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Symbolbild zum Bericht

Das Geld ist weg

Kurzkrimi von Anni Bürkl

„Guten Morgen. Sabrina Lahodinski.“ Die Privatdetektivin hatte an einer gepflegten Tür in einem Altbau geklingelt. Auf dem Fußabstreifer prangte „Willkommen“, Blumen blühten am Gangfenster.
„Danke, dass Sie so schnell kommen konnten.“ Die kleine, dunkelhaarige Frau schlug ihre Stirn in besorgte Falten. „Ich bin Zora Zanaidovic, kommen Sie herein. Möchten Sie Tee?“
„Gern.“ Sabrina warf einen Blick in den Spiegel, strich sich über die windzerzausten blonden Locken und folgte Frau Zanaidovic.
Im Wohnzimmer saß bereits ein grauhaariger Mann mit nur einem Arm. Zora stellte ihn als ihren Mann Zoran vor. Als sie schließlich aus kleinen Gläsern türkischen Tee tranken, begann Zora zu erzählen. Ihr Mann wollte sie zurückhalten.
„Ich weiß, du wolltest das nicht“, sagte Zora zu ihm, „die Sache ist dir peinlich. Aber etwas muss geschehen. Die Polizei sagt, man könne nichts machen, aber das glaube ich nicht. Zoran hat immer hart gearbeitet in der Fabrik. Vor drei Jahren ist er mit der Hand in eine Maschine geraten, unschuldig. Der linke Arm musste amputiert werden, der Job war weg. Er bekam nie eine Entschädigung. Es war schwer für ihn, wieder Arbeit zu finden. Vor einer Woche kam er freudestrahlend von seiner Arbeitssuche zurück, er hatte ein Angebot bekommen. Eine Agentur wollte ihm einen Job in Südosteuropa vermitteln. Jemand hat ihn vor dem Arbeitsamt angesprochen, weil er Russisch kann.“
Sabrina lehnte sich gegen den bunten Teppich an der Wand und machte sich Notizen. Die Agentur hieß Technology Services, ihren Sitz sollte sie hier in Wien haben.
Zora erzählte weiter. „Man hat ihm versprochen, ihn zu vermitteln, aber die Bearbeitungsgebühr sollte 300 Euro betragen. Nun haben wir nicht viel Geld, doch wir haben alles zusammengekratzt und den Rest bei Verwandten geliehen. Wenn mein Mann einen Job bekäme, könnten wir ja alles wieder zurückzahlen. Ich selbst arbeite als Reinigungskraft, damit verdient man sehr wenig.“
Sabrina wandte sich an Herrn Zanaidovic: „Sind Sie in der Agentur gewesen? Erzählen Sie bitte.“
„Ja, ähm.“ Zoran Zanaidovic hustete. „Der Chef der Agentur befragte mich nach meinen Kenntnissen. Angeblich sie suchen überall nach Leuten wie mir. Ich musste Geld zahlen und wurde befragt, etwas wurde in Datenbank eingegeben, aber ich bekam nie einen Job angeboten.“
„Kennen Sie den Namen des Mannes?“
„Leider nein. Hab ich nicht gefragt, hat er nicht gesagt.“
„Verstehe.“ Sabrina verabschiedete sich schließlich, nachdem sie alles erfahren hatte, was Zoran Zanaidovic einfiel.

Zum Mittagessen traf sie sich mit Florian Huhle. Eigentlich wollte sie mit dem Schauspieler bei Pasta und Salat weiter über den Dokumentationsfilm sprechen, in dem er Sabrinas Großvater, einen Widerstandskämpfer, darstellen sollte. Doch nun war Zorans Geschichte so präsent, dass Sabrina gleich damit herausplatzte.
„Ich möchte wirklich wissen, was da dahintersteckt“, sagte sie, als sie das Gespräch mit den Zanaidovic zusammengefasst hatte.
Sie suchten im Internet nach dem Firmennamen, es kam nicht viel. Eine Webseite, auf der der Name und eine Adresse in der Wiener Innenstadt angegeben waren.
„Soll ich vielleicht einen Arbeitssuchenden spielen?“, schlug Florian vor.
„Um zu sehen, was die in der Agentur wirklich sagen? Wäre eine Idee.“ Sie grinste.
„Ich wäre fast selbst einmal auf so was Ähnliches hereingefallen.“
„Du?“
„Ich kam frisch von der Schauspielschule. Es ging um eine Datenbank für angebliche lukrative Engagements beim Film. Mit dem Schönheitsfehler, dass ich vorab Geld hätte zahlen sollen, um aufgenommen zu werden – ohne zu erfahren, welche Jobs es dort gab. Ich hatte das Geld nicht, erst später habe ich erfahren, dass das Betrüger waren, es sind ein paar Kollegen drauf reingefallen.“
„Klingt ganz wie bei Zoran Zanaidovic. Also, dann ist dein neues Engagement gebongt.“ Sie zwinkerte und Florian zwinkerte zurück.
„Dafür gehst du einmal privat mit mir aus.“
„Okay, aber dann als echter Florian, ohne Schauspielerei.“

