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Symbolbild zum Bericht Im Netz entwickelt sich schnell eine eigene Dynamik. In kaum einem anderen Kommunikationsraum finden solche Mechanismen des Sich-Anbrüllens statt.
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Wer Hass sät, wird Entlassung ernten

Schwerpunkt

Hass-Postings in sozialen Medien können den Job kosten. Der scharfe Ton im Internet stellt das Arbeitsrecht und Gewerkschaften vor neue Herausforderungen.

Jürgen H. hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ihn die sechs Worte, die er auf Facebook postete, seine Lehrstelle kosten würden. Ende Juli schrieb der 17-jährige Mechanikerlehrling aus Wels „Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung“ unter das Foto der Freiwilligen Feuerwehr Feldkirchen, auf dem sich ein sechsjähriges syrisches Mädchen über die Wassersprenger der Feuerwehr freute. Facebook-NutzerInnen konfrontierten den Arbeitgeber des Lehrlings, das Porsche-Autohaus Wels, mit dem Kommentar und dieser reagierte unmittelbar: Der Lehrling, zugleich Vorsitzender des Jugendvertrauensrates, wurde sofort entlassen. Wenige Tage später verloren weitere ArbeitnehmerInnen ihren Job wegen hetzerischer Postings gegen Flüchtlinge auf Facebook. Gewerkschaftspolitisch sind diese Fälle aus mehreren Gründen interessant: Was bedeutet es für die Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen, wenn Arbeitgeber willkürlich über die – wenn auch noch so bedenklichen – Freizeitaktivitäten ihrer MitarbeiterInnen richten? Welche Herausforderungen ergeben sich aufgrund der eigenwilligen Kommunikation in sozialen Medien für das Arbeitsrecht? Wie wollen sich Gewerkschaften in diesen Diskussionen positionieren?

Angst vor dem Shitstorm
Die Reaktionen der Unternehmen spalten die Gemüter. Die einen applaudieren laut, weil für sie Unternehmen mit den Entlassungen und Kündigungen ein Exempel gegen hetzerische Kommentare statuierten, die anderen kritisieren das Handeln der Arbeitgeber als zu hart oder als Schnüffeln in der Privatsphäre der MitarbeiterInnen. Es liegt auf der Hand, dass die Unternehmen nicht nur aus Menschlichkeit gegenüber den Flüchtlingen gehandelt haben. Porsche ist extrem unter Zugzwang gekommen. Mehrere NutzerInnen hatten den Arbeitgeber auf der Facebook-Seite und auch per Mail mit dem Kommentar ihres Lehrlings konfrontiert. Porsche fürchtete einen enormen Shitstorm, eine Hetze gegen das Unternehmen, wenn es nicht rasch und zur Zufriedenheit der aufgebrachten Meute handelte.

Willkür der Arbeitgeber
Lehnen sich Arbeitgeber nicht zu weit aus dem Fenster, wenn sie aufgrund privater Aussagen ihrer Beschäftigten mit harten beruflichen Konsequenzen reagieren? Grundsätzlich sind Hass-Postings auf Facebook, Twitter oder anderen Social-Media-Kanälen ein strafrechtliches Problem. Es ist zu prüfen, ob Verhetzung oder Aufforderung zur Gewalt nach dem Strafgesetzbuch (StGB) vorliegt. In dem Fall sind Entlassungen arbeitsrechtlich jedenfalls zulässig. Weder Porsche noch die anderen Arbeitgeber haben die Gerichtsurteile abgewartet, sondern vorher selbst „gerichtet“. Ob auch dieses Handeln arbeitsrechtlich legitim ist, könne nur im Einzelfall beantwortet werden, meint der AK-Arbeitsrechtsexperte Hannes Schneller. Wenn die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin nicht länger zumutbar ist, spreche jedoch vieles für eine Entlassung. „So weit hätte es aber gar nicht kommen müssen“, meint der Rechtsexperte. „Eine Anzeige strafrechtlicher Handlungen durch Facebook-Nutzer bei den zuständigen Behörden ist eine Sache, das Denunzieren beim Arbeitgeber eine andere.“ Die Fälle machen deutlich, dass die Grenzen zwischen öffentlich und privat nicht nur im Internet längst verschwommen sind. Hätte der Lehrling seinen Arbeitgeber nicht in seinem Facebook-Profil bekannt gegeben und wäre daraufhin nicht die Gefahr eines Shitstorms gegen diesen im Raum gestanden, hätte der Lehrling womöglich seine Lehrstelle behalten. Das Problem sei die Willkür der Arbeitgeber, meint der Social-Media-Experte Thomas Kreiml von der GPA-djp: „ManagerInnen spielen sich nun zu sanktionierenden Instanzen auf, weil sie sich um die PR ihres Unternehmens sorgen.“ Selbst wenn arbeitsrechtlich ein Entlassungsgrund gegeben ist, sei die Frage: Auf Grundlage welcher Informationen treffen Arbeitgeber Entscheidungen bis hin zu Entlassungen? Porsche hätte sich auch anders entscheiden können, wie beispielsweise der ÖAMTC, der seinen Mitarbeiter nach einem hetzerischen Posting verwarnt und nicht sofort entlassen hatte. Kreiml plädiert dafür, bei arbeitsrechtlichen Entscheidungen auch die Besonderheiten der Netzkommunikation zu berücksichtigen.

