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Symbolbild zum Bericht Pflanzen verbessern nicht nur die Luftqualität, Menschen fühlen sich in grüner Umgebung wohler und sind auch produktiver.
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Pausen(t)räume

Schwerpunkt

Gestaltung und Ausstattung entscheiden ganz wesentlich mit, ob sich die Beschäftigten im Pausenraum wohlfühlen und wirklich erholen können.

Open House im Microsoft-Headquarter: Der Andrang ist groß, Menschen aller Altersgruppen besichtigen die 2011 neu gestalteten Räumlichkeiten in Wien-Meidling. Klassische (Großraum-)Büros gibt es nur wenige, denn die meisten Microsoft-Beschäftigten arbeiten mobil. Ruhe- und Arbeitszonen sind dank Accessoires wie Buddha-Statuen, Sitzsäcken oder bunten Hockern meist nicht eindeutig zu unterscheiden – die perfekte architektonische Umsetzung der entgrenzten Arbeitswelt. Für Staunen sorgt ein in Schwarz gehaltener, kleiner fensterloser Raum, der nur mit Chaiselongue möbliert und mit bunten LED-Leuchten spärlich beleuchtet ist. Hierher können sich all jene vorübergehend zurückziehen, die sich angesichts von durchgehenden Fensterfronten sowie transparenten Türen und Trennwänden in den Loft-ähnlichen Räumen allzu sehr beobachtet fühlen.

Arbeitsstättenverordnung
Abseits der neuen Welt der Arbeit mit Designermöbeln, Desk-sharing und Darkroom gibt es auch einige Unternehmen, die es ganz anders versuchen. Dort machen beispielsweise alle MitarbeiterInnen gleichzeitig Mittagspause und kochen bzw. essen gemeinsam. In manchen Firmen soll das sogenannte Power-napping in speziellen Ruheräumen durchaus möglich sein. Der Bogen in puncto Pausenkultur reicht von Vorzeigeprojekten bis zum spartanischen Sozialraum mit Holzbänken, Neonlicht und Kalenderblättern an der Wand.
Laut Arbeitsstättenverordnung sind Aufenthaltsräume dann zur Verfügung zu stellen, wenn regelmäßig gleichzeitig mehr als zwölf ArbeitnehmerInnen anwesend sind, die nicht den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit an auswärtigen Arbeitsstellen oder Baustellen verbringen. Unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten sind – sofern kein anderer Raum zur Erholung oder zum Essen vorhanden ist – Aufenthaltsräume zur Verfügung zu stellen:
•  für ArbeitnehmerInnen, die mehr als zwei Stunden pro Tag im Freien beschäftigt werden;
•  für ArbeitnehmerInnen, die in Arbeitsräumen beschäftigt werden, die nicht zur Erholung oder zur Einnahme von Mahlzeiten während der Arbeitspausen geeignet sind (z. B. wegen Lärm, Erschütterungen, üblen Gerüchen, Schmutz, Staub, Hitze, Kälte, Nässe oder gefährlichen Arbeitsstoffen).
Die Verordnung legt außerdem ziemlich genau fest, wie diese Aufenthaltsräume hinsichtlich Größe, Helligkeit, Temperatur oder Luftqualität beschaffen sein sollten. Im Übrigen gelten für Bereitschaftsräume ähnliche Vorschriften.

Verbesserungsbedarf
Während es in größeren Unternehmen und Organisationen zum Teil sowohl eine Kantine als auch eine Teeküche bzw. einen Pausenraum gibt, ist die Situation in manchen Branchen und Betrieben durchaus verbesserungswürdig. In vielen Einkaufszentren gibt es keine Pausen- oder Aufenthaltsräume für die Angestellten. Die Center-Restaurants stellen keinen gleichwertigen Ersatz dar. „Vor allem bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt sind Zeiten, wo man sich zurückziehen kann und seine Ruhe hat, der ständigen Musikberieselung entfliehen kann, unentbehrlich“, so Psychotherapeutin Rotraud Perner. „Es mag sein, dass einem die Ruhe ungewohnt vorkommt. Aber das ist ähnlich wie bei Entzugserscheinungen: Nicht alles, was man vermisst, ist auch gesund.“
„Beschäftigte, die viel unterwegs sind, wie AußendienstmitarbeiterInnen oder etwa MitarbeiterInnen bei mobilen Pflegediensten, haben häufig weder die Zeit noch die Gelegenheit, in Ruhe Pause zu machen und sich eine halbe Stunde zu entspannen“, berichtet Isabel Koberwein, Arbeitszeit-Expertin der GPA-djp. „Das führt nicht nur zu erhöhten Stressbelastungen bei diesen Berufsgruppen. Es ist auch deshalb ungesund, weil die Möglichkeit, sich ausgewogen zu ernähren, deutlich eingeschränkt ist.“
Aber selbst wenn ein gut ausgestatteter Pausenraum vorhanden ist, gibt es Gründe, diesen nicht zu nutzen. Denn gar nicht so wenige ArbeitnehmerInnen finden wegen erhöhten Arbeitsanfalls oder starken Kundenandrangs keine Zeit für eine längere Pause. Laut IFES-Umfrage hält rund ein Viertel der Beschäftigten höchstens gelegentlich die Pausenzeiten ein. Oft muss dann ein schneller Snack direkt am Arbeitsplatz reichen. Diese Art der „Pausenabstinenz“ geschieht übrigens meist aus Pflichtbewusstsein und nur selten auf Anordnung von Vorgesetzten.
In größeren Gebäudekomplexen sind manchmal die Wege zu den Pausenräumen relativ lang, sodass die Räumlichkeiten nicht ausreichend genutzt werden. „Da kann der Pausenraum noch so gut gestaltet sein: Wenn man für Hin- und Rückweg insgesamt 10 von 30 Minuten einkalkulieren muss, dann wird die Pause eben anderswo verbracht oder überhaupt verkürzt“, weiß Isabel Koberwein.

