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Symbolbild zum Bericht Made in China: Viele Arbeiterinnen und Arbeiter leiden für den Modegenuss in Europa. Die Beschäftigten beginnen sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu wehren.

Aus für Billiglohn-Sklaven

Schwerpunkt

Immer mehr chinesische ArbeiterInnen in China wehren sich gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und kämpfen mit allen Mitteln für ihr Recht.

Zehn Euro für die Jeans, fünf Euro für das T-Shirt: Mit Tiefpreisen wie diesen versuchen viele namhafte Unternehmen der Textilindustrie immer öfter Kundinnen und Kunden anzulocken. Der Großteil der Textilbekleidung, über 90 Prozent, wird in Entwicklungs- und Transformationsländern hergestellt – vor allem in Asien. Die Arbeitsbedingungen vor Ort sind in vielen Unternehmen nicht menschenwürdig.

Unmenschliche Arbeitsbedingungen

In Akkordarbeit und rund 16 Stunden am Tag müssen NäherInnen im Ausland Kleidungsstücke wie am Fließband produzieren. So werden ArbeiterInnen nicht nur durch niedrige Löhne materiell ausgebeutet, sondern auch häufig gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Beißende Chemiegerüche umgeben ArbeiterInnen, sie atmen giftige Stoffe ein, die bei der Bleichung von Textilien wie etwa Jeans entstehen.

Betriebsärztinnen und Betriebsärzte gibt es nicht, regelmäßige Gesundheitskontrollen finden nicht statt. Gewerkschaftliche Aktivitäten gibt es fast keine oder sie werden unterdrückt. Obwohl inzwischen fast überall auf der Welt Gesetze existieren, die die Gesundheit der Beschäftigten schützen sollen, kommt es immer wieder zu dramatischen, aber vermeidbaren Zwischenfällen. So berichten Betroffene, dass etwa bei Fabrikbränden Notausgänge blockiert werden und Feuerlöscher kaputt sind oder komplett fehlen. Zwischen 1990 und 2012 hat es in asiatischen Textilfabriken mehr als 33 Brandkatastrophen mit mehreren Hundert Toten gegeben. Allein beim Einsturz des Rana Plaza – ein Gebäude in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, in dem mehrere Textilfabriken untergebracht waren – kamen vor knapp einem Jahr 1.133 Menschen ums Leben.

Kampf bis zum Tod

Jahrelang galt China als die billigste Werkbank für den Westen. Unternehmen wie Adidas, Nike, H&M und Esprit ließen ihre Produkte dort zu Niedriglöhnen produzieren. Doch immer mehr Beschäftigte wehren sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und fordern mehr Geld und Freizeit.

Allein im Jahr 2013 gab es eine Reihe von Streiks, die ArbeiterInnen in Zulieferfirmen der internationalen Konzerne legten ihre Arbeit nieder. Auch die Montagebänder des Honda-Zulieferers standen still, gelöst wurde der Konflikt, nachdem die Forderungen der ArbeiterInnen erfüllt wurden. Es war jedoch nicht das erste Mal, dass in China gegen die miserablen Arbeitsbedingungen gestreikt wurde.

Bereits im Jahr 2010 gerieten die Zulieferfabriken der multinationalen Unternehmen in China in die Schlagzeilen. Mehr als zehn junge Menschen starben oder wurden schwer verletzt, weil sie keinen anderen Ausweg als den Freitod sahen, um auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen beim taiwanesischen Technologiezulieferer Foxconn aufmerksam zu machen. Foxconn beschäftigt 300.000 MitarbeiterInnen in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen, weltweit sind es 800.000.

Das Unternehmen beliefert Firmen wie Apple, Dell, Hewlett-Packard, Nintendo, Microsoft, Sony oder Intel. Vorwürfe an das Unternehmen lauten: Löhne, die nicht für das Nötigste reichten, Kontakt mit giftigen Stoffen und 72-Stunden-Wochen. Foxconn-Gründer Terry Gou wies die Anschuldigung zurück, das Unternehmen betreibe „Blut-Schweiß-und-Tränen-Fabriken“.

Am Pranger

Die Probleme bei Foxconn werden jedoch immer wieder von verschiedensten Organisationen weltweit angeprangert. Die Organisation China Labor Watch etwa führte eine Befragung der ArbeiterInnen zu den Selbstmorden durch. Die Befragten erklärten: „Wir sind extrem müde, haben ungeheuren Druck.“, „Wir beenden einen Arbeitsvorgang alle sieben Sekunden.“, „In jeder Schicht – zehn Stunden – fertigen wir 4.000 Dell-Computer, alles im Stehen.“.

