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Symbolbild zum Bericht Ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin sollte Diskussionsfreudigkeit und Verhandlungsgeschick mitbringen.

Gelebte Vielfalt

Schwerpunkt

Rundschau bei drei Betriebsräten, die Ungewöhnliches und Fortschrittliches in ihrer Firma durchgesetzt haben.

Gute Verhandlungen: Günter Klammer ist Betriebsratsvorsitzender bei Rappold-Winterthur Technologie GmbH in Villach. Die Firma stellt Schleifscheiben in sämtlichen Variationen her, etwa für die Flex. Allerdings auch Scheiben mit bis zu 2,20 Meter Durchmesser.

Mehr als verdoppelt

Klammer vertritt etwa 300 Arbeiter, 65 davon sind Zeitarbeiter. „Wir sind heuer in einer Abteilung von einem Zweischicht- in einen Dreischicht-Betrieb übergegangen“, erklärt Klammer. Stolz ist er, dass die interne Nachtschichtzulage zweieinhalbmal so hoch ist, wie es der Kollektivvertrag vorsieht. Auch die Leiharbeiter kommen in den Genuss dieser Zulage. Der Betriebsratsvorsitzende handelte geschickt und in der richtigen Minute: „Wenn die Firma schnell von zwei auf drei Schichten wechseln will, dann muss man den Zeitpunkt nutzen, um diese Anliegen durchzubringen.“ Bei den Zeitarbeitern konnte er argumentieren, dass sie für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld verdienen sollten. Mitunter wechseln Zeitarbeiter auch zur Stammbelegschaft über. „Mit 1. November ist wieder jemand übernommen worden, ich habe ihn gleich für die Gewerkschaft angeworben“, zeigt sich der Betriebsratsvorsitzende froh.

Seit 25 Jahren ist Günter Klammer bereits im Betrieb tätig, seit 2011 gehört das Unternehmen zum amerikanischen 3M-Konzern.
Das Betriebsratsgremium funktioniert reibungslos. Die Hauptagenden erledigt Klammer, seit 2012 freigestellt, mit seinem Stellvertreter. Um sechs Uhr morgens ist er schon in der Firma, geht selten vor 15 Uhr nach Hause. „Ich kann damit zwei Arbeitsschichten abdecken und kriege mit, was in der Firma passiert.“ Wenn jemand etwas braucht, kann er auch außerhalb der Arbeitszeiten jederzeit anrufen.

Zu seinen größten Erfolgen zählt der Betriebsratsvorsitzende, dass der Metall-Industrie-Kollektivvertrag in der Firma angewendet wird. Denn die Rappold-Winterthur Technologie GmbH gehört eigentlich dem Fachverband der Steinkeramik an. Klammer: „Bis jetzt haben wir es geschafft, Abstufungen in diesen billigeren Kollektivvertrag zu verhindern.“ Immer wieder wurden besagte Abstufungen von der Geschäftsführung angesprochen, doch vergangenes Jahr hat sich die Chefetage sogar schriftlich zum Metall-Industrie-Kollektivvertrag bekannt.

Unterstützt wird Klammer von der Fachgewerkschaft PRO-GE – das Verhältnis ist sehr gut. Die PRO-GE stellte etwa einen Experten, der Klammer beraten hat, als das Prämien-System in der Firma umgestellt wurde. „Es ist immer gut, wenn noch jemand von außen draufschauen kann. Der Experte hat auch Erfahrungen mit anderen Betrieben und kann schon mit Lösungsvorschlägen kommen.“ Nun wird ein Großteil des alten Prämien-Systems mit dem Fixlohn abgegolten. „Je länger ich im Geschäft bin, desto größer ist das Netzwerk, auf das ich zugreifen kann“, weiß Klammer. „Mit jeder Aufgabe wächst man und liest sich natürlich auch in die Thematik ein.“ Meist läuft der Kontakt über den betreuenden Gewerkschaftssekretär, doch Klammer kennt mittlerweile bereits viele ExpertInnen in den verschiedensten Bereichen. Ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin sollte Diskussionsfreudigkeit und Verhandlungsgeschick mitbringen. Die Bereitschaft dazuzulernen ist äußert wichtig. Über Kurse lässt sich Wissen aufbauen, viel Input kann man bei Gewerkschaftsseminaren einholen und reger Gedankenaustausch entwickelt sich vor allem bei Konferenzen, wo sich BetriebsrätInnen treffen. „Der Austausch mit Betriebsräten aus anderen Firmen ist extrem wichtig – etwa Ortsgruppe, Landesvorstand. Am Ende dieser Veranstaltungen können wir mit den anderen Betriebsräten diskutieren“, freut sich Klammer.

