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Symbolbild In Gasthäusern gibt es zum Teil bis heute sogenannte Sparkästen. Diese sehen aus wie Briefkästen, nur haben sie kleinere Schlitze.

Sparen für Urlaub und Gesellschaft

Schwerpunkt

Sparvereine und die Anfänge der Arbeiterbewegung sind eng miteinander verbunden. Mancherorts hält sich die Tradition bis heute.

Sie heißen „Gut sa ma“, „Gemütlichkeit“ oder „Tischgesellschaft einig und fröhlich“. Oder sie nennen sich nach dem Lokal, in dem sie sich treffen. Eindeutigere Rückschlüsse auf ihren Zweck lassen Namen wie „Zum letzten Groschen“, „Sparstriezl“ oder „Zum knausrigen Sparer“ zu. Sehr beliebt sind Namen von als fleißig geltenden Tieren wie Biene oder Ameise in verschiedensten Varianten. Ebenfalls populär sind Namen rund um Weihnachten, wo viele Sparvereine die Erträge auszahlen, andere wiederum tragen in ihrem Namen einen anderen beliebten Zweck, für den neben Geschenken traditionell gespart wurde, nämlich den Urlaub.

Sparen in der Albertgasse

Auch heute noch gibt es eine Reihe von Sparvereinen, zum Beispiel in Sektionen des Österreichischen Pensionistenverbands. Einer davon ist in der Wiener Josefstadt beheimatet. Er befindet sich im Kellerlokal der SPÖ-Bezirksorganisation in der Albertgasse, jeden Dienstag können SparerInnen von 15 bis 16 Uhr ihr Erspartes dorthin bringen.

Der Vorsitzende Miroslav Robotka, Kassier Franz Holitzer sowie Schriftführerin Anneliese Reichel sitzen am Eck einer u-förmigen Tischreihe, es gibt Kaffee und Biskuitroulade. Das Gespräch führt vor allem Kassier Holitzer. Er arbeitete bis 2013 als Buchbinder und band unter anderem den jährlichen Sammelband der Arbeit&Wirtschaft. Früher sei der Sparverein größer gewesen, weil auch der Pensionistenverband größer war, meint er. Die Geselligkeit sei bis heute wichtig: „Wir sind eine Familie, nur früher war das eine Großfamilie.“ Von der kleinen Familie kommen nur noch hin und wieder Leute vorbei, um etwas einzuzahlen. Der Vorsitzende Robotka denkt zurück an die Blüte des Sparvereins: „Bis der Euro eingeführt wurde, also 2002, habe ich ein siebenstelliges Konto gehabt. Da hatte ich manchmal 100 bis 200 Schilling in der Woche, manchmal aber auch 5.000 bis 6.000 Schilling.“

Sparen zur Selbsthilfe

Dass Sparvereine eng mit der Sozialdemokratie und Gewerkschaften verbunden sind, mag in Zeiten von Sparpaketen und behaupteten Sparzwängen seltsam erscheinen. Von der Geschichte her ergibt es durchaus Sinn.
Als Vorläufer der Sparvereine gelten die mittelalterlichen Gilden und Zünfte, in denen man für Krisensituationen vorzusorgen begann. Erst mit der industriellen Revolution wurde dieser Gedanke auch von Arbeitern aufgegriffen. Große Bedeutung hatte dabei das 1867 beschlossene Vereinsgesetz, mit dem die Organisation der Arbeiter möglich war. Zunächst wurden arme Mitglieder von manchen Vereinen aus den Mitteln der eigenen Kasse unterstützt, später gründete man eigene Sparvereine.

Die Selbsthilfe blieb lange Zeit das Ziel der SparerInnen. Anlässlich des 20. Geburtstags des Verbands Österreichischer Sparer (VÖS), der auch heute noch unter dem Dach der Bawag organisiert ist, erschien eine Jubiläumsschrift.
Darin hält der damalige Präsident des Österreichischen Arbeiterkammertags, Adolf Czettel, fest, dass bei allem Mangel in der Ersten Republik für Arbeiter das Sparen „eine Notwendigkeit“ gewesen sei, „solange eine allgemeine Altersversorgung nicht existierte“. Denn selbst wenn Ende des 19. Jahrhunderts auch in Österreich die Unfall- und Krankenversicherung für Arbeiter eingeführt wurde: Die Arbeitslosenversicherung wurde erst 1920 beschlossen, die Pensionsversicherung erst in der Zweiten Republik eingeführt. Neben diesem individuellen Sparmotiv wird in der Zeitung des VÖS immer wieder die wirtschaftspolitische Bedeutung des Sparens betont.
So schreibt der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky in der Jubiläumsausgabe: „Sparen ist Voraussetzung für die Finanzierung von Investitionen, die zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und damit auch zur Sicherung der Arbeitsplätze wichtig sind.“ Ähnlich argumentieren der damalige ÖGB-Präsident Anton Benya und Adolf Czettel in unterschiedlichen Beiträgen über die Jahre hinweg.