Weiters berichteten die ArbeiterInnen, dass sie nur einen Tag pro Woche frei haben, oft Überstunden machen und an unbezahlten Sitzungen teilnehmen müssen. Sie beklagen auch, dass sie ihre wenige Freizeit in Wohnheimen auf dem Werksgelände mit Schlafen verbringen, total isoliert sind und sich untereinander kaum kennen. Nach der Selbstmordserie und dem daraus entstandenen Imageschaden hob das Unternehmen die Bezahlung kräftig an und versprach, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren und weitere 1.000 ArbeiterInnen einzustellen.

Schluss mit billig

China ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer riesigen Wirtschaftsmacht geworden. Ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Erfolgsstory ist die Textilindustrie. Das Land produziert ununterbrochen wirtschaftliche Wachstumsraten, von denen viele westliche Industriestaaten nur träumen können. Auch während der Wirtschaftskrise zeigte sich China recht beständig. Laut dem Einkaufsmanagerindex der britischen Großbank HSBC für das herstellende Gewerbe hat sich die Situation chinesischer Unternehmen im Mai 2014 weiter verbessert. Die Verbesserung stütze sich auf neue Aufträge unter anderem für Exporte. Das alles konnte nicht vor den chinesischen Arbeiterinnen und Arbeitern verborgen bleiben. Die Beschäftigten wollen nicht länger als Billiglohn-Sklaven ausgebeutet werden, sondern auch von jenem Wirtschaftswunder profitieren, das sie mit ihren eigenen Händen geschaffen haben.

Die Preise im Land steigen schneller als die Löhne der ungelernten ArbeiterInnen. Die soziale Ungleichheit hat somit in den letzten Jahren stark zugenommen – vor 30 Jahren waren in China noch fast alle gleich arm. Aus diesem Grund sind viele ArbeiterInnen verärgert und werden mit zunehmender Entwicklung des Landes immer unruhiger. Die Ansprüche der chinesischen ArbeiterInnen wachsen, sie fordern gesetzlich vorgeschriebene Sozialleistungen wie Zuschüsse zur Kranken-, Arbeits- und Pensionsversicherung. Einfache ArbeiterInnen nützen nun vermehrt die Möglichkeit, sich zu vernetzen, der Welt ihre Unzufriedenheit mitzuteilen und auf ihre Situation und Probleme aufmerksam zu machen. Obwohl es in China kein gesetzliches Streikrecht gibt, legen sie immer wieder die Arbeit nieder und kämpfen für das, was ihnen zusteht.

Früchte der Proteste

Mittlerweile ist allen klar, dass das neue, seit 2008 geltende, arbeitnehmerfreundliche Arbeitsrecht nicht dazu geeignet ist, die Interessen der Beschäftigten ausreichend zu sichern. Und es zeigt sich, dass kollektive Aktionen zur Durchsetzung von angebrachten Forderungen Erfolg haben. Diese und viele andere Faktoren haben dazu geführt, dass die Löhne in China stark angestiegen sind und sich eine „reiche“ Mittelschicht gebildet hat. Seit China im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation WTO beigetreten ist, haben sich die Industrielöhne verdreifacht. Nichtsdestotrotz wuchs die Produktivität in Fabriken stärker als die Löhne. Damals war China als Billigwerkbank noch sehr attraktiv. Mittlerweile hat sich die Situation geändert: Wie die Deutsche Bank mitteilte, stiegen seit 2008 die Löhne stärker als die Produktivität. Somit wurde der Produktionsstandort China für viele internationale Unternehmen immer unattraktiver und zahlreiche Firmen verlagerten ihre Produktion ins günstigere Ausland. Besonders beliebt als Alternative sind derzeit noch Kambodscha, Bangladesch und Vietnam. Doch auch dort sorgt die wirtschaftliche Entwicklung für steigende Löhne. In Vietnam liegt der monatliche Mindestlohn zwischen 66 und 115 Euro, in Kambodscha bei 70 Euro und im billigsten aller Billiglohnländer Bangladesch wurde der Mindestlohn von 28 auf 50 Euro angehoben. Laut Expertinnen und Experten wird die Jagd nach dem billigsten Lohn in Zukunft für viele Unternehmen nicht einfach, denn zahlreiche kleine asiatische Staaten können mit der Produktionskapazität des Riesenreiches China nicht mithalten. Um in diesen Ländern weiter erfolgreich produzieren zu können, werden viele Investitionen notwendig sein, etwa in bessere Feuerschutz- und Sicherheitsstandards sowie Ausbildung. „Um die Arbeitsbedingungen in Bangladesch und anderen Billiglohnländern nachhaltig zu verbessern, ist es auch notwendig, den Druck auf die großen Handelsketten weiter zu erhöhen“, sagte der Vorsitzende der Bekleidungs- und IndustriearbeiterInnen-Föderation (BGIWF), Babul Akhter, bei seinem Besuch in Wien.

Web-Tipps:
Aktiv für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelproduktion weltweit: www.cleanclothes.at
Der entwicklungspolitische Verein im ÖGB: www.weltumspannend-arbeiten.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at
 oder die Redaktion aw@oegb.at

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