist sich uneinig, wie man damit umgehen soll. Auf der einen Seite argumentiert die Wirtschaft, dass Beschäftigte freiwillig weniger Zeit im Büro verbringen möchten, andererseits wird die hohe Teilzeitquote in Österreich sehr kritisch betrachtet und gilt als einer der Gründe für Altersarmut bei Frauen. Denn Teilzeit ist noch immer weiblich. „Fast jede zweite Frau geht einer Teilzeitbeschäftigung nach. Niedriglöhne führen zu Niedrigpensionen und damit zu Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen sind“, warnt Renate Anderl, ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende. Die Beweggründe der betroffenen Frauen sieht sie auch nicht in der Freiwilligkeit, vielmehr lasse das Angebot an Plätzen in Kinderbildungseinrichtungen und familienfreundlichen Jobs zu wünschen übrig.

Freie Wahl?
Trotz vorhandener Unstimmigkeit zweifelt kaum jemand noch an der Tatsache, dass Teilzeitbeschäftigung hierzulande boomt und immer mehr an Gewicht gewinnt. Insgesamt stieg die Teilzeitquote im Vergleich zum Vorjahr von 28,2 auf 28,6 Prozent, allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern, denn bei den Frauen sind es 48 Prozent, bei den Männern lediglich 11,2 Prozent. Frauen, die in Chefetagen sitzen, und Männer, die wegen der Kinder Teilzeit arbeiten und somit die traditionelle Rollenverteilung aufbrechen, gibt es zwar, sie sind jedoch sehr selten.
Wie Statistiken zeigen, verzichtet in der Regel noch immer die Frau auf die Karriere und kümmert sich um die Familie – so wie die Genetikerin Stefanie W. „Aufgrund fehlender Kinderbildungseinrichtungen und Öffnungszeiten, die eine Vollzeitbeschäftigung nicht ermöglichen, ist es mir leider nur möglich, in Teilzeit zu arbeiten. Im Sommer müssen sogar die Großeltern einspringen“, sagt sie und fügt hinzu, dass sich die Teilzeitbeschäftigung negativ auf das Haushaltseinkommen der Familie auswirkt. Kinderbetreuung und Pflegebetreuung von Angehörigen werden als häufigste Gründe dafür genannt, weshalb die Betroffenen nicht Vollzeit arbeiten. Es gibt aber auch Arbeitnehmerinnen, die Teilzeit aus anderen Gründen wählen, etwa weil sie einfach mehr Freizeit haben wollen. Sandra K. ist 38 Jahre alt und Mutter zweier Kinder. „Mittlerweile sind die Kinder relativ selbstständig, nichtsdestotrotz möchte ich nicht wieder auf Vollzeit umsteigen. Ich genieße meine freie Zeit, wenn ich zu Hause bin“, erzählt die Handelsangestellte.

Luxus oder Problem?
Schaut man sich die Aussagen der beiden Mütter an, ist es schwer, zu beurteilen, ob Teilzeit nun eher Luxus oder Problem ist. In den vergangenen Jahren wurden Tausende Vollzeitjobs durch Teilzeitstellen ersetzt. Auch wenn einerseits der Wunsch bei ArbeitnehmerInnen nach Teilzeit vorhanden ist, ist diese nicht immer gewollt. Viele Teilzeitbeschäftigte können nicht aufstocken, obwohl sie das möchten. In einem sind sich viele ExpertInnen aber einig: Die Arbeitswelt hat sich verändert, Beschäftigte sind immer häufiger Stresssituationen ausgesetzt und vor allem junge Menschen möchten weniger arbeiten. Nicht weil sie faul sind, sondern weil ihnen auch ihre Freizeit wichtig ist. Das zeigt, dass die Zeit definitiv reif ist für neue Ansätze in der Unternehmenskultur.

Halbtagsführung
ÖGB-Frauen und andere Frauenorganisationen kritisieren immer wieder die Tatsache, dass die Wirtschaft nach wie vor fast ausschließlich Vollzeitjobs in Führungspositionen anbietet. Das führt dazu, dass Frauen in der Chefetage total unterrepräsentiert sind, obwohl sie mittlerweile sogar besser ausgebildet sind als Männer. Qualifizierte Teilzeit und geteilte Führungsmodelle, die Frauen wie Männern ein angemessenes Einkommen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen könnten, werden von Unternehmen selten praktiziert. Möglich wäre dies aber, wie die s Bausparkasse zeigt: Schon von Anfang an führte eine weibliche Führungskraft ihr Team in einer der größten Abteilungen in Teilzeit. Ein Hindernis auf dem Weg zu Führungsfunktionen oder Beförderungen ist es nicht. In Zukunft soll die Belegschaft in dieser Hinsicht noch stärker sensibilisiert werden.

