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Symbolbild zum Bericht "Reflexion und Selbstreflexion" Aber auch hier lauern Fallstricke: Arbeit bleibt trotz Teams und gutem Arbeitsklima auch ein Ort der Konkurrenz.
Buchtipp

Reflexion und Selbstreflexion

Schwerpunkt

Managen heißt entscheiden und führen - aber auch Innehalten, Nachdenken und Abwägen. Supervision und Coaching unterstützen dabei.

Γνῶθι σεαυτόν! Erkenne dich selbst! Diese Parole auf einem Stein im antiken Delphi hat nicht nur Philosophinnen und Philosophen inspiriert. Ihre Lebensbedeutung ist unumstritten, aber passt sie zur Rolle von Führungskräften heutzutage, die tausende Menschen und Millionen von Euro managen? Sind Reflexion und Selbstreflexion gängige Führungstechniken oder eher -kompetenzen? Managen heißt entscheiden, anpacken, keine Zeit verschwenden. Und doch wollen Entscheidungen, die oft weitreichende Folgen haben, gut überlegt sein. Im Vorhinein sind Innehalten, Nachdenken und Abwägen angebracht. Zeiten der Reflexion komplexer Abläufe ringsum und des eigenen Handelns sind keineswegs Zeitvergeudung, sondern Teil verantwortungsbewusster Führungsarbeit.

Barrieren überwinden

Je komplizierter und komplexer eine Führungsposition, je turbulenter und unsicherer das Umfeld, je widersprüchlicher die Anforderungen von MitarbeiterInnen, Kundinnen und Kunden, Kooperationspartnern, Konkurrenten und der eigenen Ansprüche, desto notwendiger und für gute Führungsarbeit unentbehrlicher wird die Kompetenz der Reflexion – und gleichzeitig desto schwieriger: Zeitliche, inhaltliche, psychische Barrieren müssen überwunden werden. Reflexive Kompetenz ist in vielen Zusammenhängen gefragt: in der unmittelbaren Planung der eigenen Arbeit (Zeiten, Energie, Prioritäten), in der Kommunikation mit Beschäftigten, Vorgesetzten, Geschäftspartnern, Kundinnen und Kunden, Klientinnen und Klienten, Behörden oder Geldgebern, in der Balance zwischen Arbeit, Familienzeit, gesellschaftlichem Engagement und persönlicher Eigenzeit. Hoch qualifizierte Arbeit und solche mit hoher Verantwortung, großem Risiko und starker Belastung, sich rasch ändernde Anforderungen und wachsende Komplexität der Arbeit und der organisatorischen Arbeitsbeziehungen sowie Organisationszusammenhänge fordern immer mehr reflexive Arbeitsanteile. Dennoch stehen Tun und Reflektieren in Spannung. Den reflexiven Anteilen und Seiten beruflicher Arbeit ihren wichtigen Platz einzuräumen und sie bewusst zu gestalten, gehört also zu den elementaren Kompetenzen, welche Fach- und Führungskräfte brauchen.

Reflexive Beziehungen und Zeitinseln in der beruflichen Organisation zu schaffen und die Arbeit mit KollegInnen und/oder Vorgesetzten zu reflektieren, erscheint verlockend. Wenn die berufliche Tätigkeit ohnehin bereits hohe reflexive Anteile hat, zum Beispiel Beratungseinheiten im Team über die Diagnose der zu behandelnden Probleme in Forschung, Technik oder sozialer Arbeit, liegt dieser Weg, spezielle reflexive Zeitinseln zu schaffen, auf der Hand. Tatsächlich kann gemeinsame reflexive Arbeit im Berufsalltag sehr gute Dienste leisten, für die einzelnen Arbeitenden, für die Qualität der Arbeit, für die berufliche Organisation. Aber auch hier lauern Fallstricke: Arbeit bleibt trotz Teams und gutem Arbeitsklima auch ein Ort der Konkurrenz. Vorgesetzte bleiben, auch wenn sie ihre MitarbeiterInnen in deren beruflicher Reflexion unterstützen, weiterhin Vorgesetzte mit allen Rechten und Pflichten.