Erfolg im Kleinen

Bis zur Wirtschaftskrise 2008 ist die Firma Flowserve in Brunn am Gebirge – am Standort werden Pumpen, etwa zur Ölförderung, erzeugt und weltweit verkauft – ständig gewachsen. Die Angestellten führen die Entwicklung, aber auch die Auftragsabwicklung und Akquirierung durch. Bei Flowserve sind 200 Angestellte und 80 Arbeiter tätig. Als es während der Krise um Stellenabbau ging, wählte die Belegschaft einen aktiveren Betriebsrat – Angestelltenbetriebsratsvorsitzender wurde Martin Culver. Erfolge gelingen dem gebürtigen Briten und seinem Team durch kleine, gezielte Schritte. Ein Ziel ist, Klarheit zu schaffen, damit einzelne Dinge vergleichbar werden. „Wir versuchen, etwa mit Arbeitsplatzbeschreibungen eine Transparenz zu schaffen.“ Das Betriebsratsgremium teilt sich die Arbeitsbereiche gut auf: „Von jedem werden die besten Fähigkeiten herausgekitzelt“, erklärt Culver. Zum Gremium gehört Peter Kajcsa, er ist der Arbeitsrechtsexperte – „der Paragrafenchef“. Großes Verhandlungsgeschick beweist Jürgen Redl. Freilich sind auch Frauen im Team – Elfriede Diem und  Antonietta Manfredi. „Sie sehen die Konflikte oft objektiver und weniger emotional“, weiß der Betriebsratsvorsitzende der Angestellten.

Flowserve ist ein Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Kulturen – der Konzern hat weltweit rund 17.000 MitarbeiterInnen. Hier wird Rücksicht geübt, Witze und dumme Bemerkungen etwa über Religionen werden nicht toleriert. Vieles, das verhandelt wird, ist langwierig und erst nach Jahren spürbar. Culver: „Die Leute trauen sich erst langsam, über die Jahre hin, ihre Meinung zu äußern, auch wenn die Geschäftsleitung anwesend ist. Es ist einfach wichtig, auch außerhalb der Firma zu reden.“ Viele Themen lassen sich nämlich einfacher am Würstelstand gegenüber oder nach der Arbeit bei einem Bier bereden.

Betriebsrat initiiert Lehrausbildung

Die Baufirma Porr Steiermark hat Ende Oktober den Anton-Benya-Preis gewonnen. Derzeit bildet sie 21 Lehrlinge aus – bei einer Belegschaft von knapp 200 ist das eine sehr hohe Ausbildungsquote. Vor rund zehn Jahren wurde das Lehrausbildungsprogramm vom Betriebsratsvorsitzenden Christian Supper ins Leben gerufen: „Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich mir mit dem damaligen Niederlassungsleiter Gedanken gemacht, wie wir dem Fachkräftemangel entgegensteuern können.“ Supper hat selbst bei Porr eine Lehre absolviert. „Damals, 1986, waren wir zwei Porr-Lehrlinge in der gesamten Steiermark.“ Das Ziel: Bedürfnisse von Firma und Region auf einen Punkt zu bringen. Herausgekommen ist eine triale Ausbildungsform: Dabei machen die Lehrlinge Erfahrungen im Betrieb, der Berufsschule und auf Lehrbauhöfen, auf denen sie einige Wochen im Jahr betreut werden. Das Projekt hat sich positiv entwickelt. Die Firma profitiert, weil sie gute Maurer und Schalungsbauer ausbildet, die genau wissen, welche Anforderungen es im Betrieb gibt. Lehrlinge haben einen gesicherten Arbeitsplatz mit Perspektive im Konzern – nicht selbstverständlich, besonders, wenn sie aus der Peripherie der Steiermark stammen. In den letzten Jahren haben bereits sechs Lehrlinge die Polierschule absolviert und sind auch bereits als Poliere im Einsatz.

Ungewöhnliche Wege

Niederlassungsleiter, Personalleitung und Betriebsrat bilden eine gelebte Sozialpartnerschaft im Betrieb. Können sich alle auf einen Nenner einigen, kommt auch ein gutes Ergebnis raus. Für Porr wirbt Supper nun auch in den Schulen und Polytechnischen Lehrgängen, um den SchülerInnen die Firma als attraktiven Arbeitgeber vorzustellen. Für die Jungen ist es freilich ab und an hart, gleich mit 15 Jahren Wochenpendler zu werden. Doch binnen einiger Wochen werden sie sehr selbstständig. Bereits seit sieben Jahren gibt es einen Lehrlingstag in der Steiermark, zu dem alle Porr-Lehrlinge und die Eltern aus dem ersten Lehrjahr eingeladen werden. „So können wir uns alle kennenlernen. Es werden auch ungewöhnliche Wege in der Ausbildung gegangen.“

Vor Kurzem haben Lehrlinge vom ersten bis zum dritten Lehrjahr einen Bauabschnitt selbstständig übernommen, erzählt Supper. Bei einem Grazer Wohnhaus waren sie dabei für das Anlegen, Mauern, Schalen der Decken, Bewehren, Betonieren und Versetzen von Fertigteilen auf der Baustelle verantwortlich. Dabei errichteten sie drei Geschoße und ein Penthaus, bloß ein Vorarbeiter kontrollierte die Lehrlinge. Betriebsratsvorsitzender Supper ganz stolz: „Anfangs arbeiteten sie ein bisschen ungenau, doch dann haben sie die Aufgaben toll erfüllt.“

Weitere Infos finden Sie unter www.betriebsraete.at

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