Nicht Fisch, nicht Fleisch
Die technologischen und kommunikativen Besonderheiten von Social-Media-Plattformen verleiten dazu, sich hemmungsfreier und offensiver mitzuteilen. Im Netz entwickelt sich schnell eine eigene Dynamik, ein gegenseitiges Aufschaukeln, so als würde man in kurzer Zeit die Lautstärke voll aufdrehen. In kaum einem anderen Kommunikationsraum finden solche Mechanismen des Sich-Anbrüllens statt wie in sozialen Medien. Diese Emotionen sind ansteckend, Hass ist ansteckend. Das mag auch daran liegen, dass in Online-Diskussionen nonverbale Signale fehlen – wir können weder Gestik, Mimik noch Tonfall der Poster interpretieren. „Gerade dieses Fehlen nonverbaler Signale führt dazu, dass Menschen harscher und ungezügelter werden“, schreibt die „profil“-Redakteurin Ingrid Brodnig in ihrem Buch „Der unsichtbare Mensch“. Laut Brodnig habe zum Beispiel der Augenkontakt eine aggressionshemmende Wirkung. „Diese Kommunikationstücken, vor allem die Aufschaukelungs- und Eskalationsgefahr bei Online-Postings, werden von der Rechtsprechung zu wenig berücksichtigt“, kritisiert Schneller.

Sozialen Medien wohnt aber nicht nur eine eigene Art der Kommunikation inne, sondern auch ein besorgniserregender Gewöhnungseffekt. Wenn die Betreiber einer Plattform fremdenfeindliche Äußerungen zulassen, dreht sich die Spirale von „Hass-Postings“ schnell weiter. In den Online-Debatten um Asylwerbende in Österreich wird das derzeit allzu häufig deutlich. Der Antirassismus-Verein ZARA schlägt bereits Alarm wegen des Ausmaßes an hetzerischen und rassistischen Kommentaren im Netz. Postings wie „Alle in einen Betonbunker und Bombe rein“ oder „Asylflut an der Grenze stoppen, bevor wir alle vergasen müssen“ sind täglich zu lesen und Indizien einer „besorgniserregenden Entwicklung, der Einhalt geboten werden muss“, so ZARA. Viele solcher Postings blieben bisweilen folgenlos, da Verhetzung mindestens 150 Personen erreichen musste, um strafrechtlich relevant zu sein. Ab 1. Jänner 2016 wird es für Hass-Poster enger: Mit der Novelle des Verhetzungsparagraphen braucht es künftig nur mehr ein Publikum von 30 Personen – eine Zahl, die online problemlos erreicht werden kann. Justizminister Wolfgang Brandstätter kündigte mit der Reform an: „Wer Hass sät, wird Gefängnis ernten.“

Die SpielerInnen im Feld
Die Hetze im Netz wird in Zukunft noch öfter die Gerichte und Arbeitgeber befassen, ist der Arbeitsrechtler Hannes Schneller überzeugt. Unternehmen haben sich bereits als Player in diesem komplexen Geflecht aus arbeitsrechtlichen, gesellschafts- und vor allem auch gewerkschaftspolitischen Fragen positioniert. Gewerkschaften haben bisher zu keiner der Entlassungen oder Kündigungen offiziell Stellung genommen. „Gewerkschaften bestimmen den Diskurs nicht mit, sie vernachlässigen ihre Prinzipien“, kritisiert Thomas Kreiml. Das Thema ist heiß und man kann sich leicht verbrennen – egal, wie sich Gewerkschaften zu den Entlassungen und Kündigungen positionieren, ist die Gefahr eines Shitstorms nicht ausgeschlossen. Das gewerkschaftspolitische Feld den Arbeitgebern zu überlassen ist nicht weniger gefährlich.

Konsequenzen
Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zum Fall des 17-jährigen Mechanikerlehrlings sind seit Mitte August eingestellt. Es gäbe keinen Strafbestand, auch der Tatbestand der Verhetzung sei nicht erfüllt. Arbeitsrechtlich ist die Sache jedoch gelaufen. Porsche hat bereits mitgeteilt, dass an der Entscheidung nicht gerüttelt wird. Da hilft auch die öffentliche Entschuldigung des Lehrlings nicht weiter. Jürgen H. ist dem wohl größten Irrtum der Web-Kommunikation aufgesessen: Was man online tut, habe keine Konsequenzen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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