Urlaub und Weihnachtsgeschenke

Seit 1945 haben sich die Motive der SparerInnen stark verändert. Blättert man die Zeitschrift des VÖS seit der Gründung im Jahr 1966 durch, fällt auf: Es gibt unzählige Inserate für Urlaubsreisen. Eines davon wirbt mit dem Spruch „Jeder kann sich seine Traumreise leisten“, auf dem dabei stehenden Schwarz-Weiß-Bild sind ein Flugzeug und ein Kreuzschiff abgebildet.
Das Sparen für Weihnachtsgeschenke und den Urlaub hat in dieser Zeit an Bedeutung gewonnen. Immerhin erkämpften Gewerkschaft und Sozialdemokratie Urlaubstag um Urlaubstag, erreichten sukzessive Arbeitszeitverkürzungen, die Einführung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds sowie Lohnsteigerungen. Somit gewann die Freizeit an Bedeutung, die Konsumgesellschaft schwang sich zu ihren ersten Höhen auf.
Vor diesem Hintergrund erlebten auch die Sparvereine einen Aufschwung, allein in den ersten 20 Jahren des Bestehens des VÖS stieg ihre Anzahl von 177 auf 4.323 an, die Zahl der SparerInnen von 23.000 auf 306.000.

Betrieb, Vereine, Gasthäuser

In einer Diplomarbeit aus dem Jahr 1984 schreibt Autor Martin Huttarsch: „Die Bawag engagierte sich sehr im Bereich der Betriebssparvereine, wobei sie sich die Eigenschaft, die Bank des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) zu sein, zunutze machte. Sie konnte sich in Großunternehmen, wie der VÖEST Alpine AG, Chemiefaser Lenzing AG, Steyr Daimler Puch AG, Konsum Österreich und Gösser Brauerei, als Geschäftsbank der Betriebssparvereine etablieren.“
Wie viele Sparvereine es heute in ganz Österreich gibt, dazu gibt es keine Daten, dem VÖS gehören aktuell 2.000 Sparvereine an. Christian Bammer ist in der Bawag für sie zuständig, er schätzt, dass rund 60 Prozent der VÖS-Vereine in Betrieben angesiedelt sind, 20 Prozent in Pensionistenvereinen und weitere 20 Prozent in Gasthäusern.

Bessere Zinsen (?)

Gemeinsam bessere Zinsen als allein: Das machte Sparvereine natürlich attraktiv. Die niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren, aber wohl auch das nachlassende Interesse ließ so manchen Sparverein zusperren. Weitere Hürden sind gesetzliche Regulierungen, denn neuerdings müssen sich die SparerInnen der Bank gegenüber ausweisen. Zwar kann die Administration der Verein übernehmen, doch für den ist das oft zu viel. Zugleich akzeptieren dies so manche SparerInnen nicht, wie Holitzer bestätigt: „Das ist mühsam.“

Zum Thema Zinsen gesteht Bawag-Mitarbeiter Bammer zwar ein, dass die Erträge heute nicht mehr so hoch sind wie früher. Im Vergleich zum individuellen Sparen seien diese aber immer noch besser. Im Sparverein in der Josefstadt ist man dennoch enttäuscht über die geringen Zinsen: „Vor vier Jahren, wie ich angefangen habe, waren es vier Prozent“, meint Holitzer.
Inzwischen sind die Zinsen auf 0,45 Prozent gesunken. Dennoch findet der Kassier, dass es im Vergleich zum individuellen Sparbuch immer noch gute Konditionen sind, zudem sei das Sparbuch täglich fällig. Ähnlich wie im Pensionistenverband wird auch in den Betrieben das Geld eingesammelt. Anders wiederum funktionierte es in Gasthäusern, dort gab bzw. gibt es zum Teil bis heute sogenannte Sparkästen. Diese sehen aus wie Briefkästen, nur haben sie kleinere Schlitze. Es sind schmucke Stücke, von denen man auch im Internet einige Beispiele findet.

Doch sind Sparvereine heute überhaupt noch zeitgemäß? Bawag-Mitarbeiter Bammer räumt ein, dass es immer schwieriger werde, Menschen zu finden, die sich in Vereinen engagieren – eine Schwierigkeit, mit der Vereine heutzutage im Allgemeinen zu kämpfen haben. Deshalb versuche man mit der Zeit zu gehen: Die Bawag arbeite an einer App, die auch junge SparerInnen auf den Geschmack des Vereinssparens bringen soll, so der Bawag-Vertreter. Dass Sparvereine auch heute noch sinnvoll sind, davon ist Kassier Holitzer aus Wien-Josefstadt überzeugt. „Ein bisserl einen Notgroschen braucht jeder“, meint er, „zehn Euro in der Woche tun niemandem weh – und daheim spart das keiner.“

Verband Österreichischer Sparer: tinyurl.com/llom9v2

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