Leitungssupervision Coaching

Folgt eine Fach- oder Führungskraft dieser inneren Haltung nach ausgewogener Reflexion der eigenen Rollen, Funktionen, Tätigkeiten, Wünschen und Perspektiven, werden die Vorteile professioneller Selbstreflexion mit Hilfe ausgebildeter SupervisorInnen und Coachs ersichtlich: Sie helfen den Gesichtskreis zu erweitern, wo blinde Flecken, persönliche Beziehungen oder berufliche Abhängigkeits- und Konkurrenzverhältnisse die Reflexion erschweren oder blockieren. Außerdem erlaubt Supervision den angemessenen Umgang mit der psychischen Dynamik vieler Reflexionsprozesse, die auch erst gelernt sein will. Die reale Situation des Alleinseins und Alleinentscheidens spiegelnd, wird die entsprechende Supervisionsform meist die der Einzelsupervision bzw. des Einzelcoachings sein. In der Supervisionskultur wurde Coaching zunächst als spezifische Form der Leitungssupervision verstanden. In den  vergangenen Jahren hat es sich zunehmend – in Abgrenzung zu sonstigen beratenden Dienstleistungen mit dem Etikett Coaching – zu einem eigenständigen Feld entwickelt, mit spezifischer Fokussierung, Methodik und Arbeitsstrategie. Coaching hat einen hohen Beratungsanteil, eine betont zielorientierte innere Haltung und zahlreiche Trainingselemente. Es konzentriert sich auf Themen wie Gestaltung der Führungsrolle, Karriereplanung, Management von Veränderungsprozessen oder von Krisensituationen. Zielgruppen sind Führungskräfte, Personen in beruflich verantwortungsvollen Positionen sowie Personen in berufsbezogenen Veränderungs-, Krisen- und Neuorientierungssituationen.

„Vorgesetzte als Coach“

Führungskräften, die ihre eigene Managementtätigkeit angemessen reflektieren, gelingt es besser, auch die Reflexionsnotwendigkeiten und -wünsche ihrer MitarbeiterInnen aufzugreifen und zu organisieren. Der oder die „Vorgesetzte als Coach“ ist bis zu einem gewissen Grad auch möglich und manchmal Teil einer guten Firmenkultur. Wer als Führungskraft selbst Coaching für MitarbeiterInnen anbieten will, sollte sich einer spezifischen Ausbildung unterziehen, welche u. a. Elemente der eigenen Persönlichkeitsentwicklung, Eigenkontrolle, Gruppendynamik aber auch Methoden des Coaching umfasst.

Aber das stets „offene Ohr“ der oder des Vorgesetzten ist auch eine zweischneidige Angelegenheit. Keinesfalls sollte es die autonom organisierte, von einem unabhängigen Coach oder einer Supervisorin geleitete, aber von der Firma bezahlte Reflexion ersetzen. Denn dass die Kommunikation mit dem Chef/der Chefin ein wichtiger Punkt ist, aber diese Debatte nicht gerade von der Führungskraft selbst geleitet werden sollte, liegt auf der Hand. Führungskompetenz heißt in diesem Zusammenhang vor allem, auch die eigenen Grenzen zu erkennen und im Unternehmen oder in der Organisation für Rahmenbedingungen und ein Klima des Vertrauens und der selbstbestimmten und selbstbewussten Organisierung professionell begleiteter Reflexion zu sorgen.

In der Vielfalt des Angebots an professioneller Reflexion durch Supervision und Coaching bietet die 1994 gegründete Österreichische Vereinigung für Supervision (ÖVS) Orientierung bezüglich der unterschiedlichen Methoden und Garantien hinsichtlich der Qualität. Sie versteht sich als Garant für professionelle Supervision, qualitätsvolles Coaching bzw. neuerdings auch Organisationsentwicklung/Organisationsberatung und leistet im Sinne dieser Aufgabe vielschichtige fachliche und berufspolitische Entwicklungsarbeit. Durch die ÖVS erfolgt die Anerkennung der qualifizierten Ausbildung ihrer mehr als 1.200 Coachs, SupervisorInnen und BeraterInnen. Über die Mitgliedschaft in der ANSE, der Vereinigung nationaler Verbände in Europa, ist die ÖVS den europäischen Standards verpflichtet. Gerade Führungskräfte bewegen sich innerhalb ihrer Konzerne, aber auch der globalen Märkte in unterschiedlichen Kulturen und damit auch Reflexionsumgebungen. Umso bedeutungsvoller wird damit das von der EU geförderte Projekt ECVision, das von ANSE initiiert und vom Rat der Europäischen Fach- und Führungskräfte EUROCADRES unterstützt wird. Es hat das Ziel, die Vergleichbarkeit und Bewertung der Kompetenzen in Supervision und Coaching europaweit zu fördern, einen Austausch zwischen Expertinnen und Experten, Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Kundinnen und Kunden mit unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergründen zu organisieren und den Weg zur Einführung europaweit gültiger Qualitätsausweise zu ebnen. Reflexion und Selbstreflexion kann man also sowohl als innere Haltung, als Führungskompetenz, als Managementinstrument, als Managementtechnik begreifen. Es ist aber viel komplexer: Reflexion und Selbstreflexion sollen noch viele andere Bereiche, Instrumente, Techniken und Methoden des Managens durchdringen und beeinflussen. So gesehen sind diese Kompetenzen ein Kernstück gesunden, sozialen, nachhaltigen und verantwortungsvollen Managements.

Österreichische Vereinigung für Supervision: www.oevs.or.at

Leonardo-Projekt A European System of Comparability and Validation of Supervisory Competences (ECVision): www.anse.eu/ecvision.html

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor gerald.musger@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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