Vorteile und Risiken
Auch andere Unternehmen versuchen, Maßnahmen zu setzen, um ArbeitnehmerInnen die richtige Balance zwischen Beruf und Familie zu ermöglichen. Laut eigenen Angaben bietet Microsoft Österreich unterschiedliche Arbeitszeitmodelle an – ganz nach dem Motto: „My office is where I am.“ Durch den Einsatz von innovativen Technologien besteht die Möglichkeit, völlig ortsunabhängig zum Beispiel im Home-Office zu arbeiten. Die Gewerkschaft GPA-djp sieht bei diesem Modell einige Vorteile für die ArbeitnehmerInnen. „Beschäftigte sind freier in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und können daher ihren Arbeitsalltag oft leichter organisieren. Fahrtzeiten und verkehrsbedingte Zeitverluste werden geringer. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann dadurch einfacher werden“, erklärt Eva Angerler aus der Abteilung Arbeit und Technik in der GPA-djp.
Diese Form der Arbeit beinhalte aber Risiken. Um auf der sicheren Seite zu sein, rät die Gewerkschaft, die Rahmenbedingungen für die Telearbeit in einer schriftlichen Vereinbarung zu regeln und nicht zwischen Tür und Angel unverbindlich zu besprechen. Dazu bietet die GPA-djp Musterbetriebsvereinbarungen an. Dort finden sich Bestimmungen darüber, wer welche Arbeitsmittel zur Verfügung stellt bzw. wer die Kosten dafür trägt. Enthalten sind auch Vereinbarungen, wie die betrieblichen Daten einerseits und die Privatsphäre der (Tele-)ArbeitnehmerInnen andererseits geschützt werden und wer für Schäden an den Arbeitsmitteln aufkommt. Wie der IT-Konzern bietet auch der Handelsriese Billa seinen MitarbeiterInnen, von denen knapp 60 Prozent in Teilzeit arbeiten, neben Gleitzeit auch die Möglichkeit von Home-Office. Zusätzlich erfolgt die individuelle Arbeitszeiteinteilung in Absprache mit der Führungskraft, die bei familiären Herausforderungen spontan reagieren kann und soll. Dazu wurde eine eigene Infobroschüre erstellt. 

Armutsgefährdung verhindern
Teilzeitarbeit ist in bestimmten Lebensphasen eine wichtige und sinnvolle Alternative zur Vollzeit. Um echte Chancengleichheit am Arbeitsmarkt vorzufinden, darf sich Teilzeit aber in Zukunft nicht weiter negativ auf die Karriere auswirken – und sie darf nicht dazu führen, dass ArbeitnehmerInnen deshalb armutsgefährdet sind. Unternehmen müssen Teilzeitbeschäftigten auch einen Entwicklungsraum bieten und den Arbeitsalltag so organisieren, dass der Austausch im Team trotz Teilzeitarbeit nicht zu kurz kommt.

Kinderbetreuung ausbauen
Damit Frauen, die vor allem von Teilzeit betroffen sind, die freie Wahl haben, sind Maßnahmen wie flächendeckende und leistbare Kinderbildungseinrichtungen notwendig. Denn auch wenn Teilzeit die gewünschte Arbeitszeit ist, ist sie nicht immer umsetzbar. Die Arbeitswelt ist komplexer geworden und verlangt auch von Teilzeitbeschäftigten Flexibilität. „Es ist höchste Zeit, den flächendeckenden Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen voranzutreiben“, fordert Anderl. „Alle Eltern, von Wien, Eisenstadt über Linz bis hin zu Bregenz, müssen die gleichen Voraussetzungen vorfinden, um ihrer Beschäftigung nachgehen zu können, ohne sich ständig Gedanken machen zu müssen, wer die Betreuung der Kinder übernimmt. Dazu gehören auch bedarfsorientierte Öffnungszeiten, auch in den Sommermonaten, die das ermöglichen.“

Nachlese
Arbeit&Wirtschaft 09/2013:
„Die doppelte Pfeilspitze aus Simmering“

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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