topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Symbolbild zum Bericht Noch kaum waren die Vermögen in Österreich und der EU so ungleich verteilt wie heute. Und der Trend zu wachsender Ungerechtigkeit nimmt mit der Konzentration von Vermögen weiter zu.

Trend zu noch mehr Ungleichheit

Schwerpunkt

Schon jetzt ist der Netto-Wohlstand im Euroraum sehr ungleich verteilt. Koordinierte Lohnpolitik und Vermögenssteuern könnten dem entgegenwirken.

Geld hat noch keinen reich gemacht“, soll der römische Philosoph Seneca zum Besten gegeben haben. Den weisen Worten zum Trotz kommt niemand ohne den „schnöden Mammon“ aus. Allerdings sprechen die wenigsten gerne über (das eigene) Geld, mangels Vermögenssteuern werden die Zahlen zu den Besitzverhältnissen etwa in Österreich hauptsächlich durch Befragungen und Schätzungen ermittelt. Deshalb ist es schwierig, an fundierte Daten zur Vermögensverteilung zu kommen, umfangreiche Studien dazu sind vor allem auf europäischer Ebene rar gesät.

Meilenstein HFCS

Ein Meilenstein bei der Erfassung von Vermögen stellt der von der Europäischen Zentralbank durchgeführte „Household Finance and Consumption Survey“ (HFCS) dar. Dieser ist die erste umfassende Analyse zu Sach- sowie Finanzvermögen, Verbindlichkeiten und Ausgaben privater Haushalte in 15 Ländern der Eurozone (Irland und Estland nahmen nicht teil). Im Rahmen des HFCS wurden in den Jahren 2010 und 2011 in den einzelnen Euroländern per repräsentative Stichprobe Haushalte ermittelt, die dann ausführlich zu ihren Vermögensverhältnissen befragt wurden. Im Anschluss erfolgte die Auswertung der Daten und eine Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung. In Österreich wurden etwa 2.380 Haushalte interviewt. Die Erhebung der heimischen Daten wurde von der Österreichischen Nationalbank gemeinsam mit dem Institut für empirische Sozialforschung durchgeführt.

Verschuldet?

Dazu sei gesagt, dass so manches Ergebnis sehr genau betrachtet werden muss und somit mit Vorsicht zu genießen ist. So kommt der HFCS zu dem Ergebnis, dass viele EU-BürgerInnen verschuldet sind: Im Euroraum trifft dies auf 43,7 Prozent der Haushalte zu, Spitzenreiter sind die Niederlande mit 65,7 Prozent, in Österreich sind es 35,6 Prozent, am unteren Ende des Rankings findet sich Italien mit 25,2 Prozent.
Wie hoch sind nun diese Haushalte in Euroland verschuldet? Der Median-Wert liegt bei 21.500 Euro pro Haushalt. Die Schuldenlast ist in den Niederlanden mit 89.100 Euro pro Haushalt am größten, Österreichs Haushalte kommen „nur“ auf 13.800 Euro, am geringsten fallen die Schulden in der Slowakei mit 3.200 Euro aus. Allerdings bedeutet dies natürlich nicht, dass jeder Haushalt auf einem Schuldenberg sitzt, denn es handelt sich ja um Mittelwerte. Vor allem aber stehen den Verbindlichkeiten erhebliche Vermögenswerte wie zum Beispiel Sparbücher, Girokonten, Aktien, Investmentfonds, Immobilien oder materielle Besitztümer wie Schmuck, Kunstwerke, Automobil(e) etc. gegenüber.
Der entscheidende Wert ist deshalb der sogenannte „net wealth“, zu übersetzen als Netto-Vermögen oder Netto-Wohlstand. Der „net wealth“ ergibt sich nun aus der Differenz zwischen allen Besitztümern und Verbindlichkeiten eines Haushalts. Laut HFCS beläuft sich dieser Wert im Median auf 109.200 Euro pro EU-Haushalt, im Durchschnitt macht er sogar 230.800 Euro aus. Somit liegt der Durchschnittswert der Netto-Vermögen mehr als doppelt so hoch wie der Median. Im HFCS wird explizit darauf hingewiesen, dass diese große Diskrepanz zwischen den beiden Messgrößen eine erhebliche Ungleichverteilung des Netto-Wohlstands nahelegt.
Die Ursache dafür: Es gibt eine Vielzahl von sehr kleinen Vermögen, vor allem am unteren Ende der Skala. So liegt der „net wealth“ der ärmsten zehn Prozent der Haushalte sehr nahe bei null, es wurde also praktisch gar kein Besitz erworben. Knapp fünf Prozent der Haushalte weisen Netto-Schulden auf. Im krassen Gegensatz dazu steht, dass die wohlhabendsten 20 Prozent der Haushalte knapp 68 Prozent des Netto-Wohlstands besitzen. Die Ungleichverteilung wird noch eklatanter, je weiter wir uns der Spitze der Pyramide annähern: Die reichsten fünf Prozent nennen stolze 37,2 Prozent des Netto-Wohlstands ihr Eigen. Die reichsten EU-Haushalte sind übrigens in Luxemburg beheimatet: Der Median liegt bei 397.800 Euro, der Durchschnittswert bei 710.100 Euro. Österreich hält im Median 76.400 Euro und im Durchschnitt 265.000 Euro. Überraschend dabei ist das auf den ersten Blick relativ große Vermögen der GriechInnen: Sie verfügen über 101.900 Euro im Median, der Durchschnittswert liegt bei 147.800 Euro. Bei genauerer Betrachtung aber stellt sich die Situation durchaus anders dar: Ursache für dieses Ergebnis ist vor allem, dass die Zahl der EigenheimbesitzerInnen in Österreich deutlich niedriger ist als in den Ländern Südeuropas wie eben Griechenland. Das macht die HellenInnen nicht wirklich reich, da sie durch einen Verkauf der eigenen Wohnimmobilie auf der Straße stehen würden. Auch spielt die Haushaltsgröße eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Österreich leben weniger Personen unter einem Dach als in Griechenland, Spanien oder Italien, weshalb das Haushaltsvermögen dort durch mehr Personen dividiert werden muss.

