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Symbolbild zum Bericht Denkverbote haben keinen Platz in der gewerkschaftlichen Bildung, vielmehr wird kreatives und alternatives Denken sowie das "Über-den-Tellerrand-Schauen" speziell gefördert.
Buchtipp

Ziel: Emanzipation

Schwerpunkt

Gewerkschaftliche Bildung fördert selbstständig denkende und eigenständig agierende BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen.

"Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Diese zentrale Aussage des Philosophen Immanuel Kant ist nicht nur der Leitspruch der Aufklärung, sondern auch jener der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit in Österreich.

Gewerkschaftliche Bildung fördert selbstständig denkende und eigenständig agierende BetriebsrätInnen (BR) und GewerkschafterInnen und gibt ihnen das Handwerkszeug, um die Interessen der ArbeitnehmerInnen erfolgreich vertreten zu können. Es geht dabei – anders als in manch anderen Bildungseinrichtungen – nicht darum, den TeilnehmerInnen eine bestimmte Meinung als die einzig richtige und wahre zu vermitteln. Ganz im Gegenteil, sie sollen Aussagen hinterfragen, Dingen auf den Grund gehen und sich selbst aufgrund der Faktenlage und vor dem Hintergrund des interessenpolitischen Standorts eine Meinung bilden können.

Emanzipatorischer Ansatz

Der emanzipatorische Ansatz gewerkschaftlicher Bildung ist geprägt durch selbst organisierte Lernphasen, die durch den Austausch mit FachexpertInnen ergänzt werden. Lebens- und Arbeitsbedingungen sind keine Naturgesetze, sondern durch Entwicklungen und Ideologien entstanden und deshalb auch jederzeit veränderbar. „Das ist so und kann nicht verändert werden“, ist einer jener Sätze, denen in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit massiv entgegengetreten wird. Sinnvolle Veränderungen sind jedoch möglich, wenn die aktuellen Verhältnisse verstanden und aufgrund von Faktenkenntnissen Schlüsse für die Zukunft gezogen werden können. Wer Dinge verändern möchte, muss Realitäten kennen/anerkennen und klare Visionen für die Zukunft entwickeln. Genau dies versucht die gewerkschaftliche Bildungsarbeit in ihren verschiedenen Angeboten mitzugeben – indem klare Fakten vermittelt werden, jedoch auch immer darauf hingewiesen wird, welche Auswirkungen diese für die Arbeits- und Lebensbedingungen von ArbeitnehmerInnen sowie andere Gruppierungen haben. Darauf aufbauend werden die TeilnehmerInnen angeregt und begleitet, sich Gedanken über die zukünftige Gestaltung einzelner Bereiche sowie der Gesellschaft insgesamt zu machen.

Die Konfrontation mit immer mehr und immer schneller wechselnden Informationen ist eine große Herausforderung für ArbeitnehmervertreterInnen in der heutigen Zeit. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit schult die Auszubildenden dahingehend, solche Informationen handlungsmotivierend zu verarbeiten und interessenpolitisch einordnen zu können. Damit einher geht die Politisierung von Interessen und Bedürfnissen.

Gewerkschaftliche Bildung gibt genügend Zeit für die Vermittlung von konkreten Sachinformationen sowie für Diskussionsphasen, eigenes Ausprobieren und Experimentieren. Die aktive Mitarbeit der TeilnehmerInnen wird angeregt, Methoden, die Selbstständigkeit fördern, sind für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit somit zentral. Außerdem wird sehr stark auf den Ansatz des exemplarischen Lernens gesetzt. Das heißt, man lernt anhand eines Beispiels, von dem aus auf allgemeine Zusammenhänge geschlossen werden kann.

Blick über den Tellerrand

Denkverbote haben keinen Platz in gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen, vielmehr wird kreatives und alternatives Denken sowie das „Über-den-Tellerrand-Schauen“ speziell gefördert. Daher hat gewerkschaftliche Bildung den Anspruch, immer Allgemeinbildung und Zweckbildung für die soziale Auseinandersetzung zu sein. Somit ist gewerkschaftliche Bildung auch immer politische Bildung.

Vermittelt werden gewerkschaftliche Grundwerte wie demokratische Mitbestimmung, solidarisches Handeln, Chancengleichheit, Toleranz sowie gerechte Verteilung des Wohlstands. Diese Werte sollten in allen Kursen berücksichtig werden. Das zugegebenermaßen etwas utopische Ziel ist, dass man nach einer gewerkschaftlichen Ausbildung im Idealfall ein „homo politicus“ ist, also eine Person, die nach Gerechtigkeit strebt und politisch handelt. Dadurch soll sie sich massiv vom eigennutzmaximierenden „homo oeconomicus“ unterscheiden, der das Ergebnis vieler anderer Ausbildungen darstellt.

