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Symbolbild zum Bericht: Kapitalgedeckte Pensionen sind keine Alternative Es ist wie beim Roulette: Im Regelfall gewinnt die Bank, es kann sich niemand darauf verlassen, mit Gewinnen auszusteigen. Das ist kein System, auf dem jemand seine Alterssicherung aufbauen sollte!

Kapitalgedeckte Pensionen sind keine Alternative

Schwerpunkt

Erfahrungen mit privaten Pensionssystemen.

Pensionsfonds und VermögensberaterInnen nutzen die Angstmache um das öffentliche Pensionssystem aus und empfehlen zur „Absicherung“ oder gar als Ersatz des öffentlichen Pensionssystems kapitalgedeckte Pensionen. Um diese Diskussion richtig zu bewerten, empfiehlt sich der Blick über die Grenze: Welche Erfahrungen haben denn andere Länder mit privaten Pensionssystemen gemacht?

Individuelle Ansparpläne

Unter kapitalgedeckten Pensionen versteht man individuelle Ansparpläne für die Pension. Anders als im Umlageverfahren werden Pensionsbeiträge der heute Aktiven nicht unmittelbar an die heutigen Pensionistinnen und Pensionisten ausbezahlt, sondern die Beiträge werden am Markt veranlagt, in der Hoffnung, dass das Geld „arbeiten“ möge.

Dabei können die Pensionsbeiträge direkt vom Lohn abgezogen werden, wobei in manchen Fällen der Arbeitgeber noch etwas dazulegt (berufsbezogene Pensionen), oder es handelt sich um persönliche, private Ansparpläne. In manchen Ländern ist es verpflichtend, sich über eine kapitalgedeckte Pensionsversicherung abzusichern: In den Niederlanden etwa gibt es verpflichtende berufsbezogene Pensionen, in Polen hat man versucht, ein verpflichtendes privates System einzuführen.

In anderen Ländern ist es freiwillig: Ein typisches Beispiel für berufsbezogene freiwillige Pensionssparpläne sind die sogenannten 401(k) Pläne in den USA, in Deutschland wiederum gibt es mit der Riester-Rente eine freiwillige, persönliche Pensionsversicherung.

Sehr unterschiedliche Systeme – gibt es da vielleicht eines, das den anderen überlegen ist, das tatsächlich eine gute Altersabsicherung ermöglicht? Ein Ländervergleich zeigt eindeutig: Nein, kapitalgedeckte Systeme kommen der Allgemeinheit nicht billiger und sie garantieren vor allem auch keine vertrauenswürdige Altersabsicherung. Werfen wir dafür einen kurzen Blick auf die einzelnen Länder: Das niederländische Pensionssystem hat seit vielen Jahrzehnten ein verpflichtendes Betriebspensionssystem mit starker Beteiligung der Sozialpartner.

Instabilitäten des Systems

Bereits vor der großen Rezession wurden Instabilitäten des Systems sichtbar. Die Finanzkrise und ihre Folgewirkungen haben dann den Großteil der Fonds langfristig unter Wasser gesetzt – zum einen aufgrund der Verluste auf der Vermögensseite, zum anderen aufgrund der niedrigen Zinsstruktur, die die zukünftigen Verbindlichkeiten massiv verteuert.

Als Folge kam es zu Einschnitten bei den Leistungszusagen – über Beitragserhöhungen und Anhebungen des Pensionsalters einerseits und das Aussetzen der jährlichen Anpassungen (wodurch die angesparten Beträge deutlich weniger wert werden) andererseits. Heute aktive NiederländerInnen müssen mit deutlichen Einbußen ihrer zukünftigen Pensionen rechnen. Im Frühjahr 2013 wurden dann auch ausbezahlte Pensionen um teilweise über fünf Prozent gekürzt, was das Vertrauen in das System schwächte und gleichzeitig auch kontraktiv auf die ohnehin schon schwächelnde niederländische Wirtschaft wirkte.

USA: Oft Betriebspensionen

In den USA sind neben der gesetzlichen Pensionsversicherung (Social Security) Betriebspensionen weitverbreitet: Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei die beitragsbezogenen, steuerlich geförderten Betriebspensionsansparpläne 401(k). 40 Prozent der amerikanischen Haushalte sind im Besitz derartiger Fonds, 3.500 Mrd. US-Dollar sind in 401(k) Plänen veranlagt. Die AnlegerInnen können selbst entscheiden, wie viel und in welchen Fonds er/sie veranlagen will – begründet wird dies mit der Eigenverantwortung der Menschen.