Vorsicht: Datenunschärfe

Auch muss darauf hingewiesen werden, dass der HFCS zwar die bis dato bei Weitem umfassendste Erhebung zur Vermögenssituation in der Eurozone darstellt, dass aber selbst diese Studie nicht frei von Unschärfen ist. „Typisch für alle freiwilligen Befragungen ist es nämlich, dass einige ErhebungsteilnehmerInnen gewisse Antworten nicht geben können oder nicht geben wollen. Vor allem bei Datenerhebungen zu ,sensiblen‘ Bereichen“, schreibt die AK in einem Papier zum HFCS. Das heißt: Solche Untersuchungen enthalten auch falsche Angaben, zahlreiche Antwortverweigerungen und „repräsentieren die Vermögensverteilung nicht vollständig, da die oberste Spitze der VermögensinhaberInnen zumeist gar nicht in der Befragung auftaucht“, so die AK weiter.
Denn vor allem die relativ überschaubare Gruppe der Superreichen „schlüpft“ leicht durch die Erfassung der Stichprobe. Auch nimmt die Auskunftsbereitschaft mit zunehmendem Vermögensbestand ab, was zu Verzerrungen führt. Man kann deshalb davon ausgehen, dass es noch mehr Reiche innerhalb der EU gibt und dass sie noch wohlhabender sind, als dies der HFCS ausweist. Somit würde die Ungleichverteilung weiter steigen, was auch Länderstudien unter anderem des EZB-Ökonomen Philip Vermeulen oder von Jakob Kapeller vom Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Linz nahelegen. Kapeller kommentiert dazu im Gespräch mit „A&W“: „Noch kaum waren die Vermögen in Österreich und der EU so ungleich verteilt wie heute. Und der Trend zu wachsender Ungerechtigkeit nimmt mit der Konzentration von Vermögen weiter zu.“ Um die „Konzentrationsspirale“ abzuschwächen, spricht sich der Experte für eine koordinierte Lohnpolitik in Europa aus, denn der Wohlstand der überwiegenden Mehrheit der EU-BürgerInnen basiere noch immer auf Lohneinkommen. Diese seien allerdings aufgrund des harten internationalen Standortwettbewerbs unter Druck geraten, was zu real sinkenden Löhnen und einer Erosion der Mittelschicht geführt habe. „Auch sollte die EU aus einer soliden Position Druck auf Steueroasen ausüben und das Thema internationaler Vermögenssteuern mit hohen Spitzensteuersätzen aufgreifen“, so Kapeller.
Auch der Ökonom David Mum hält Vermögens- und Erbschafts- sowie Körperschaftssteuern (Unternehmenssteuern) für ein wesentliches Element im Kampf gegen Reichtums-Konzentration und für mehr Verteilungsgerechtigkeit: „Vor allem Körperschaftssteuern sollten innerhalb der EU-Staaten akkordiert werden, weil Unternehmen eher ihre Gewinne bilanziell verlagern können. Auch ist es nicht einzusehen, dass Lohneinkommen progressiv belastet werden, Kapitalertragssteuern hingegen flachen Tarifen unterliegen.“ Mum, er ist Leiter der Grundlagenabteilung in der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier), spricht sich deshalb für eine progressive Vermögenszuwachssteuer aus, wie sie heute bereits in Finnland existiert: „Auch Österreich könnte solche gestaffelten Tarife sogar im Alleingang einführen. Dazu müsste allerdings das Bankgeheimnis infrage gestellt werden.“ Im Sinne einer gerechteren Vermögensverteilung eine diskussionswürdige Forderung.

Blogtipp:
Weitere Infos finden Sie unter:
www.hfcs.at
www.jakob-kapeller.org

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
harald.kolerus@gmx.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum