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Wenn einer eine Reise tut ...

Wir sind Europa

Einblicke in die Arbeit der ArbeitnehmerInnenvertretung in einem Land mit einem 70-prozentigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad.

Für meinen Auslandsaufenthalt im Rahmen der SOZAK wählte ich nicht etwa deshalb das Land der 1.000 Seen aus, weil ich gebürtiger Kärntner bin oder im Sternzeichen Fisch geboren wurde. Vielmehr wollte ich wissen, wie ein Land funktioniert, dessen gewerkschaftlicher Organisationsgrad bei 70 Prozent liegt. Unterstützt wurde ich bei meinen Recherchen von der Gewerkschaft Metalliliitto, in der die Arbeiter aus dem Metallbereich organisiert sind, die sich wiederum in der Dachorganisation „SAK“ wiederfinden. Die ersten Tage verbrachte ich in der Zentrale, um den Aufbau der finnischen Gewerkschaft kennenzulernen. Ich staunte nicht schlecht, als ich erfuhr, dass es nicht nur eine Dachorganisation gibt, sondern neben der „SAK“ noch zwei weitere. Allein die kleinste dieser Dachorganisationen vereint 21 Fachgewerkschaften. Insgesamt gibt es in Finnland knapp 2,3 Millionen Gewerkschaftsmitglieder, was auch auf das System der Arbeitslosenunterstützung zurückzuführen ist. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden mit dem Gewerkschaftsbeitrag eingehoben und im Anspruchsfall von der Gewerkschaft ausbezahlt.

Dank des Engagements meines Betreuers in der Gewerkschaft hatte ich die Möglichkeit, sehr viele Betriebe zu besichtigen und mit BetriebsrätInnen und Sicherheitsvertrauenspersonen in Kontakt zu treten. Auch an Finnland gingen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise nicht spurlos vorüber, sei es in der Stahlindustrie, der Papierindustrie oder im Bereich des Schiffbaus. Überall waren BetriebsrätInnen mit Personalabbau, Streichungen von Sozialleistungen oder Gehaltskürzungen konfrontiert. Ein weiteres Problem, das durch die Krise noch verstärkt wurde, bringt der Einsatz von ausländischen Subfirmen mit sich. Beispielsweise werden Arbeitskräfte aus fast allen Teilen der Erde ins Land geholt und weit unter den kollektivvertraglichen Mindeststandards beschäftigt und entlohnt. Schwierig ist diese Situation vor allem für BetriebsrätInnen und Gewerkschaften. Um gegen dieses Lohndumping vorgehen zu können, müssten sie betroffene ArbeiterInnen finden, die bereit sind, mit der Gewerkschaft ihre ausstehenden Ansprüche einzuklagen. Dies ist jedoch fast ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man bedenkt, dass viele dieser Beschäftigten trotz Nichteinhaltung der kollektivvertraglichen Mindeststandards teilweise noch immer doppelt so viel verdienen wie in ihren Heimatländern.

Gesundheitsförderung

Sehr beeindruckt war ich von der Funktion der Sicherheitsvertrauensperson. Diese Person stammt aus dem Kreis der Beschäftigten und wird von diesen alle zwei Jahre gewählt. Ausgestattet mit vielen gesetzlichen Rechten und durch die enge Zusammenarbeit mit der Betriebsratskörperschaft ist es ein sehr wirksames Instrument zugunsten der Gesundheit und Arbeitssicherheit der Belegschaft. Generell spielt Gesundheitsförderung im Arbeitsalltag für Betriebe und Beschäftigte eine sehr wichtige Rolle. So gibt es fast in jedem größeren Betrieb eine eigene Kantine mit vorwiegend gesunder und ausgewogener Küche. Aber auch betriebseigene Fitnessräume, Wellnessbereiche und ein abwechslungsreiches Freizeitangebot sind keine Seltenheit.