Florian trug einen falschen dunklen Bart und eine schwarze Perücke, als er das Penthouse der Agentur betrat. Eine klischeehafte, langbeinige Blondine grüßte ihn fragend.
„Gute Tag“, radebrechte Florian absichtlich, „ist das hier Firma, was sucht Leute für Russland?“
„Grundsätzlich ja.“
„Hat meine Freund Zoran mir Tipp gegeben“, wagte sich Florian vor.
„Ich weiß nicht über alle Bewerbungen Bescheid“, antwortete die Empfangsdame.
Der Geschäftsführer steckte seinen Kopf aus einer Tür hinter ihr und winkte Florian in ein riesiges Büro. „Wir suchen Leute, die anpacken können. Was können Sie denn?“
„Na, kann ich anpacken bei Bau, kann ich alles bauen. Ist gute Business, oder?“
Der Geschäftsführer nickte. „Die Vermittlung kostet 300 Euro, wegen Russland, Papiere und so weiter. Verfügen Sie über diese Summe?“
Florian nickte. „Kann ich das zusammenkratzen“, sagte er wie vorher abgemacht.
„Dann bringen Sie das Geld morgen vorbei. In bar, bitte.“ Er tippte klackernd über eine schwarze Tastatur. „Hier habe ich eine Liste interessierter Arbeitgeber, sehen Sie.“ Er drehte den Bildschirm in Florians Richtung, doch die Buchstaben waren zu klein, um sie zu entziffern. „Sie haben gute Chancen, das sehe ich hier. Gutes Verdienst. Das macht die 300 Euro tausendmal wett. Wenn Sie die Vermittlungsgebühr bringen, geben wir Ihre persönlichen Daten und Kenntnisse ein. Wie heißen Sie eigentlich?“
„Pavel“, sagte Florian.

Am Abend traf Sabrina ihn wieder. „Da stinkt etwas zum Himmel, er konnte nicht einmal sagen, um welche Arbeiten es gehen soll. Und die angebliche Vermittlung kostet 300 Euro.“
„Wie bei Zoran“, nickte sie. „Wir machen weiter. Ich gebe dir die 300 Euro.“

„Hier ist meine Geld.“ Florian war wieder als arbeitssuchender Pavel verkleidet.
„Sehr schön.“ Mollard griff gierig nach den Scheinen und steckte sie in einen Tresor. „Dann werden wir Ihre Informationen eingeben. Bitte setzen Sie sich.“
Mollard ließ sich Florians vermeintlichen Namen buchstabieren, und fragte Informationen wie Alter, Staatsbürgerschaft und Fähigkeiten ab.
Anschließend druckte ihm Mollard eine Liste in ziemlich kleiner Schrift aus. „Hier sind verschiedene Angebote. Wenn Ihnen was gefällt, melden Sie sich bei uns.“
Florian nickte und steckte die Papiere ein.

Bei einem Tee in Sabrinas Büro gingen sie und Florian die Liste durch. Es waren äußerst allgemein gehaltene Angaben zu Jobs – kein Einsatzort, kein Firmenname, auch die erforderlichen Kenntnisse nur schwammig umschrieben. Sie entschieden, dass Florian alias „Pavel“ zum Schein auf die Jobangebote eingehen sollte. Und falls er keinen Job bekäme, solle er die 300 Euro zurückfordern.
Gesagt, getan.
Drei Wochen später hatte Florian keinen einzigen der Jobs bekommen, ja, er wurde nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Mollard war nicht mehr ans Telefon zu bekommen. Als Sabrina und er gemeinsam das Büro der Agentur erneut aufsuchten, hörten sie schon auf dem Gang Schreie aus der Tür des Penthouse. Sie rannten hinein, die Blondine von neulich war an ihren Stuhl gefesselt, drinnen im Chefbüro stand ein muskulöser Zwei-Meter-Mann über den Schreibtisch gebeugt, Mollards Gestalt lugte seitlich hervor.
„Nicht, lassen Sie mich leben, bitte!“, keuchte er, „ich gestehe alles.“
Sabrina hetzte näher, erkannte, dass Mollard gewürgt wurde.
„Ich habe die Arbeitssuchenden betrogen, ich gebe alles zu.“
Sabrina tastete nach ihrer Waffe und zog sie langsam. „Lassen Sie den Mann los!“, rief sie dem unbekannten Riesen zu.
„Er hat mich betrogen. Ich will meine 300 Euro wieder.“
„Lassen Sie ihn los. Tot kann er Ihnen gar nichts zurückerstatten.“
Die breiten, rauen Pranken des Riesen rutschten langsam von Mollards Hals.
„Kommen Sie, lassen Sie ihn. Wie heißen Sie?“
„Karim.“
Endlich war Mollard frei.
„Setzen Sie sich, Karim. So, und jetzt zu Ihnen, Herr Mollard.“ Sabrina steckte ihre Waffe ein. „Sie gestehen, an den Jobsuchenden mit Betrug verdient zu haben? Ohne dass es Jobs gab?“
„Aber es gab anfangs Jobs.“ Mollard klang weinerlich. „Nur dann blieben sie aus und die Bank saß mir im Nacken, wegen des Porsches und …“
Der Riese Karim fuhr auf.
„Ruhig, bitte. Gestehen Sie, Herr Mollard?“
„Ja.“
„Gut. Und Sie werden das alles zurückzahlen und danach auch Jobs für alle Betrogenen suchen?“
„Aber das ist …“
Ein Blick zu Karim. Der trat gleich wieder näher an Mollard heran.
„Okay, okay, ich werde mein Bestes geben.“
„Na also.“
„Wir haben alles dokumentiert, ich werde auf jeden Fall weiter dranblei-ben. Die Polizei ist schnell informiert. Möchten Sie eine Anzeige machen, Herr Karim?“

Anni Bürkl ist Journalistin, (Krimi-)Autorin und Lektorin.
Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Göttinnensturz“ und ist Teil einer Krimireihe rund um Teelady Berenike Roither, die Fortsetzung erscheint 2015 wieder im Gmeiner Verlag.
www.annibuerkl.at

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