Bereits vor der Krise war allerdings klar, dass die Menschen viel zu geringe Beträge in diesen Ansparplänen für eine adäquate Lebensstandardsicherung im Alter veranlagt haben. Der Traum von der wunderbaren Geldvermehrung, der durch den Aktienboom der Neunzigerjahre ausgelöst worden war, war geplatzt …

In der Krise kam es zu Vermögenseinbrüchen in den Ansparplänen, vor allem aber zwang die unsichere Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage viele Erwerbstätige, Gelder aus den Fonds zu entnehmen oder ihre Einzahlungen noch weiter zu reduzieren. Eine deutliche Erhöhung der Altersarmut in den USA in den kommenden Jahrzehnten scheint vorprogrammiert zu sein.

In Polen wurde 1999 das Pensionssystem von Grund auf reformiert: Unter dem Einfluss der Chicago Boys und aufgrund budgetärer Nöte im öffentlichen System wurde das Umlagesystem auf ein fiktives Beitragssystem umgestellt und als zweite Säule ein verpflichtendes Privatpensionssystem etabliert. Beiträge, die bislang in das Umlagesystem flossen, wurden nun dem Privatpensionssystem zugeführt.

Viel mehr Personen als erwartet stiegen auf dieses neue System um, gleichzeitig blieben sehr großzügige Frühpensionierungsregeln aufrecht. Die Folge: Bereits vor der Krise war das öffentliche System hoch defizitär geworden.

In der Krise performten dann die privaten Pensionsfonds, die in ihren Aktivitäten noch dazu nur auf den polnischen Kapitalmarkt beschränkt waren, sehr schlecht, sodass 2011 eine Re-Reform durchgeführt wurde: Es wurde wieder ein höherer Anteil der Beitragszahlungen dem öffentlichen System zugeführt.

Polnisches Experiment gescheitert

Die derzeitige Regierung stellt das System insgesamt in Frage und hat große Teile der Pensionsfonds wieder verstaatlicht. Insgesamt ist das polnische Experiment somit in all seinen Ambitionen gescheitert: Die öffentlichen Haushalte wurden nicht entlastet, die Pensionssicherheit wurde nicht erhöht, im Gegenteil, es droht Polen eine erhebliche Altersarmut und auch der polnische Kapitalmarkt leidet unter der mangelnden Planungssicherheit des Systems.

In Deutschland wurde die Riester-Rente Anfang der Nullerjahre als freiwillige Pensionszusatzversicherung eingeführt. Sie wird zu mehr als 45 Prozent subventioniert, in der Hoffnung, dass vor allem NiedrigeinkommensbezieherInnen so vermehrt für ihr Alter ansparen. Es konnte zwar die Sparquote tatsächlich gesteigert werden und der Verbreitungsgrad in den unteren Einkommensschichten ist gestiegen, aber von der sehr hohen steuerlichen Förderung profitierten vor allem auch die oberen Einkommensgruppen.

Riester-Rente kein Erfolgsmodell

Heute zeigt sich: Vermögensverluste während der Krise und die auf Dauer niedrige Zinslandschaft dürften zu massiven Enttäuschungen im Alter führen und auch die Riester-Rente nicht als Erfolgsmodell dastehen lassen.

Zudem ist der Markt über Riester-Produkte unübersichtlich und in seiner Komplexität für Menschen mit durchschnittlicher finanzieller Kompetenz nicht zu durchschauen. Das führt dazu, dass unterm Strich suboptimal wenig für die Riester-Rente angespart wird und gleichzeitig sowohl das Risiko als auch die Beitragsbelastung völlig einseitig auf die ArbeitnehmerInnen verschoben wurden.

Damit lässt sich die eingangs gestellte Frage klar beantworten: Faktum ist, dass in allen diesen Systemen der Finanzierungsbedarf von Pensionssystemen aus dem öffentlichen Kollektiv in die individuelle Verantwortung verlagert und damit nicht geringer wird, ja sogar oft steigt: Trotz gleich hoher Beiträge wie in Umlagesystemen wurde es spätestens in der Krise notwendig, entweder bei den Beiträgen nachzuschießen oder geringere Leistungen in Kauf zu nehmen. Da die erhofften Markt-Renditen ausblieben, reichen die angesparten Beträge bei Weitem nicht aus, um eine anständige Alterssicherung zu gewähren: In Polen, den USA, aber auch in Deutschland droht Altersarmut.

Wichtig dabei: Die hier (in aller Kürze) dargestellten Entwicklungen hängen nicht nur mit der Krise zusammen. Auch in Nichtkrisenzeiten gilt – und ist inzwischen von mehreren Nobelpreisträgern belegt: Es gibt niemanden, der bei Finanzveranlagungen dauerhaft und systematisch überdurchschnittlich hohe Renditen erzielt.

Es ist daher wie beim Roulette: Im Regelfall gewinnt die Bank, es kann sich niemand darauf verlassen, mit Gewinnen auszusteigen. Das ist kein System, auf dem jemand seine Alterssicherung aufbauen sollte!

Agnes Streissler: Kapitalgedeckte Pensionssysteme – Niederlande, USA, Polen und Deutschland im Vergleich. Im Internet: tinyurl.com/p78l25o

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