Werkzeug

Bei all diesen theoretischen Bildungsidealvorstellungen, die bei der Konzeption und Durchführung gewerkschaftlicher Bildungsangebote einfließen sollten, ist es aber entscheidend, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen ein Handwerkszeug für ihre konkreten Tätigkeiten in den Betrieben, bei Kollektivvertragsverhandlungen oder bei der Interessendurchsetzung mitzugeben. Erreicht werden soll die Stärkung der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit.

Diese spezielle Art von Bildung wird in unterschiedlichen Kursen und Lehrgängen des Verbands Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) und der Arbeiterkammern je nach Zielgruppe angeboten. Österreichweite Bildungsangebote sind die „Sozialakademie der Arbeiterkammer“ (SOZAK) und die „Gewerkschaftsschule“. Die Gewerkschaftsschule ist ein zweijähriger Abendlehrgang, der berufsbegleitend eine gewerkschaftspolitische Basisausbildung für interessierte Gewerkschaftsmitglieder und ArbeitnehmervertreterInnen bietet. Die Gewerkschaftsschule wird in ganz Österreich angeboten und hat zum Ziel, die gewerkschaftspolitische Arbeit und die praktische Betriebsarbeit zu unterstützen. Die Gewerkschaftsschule bietet eine Grundlagenausbildung in wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen sowie in Gesellschaftspolitik, Gewerkschaftskunde und sozialen Kompetenzen wie Rhetorik oder Präsentationstechnik.

Die Sozialakademie wiederum ist seit 1949 die Spitzenausbildung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung. Aus ganz Österreich werden jedes Jahr von den Gewerkschaften und Arbeiterkammern zwischen 20 und 30 BetriebsrätInnen aus großen Unternehmen sowie GewerkschaftssekretärInnen vorgeschlagen, die diesen zehnmonatigen Vollzeitlehrgang in Wien absolvieren. Dabei erhalten die SOZAK-TeilnehmerInnen eine umfassende Bildung und Ausbildung in unterschiedlichen gewerkschafts- und gesellschaftspolitischen Bereichen. Neben arbeitsrechtlichen, volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen sowie (sozial-)politischen Kenntnissen werden an der SOZAK u. a. auch Verhandlungs- und Medienschulungen sowie Führungskräfte- und Rhetoriktrainings durchgeführt.

Bei den SOZAK-Projektarbeiten lernen die TeilnehmerInnen nicht nur selbstständiges Recherchieren und Arbeiten zu gewerkschaftspolitisch relevanten Themen, sondern auch, zukünftige Entwicklungen abzuschätzen und betriebsrätliche und gewerkschaftliche Antworten darauf zu geben.

Um handlungsfähig zu sein, müssen BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen in der heutigen Zeit auch länderübergreifend agieren können. Dazu nötige Fähigkeiten versucht die SOZAK den TeilnehmerInnen durch viele europäische Aktivitäten zu vermitteln. Das bietet neben der Beschäftigung mit europäischen Themen, der Erarbeitung von länderübergreifenden Projektarbeiten vor allem das SOZAK-Europapraktikum. Gegen Ende des Lehrgangs arbeiten die TeilnehmerInnen vier Wochen bei einer Gewerkschaft oder einer BR-Körperschaft anderer europäischer Staaten mit. Sie bekommen dort Einblicke in unterschiedliche gewerkschaftliche Strukturen, können sich gute europäische Netzwerke aufbauen und so ihre europäische Handlungsfähigkeit stärken (siehe auch „Wir sind Europa“ - Voneinander lernen).

Bindung

Was an den gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen wie etwa der Sozialakademie oder der Gewerkschaftsschule aktiv vermittelt wird und aufgrund der ReferentInnenauswahl sowie der Zusammensetzung der Gruppe aus BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen automatisch passiert, ist eine starke Bindung an den ÖGB, die Gewerkschaften sowie die Arbeiterkammer. Das kann keine Universität, keine Fachhochschule und kein College je leisten.

Linktipp:
Plattform der SOZAK-AbsolventInnen: www.ichwardabei.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen brigitte.daumen@akwien.at und georg.sever@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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