Optimal ausgestattet
Besonders in modernen, offenen Bürolandschaften sind Rückzugsmöglichkeiten, die tatsächlich Abstand von Stress und Hektik bieten können, essenziell. Neben Basics wie Sitzgelegenheiten, Kaffeemaschine oder Mikrowelle gibt es viele Möglichkeiten, Sozialräume ansprechend und den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. So kann man Gelegenheiten zur Verfügung stellen, um Smartphones aufzuladen, WLAN anbieten sowie Tageszeitungen und Fachzeitschriften auflegen. Eine gut sichtbare Uhr sorgt dafür, dass trotz ansprechendem Ambiente nicht auf die Zeit vergessen wird. Auch eine angenehme Farbgestaltung kann viel ausmachen: Geschmäcker sind zwar verschieden, aber trotzdem müssen nicht immer Grau, Schwarz und Beige dominieren. Ein Nonplusultra an Entspannung bieten Massagesesseln oder -auflagen. Auch die Ausstattung eines Raums mit Holz hat positive Wirkungen auf die Gesundheit. In einer Pilotstudie des Instituts für Nichtinvasive Diagnostik am Forschungszentrum Joanneum stellte sich heraus, dass durch Holz der Stresslevel sinkt und damit auch der Puls (minus sechs Schläge pro Minute).

Großzügige Begrünung
Pflanzen verbessern nicht nur die Luftqualität, mehrere Untersuchungen haben ergeben, dass sich Menschen in „grüner“ Umgebung wohler fühlen und produktiver sind. Wo Ficus, Fensterblatt, Grünlilie und Co direkt am Arbeitsplatz nicht möglich sind (etwa in Produktionsbetrieben), wäre die großzügige Begrünung des Pausenraums daher besonders empfehlenswert.
BetriebsrätInnen haben ein Mitspracherecht bei der Gestaltung von Pausen- und Bereitschaftsräumen. Das gilt nicht nur für Neubauten und Adaptierungen. Wer hier für die KollegInnen etwas verbessern möchte, wird durch eine (anonyme) Umfrage nach Wünschen für den optimalen Pausenraum sicher einige Anregungen bekommen. Denn was nützt der teuerste Kaffee-Vollautomat, wenn die meisten Beschäftigten womöglich lieber Tee trinken? Anschaffungen, die an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden vorbeigehen, kommen teuer und sorgen unter Umständen sogar für Unmut, weil sich manche dadurch vielleicht übergangen fühlen.
„Dafür haben wir jetzt nicht die Mittel“ ist ein häufiges Argument gegen Veränderungen. Horst Stöbich, Betriebsrat in Oberösterreich, hat sich gemeinsam mit seinen KollegInnen erfolgreich für den Erhalt des Team-Pausenraums in einem Wohnheim für mehrfach behinderte Menschen eingesetzt. Der liebevoll eingerichtete Raum sollte dem Büro des neuen Wohnheimleiters weichen und in den Keller verlegt werden. „Wie überall im Sozialbereich ist auch bei uns das Geld knapp und größere Investitionen waren im Budget nicht eingeplant. Aber letztendlich haben wir erreicht, dass durch einen Holzanbau über einer ungenützten, renovierungsbedürftigen Terrasse zusätzlich Raum geschaffen wurde und unser Pausenraum erhalten geblieben ist.“ Horst Stöbich (ARCUS Sozialnetzwerk) erhielt 2011 den ersten Preis beim GPA-djp-Fotowettwerb „Mein Pausen(t)raum“.

Linktipps
Arbeitsstättenverordnung:
www.arbeitsinspektion.gv.at/astv/astv.htm
Praxisbeispiel für optimale Pausenraumgestaltung:
tinyurl.com/odobybl

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin office@astrid-fadler.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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