Für mich als Jugendsekretär spielte natürlich das Thema Bildung eine bedeutende Rolle. Hier setzen die finnischen Schulen vor allem auf gemeinsame und ganztägige Schulformen, ihr wiederholt ausgezeichnetes Abschneiden in der PISA-Studie bescherte ihrem Schulsystem internationale Anerkennung. Auch die Berufsausbildung erfolgt in einem rein schulischen System. Der Nachteil im Vergleich zu unserer dualen Berufsausbildung liegt darin, dass den AbsolventInnen bzw. FacharbeiterInnen die am Arbeitsmarkt gewünschte Berufspraxis fehlt. Dieses Problem ist auch ein Grund dafür, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Finnland bei über 20 Prozent liegt.
Die schönsten Erfahrungen, die ich aus dieser Zeit mitnehmen konnte, sind die Offenheit und die Gastfreundlichkeit der Menschen in Finnland. Durch viele Gespräche konnten wir feststellen, dass wir über 1.000 km voneinander getrennt leben, unsere Sprache eine völlig andere ist und auch sonst viele Gegebenheiten unterschiedlich sind, wir aber trotzdem ein gemeinsames Ziel haben: die Welt für alle Beschäftigten ein Stück weit gerechter zu machen!

INTERVIEW
Zur Person: Sini Partinen

Alter: 25
Wohnort: 100 km nördlich von Helsinki
Arbeitsplatz: Angestellte der finnischen Baugewerkschaft

Was bedeutet für Sie Arbeit?
Ich wollte schon immer in einer Gewerkschaft arbeiten. Bevor ich in der Baugewerkschaft angefangen habe, war gewerkschaftliches Engagement wie ein Hobby für mich. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich nun tatsächlich bei einer Gewerkschaft beschäftigt bin. Ich denke, dass es wichtig für faire Arbeitsbedingungen für alle ist, für bessere Löhne für die Arbeiter und für eine Senkung der Lebenshaltungskosten zu kämpfen. Alle müssen gleich sein. Arbeiter und Angestellte brauchen eine Stimme – und das ist die Gewerkschaft.

Wie schätzen Sie die Lage der finnischen Wirtschaft ein?
Für Arbeiter am Bau ist die aktuelle wirtschaftliche Situation sehr schlecht und unsere Regierung hat nicht die geeigneten Instrumente, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Wir brauchen mehr Bautätigkeiten, doch die Regierung investiert nicht genug. Das ist das größte Thema im Moment. Die Arbeitslosigkeit in diesem Sektor ist sehr hoch und wird auch nicht besser. Wir brauchen mehr Arbeitsplätze.

Welche politischen Schwerpunkte setzt Ihre Gewerkschaft?
Dieses Jahr stehen die Wahlen zum Gewerkschaftsparlament an. Wir haben viele junge KandidatInnen und ich hoffe, dass viele von ihnen den Einzug ins Gewerkschaftsparlament schaffen.

Welche Bedeutung hat die EU für Sie?
Die EU ist wie ein Schirm für mich, der über uns allen aufgespannt ist. Ich finde, dass die EU gute Qualitäten hat, aber manche Entwicklung geht in die falsche Richtung, zum Beispiel die Wirtschaftspolitik der EU. Aber die EU ist okay.

Welches europäische Land mögen Sie am liebsten und warum?
Neben Finnland mag ich Dänemark. Ich mag die DänInnen, denn ich finde sie sehr freundlich. Und ich mag den dänischen Lebensstil, ich finde es immer sehr erholsam, in Dänemark zu sein.

Wie und wie oft machen Sie Urlaub?
Wenn ich nicht gerade arbeite, versuche ich die ganze Zeit zu reisen. Zwei- bis dreimal im Jahr fahre ich ins Ausland.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Arbeit zu haben, glücklich zu sein – und ich möchte weiterhin für die Menschen kämpfen!

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor thomas.kloesch@proge.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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