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Symbolbild zum Bericht "Unternehmen mit beschränkter Verantwortung" Wirkliche Unternehmensverantwortung setzt aber einen Paradigmenwechsel im Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft voraus ...

Unternehmen mit beschränkter Verantwortung

Schwerpunkt

Corporate Social Responsibility (CSR) ist oft nur Imagepolitur.

Corporate Social Responsibility (CSR) – klingt gut und ist gut fürs Image und den Profit. Wirklich nachhaltiges Wirtschaften aber braucht verbindliche anspruchsvolle Regelungen und Normen.

Kann ein Konzern, der für mehrere Ölkatastrophen verantwortlich ist, der in Bürgerkriege und Waffenhandel verwickelt war und mit Militärregimen kooperiert1, einen CSR-Preis bekommen? BP, viertgrößter Konzern der Welt, wurde 2007 zum nachhaltigsten Unternehmen weltweit gekürt. Kein Einzelfall, gleich mehrere der im neuen Schwarzbuch Markenfirmen angeführten Namen finden sich auch auf Listen mit CSR-Preisen. Für Insider nicht wirklich verwunderlich, denn allgemein gehaltene, substanzlose Formulierungen und Leitfäden, die oft kaum über das hinausgehen, was vom Gesetzgeber ohnehin vorgeschrieben ist, sind typisch für die CSR-Branche.

CSR ist ein „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“ – so die Definition der EU-Kommission 2001. Stakeholder, also die verschiedenen Interessengruppen (Kundinnen und Kunden, Aktionärinnen und Aktionäre, Lieferantinnen und Lieferanten, MitarbeiterInnen etc.), spielen im CSR-Konzept eine große Rolle. Doch welche dieser Gruppen wird tatsächlich wann und wie einbezogen? Diese Gewichtung kann jedes Unternehmen für sich selbst vornehmen.

Greenwashing

Sozial, nachhaltig und umweltfreundlich, das klingt gut, braucht aber anspruchsvolle Kriterien und Benchmarks, damit wirklich etwas passiert. Abgesehen von einzelnen engagierten KMUs ist CSR meist der Versuch der großen Konzerne, dem neoliberalen Kapitalismus eine grüne bzw. nachhaltige Fassade zu geben – als Antwort auf konzernfeindliche Kampagnen, die die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens bedroht haben. Außerdem: Die meisten Unternehmen tun irgendetwas Nützliches für die Gesellschaft, das über gesetzliche Anforderungen hinausgeht. In der Regel geht es dabei aber sehr wohl direkt oder indirekt wieder um Profit: Energiesparmaßnahmen etwa schonen nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget. Wieder andere Maßnahmen – entsprechend kolportiert – helfen, das Image zu verbessern und beleben so das Geschäft.

Ein glänzendes Image hat viele Vorteile: „Verantwortungsvolle“ Unternehmen, die sich an (selbst definierte!) Branchencodes und Zertifikate halten, müssen weniger reguliert werden. „Immer stärker zeigt sich die Wirtschaft samt ihren Verbänden von der Schokoladenseite und ergreift die Initiative in allen Feldern der Nachhaltigkeit. Damit gelingt es ihr, die Themen vorzugeben und entsprechend ihren Wünschen zu gestalten. Gleichzeitig werden aber notwendige gesetzliche Regelungen – manchmal mit enormem Lobby-Aufwand – mit allen Mitteln verschleppt, verwässert oder ganz verhindert“, beschreibt die NeSoVe-Broschüre „CSR – Schein oder Nichtschein – Das ist hier die Frage“ die vorherrschende Praxis.

Bluewashing

Die Aussagekraft diverser Gütesiegel tendiert daher gegen Null: Das EU-Umweltmanagement-System EMAS (Eco Management and Audit System) etwa lässt den Betrieben weitgehend Gestaltungsfreiheit. Es werden zwar Prozesse festgelegt, das zu erreichende Niveau kann aber frei gewählt werden. Dementsprechend zählen auch Produzenten von Luxusautos mit hohem Benzinverbrauch und AKW-Betreiber zu den EMAS-Zertifizierten. Der UN Global Compact wurde 1999 unter Kofi Annan entwickelt. Seine Anforderungen entsprechen zum Teil den ILO-Kernarbeitsnormen bzw. geben im Wesentlichen die Einhaltung elementarster Menschenrechte sowie bestehender Gesetze vor. Die Niedrigschwelligkeit der Prinzipien des Global Compact wurde von vielen NGOs heftig kritisiert. Mit dem sogenannten Bluewashing (durch ein UN-Zertifikat oder Gütesiegel) können sich Unternehmen relativ einfach ein nachhaltiges Image zulegen. Beim ISO 26000 Guidance on Social Responsibility gibt es zwar einige positive Aspekte, aber zum Teil stellen sie für entwickelte Länder wie Österreich sogar einen Rückschritt gegenüber bestehenden gesetzlichen Regelungen dar. CSR-Zertifizierungen, Schulungen etc. sind seit Jahren ein boomender Geschäftszweig, viele Menschen verdienen damit viel Geld. CSR-Auszeichnungen und Gütesiegel machen sich für die Unternehmen bezahlt. „Diese Firmen verschaffen sich so Zutrittsrechte zu sogenannten nachhaltigen Investment- und auch Pensionsfonds, ein Milliarden-Geschäft“, so Marieta Kaufmann, Geschäftsführerin des Netzwerks Soziale Verantwortung (NeSoVe). CSR basiert auf Freiwilligkeit, ein Faktum, das NGOs immer schon kritisiert haben. 2011 hat die EU in einer neuen Definition, nach der CSR kurz und bündig als „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ bezeichnet wird, bloß scheinbar die Freiwilligkeit entfernt, denn in der Mitteilung wurde festgehalten, dass bei der Entwicklung von CSR die Unternehmen selbst federführend sein sollen. Behörden sollen allenfalls unterstützen.

CSR als Minderheitenprogramm

Bis dato jedenfalls ist soziale Verantwortung auch hierzulande eher für Großunternehmen und internationale Konzerne ein Thema – und selbst das in eher bescheidenen Ausmaßen. Lediglich 20 Prozent der österreichischen Top-Unternehmen und nur sieben der 17 umsatzstärksten öffentlichen Unternehmen erstellten 2011 Nachhaltigkeitsberichte. Wobei sich hier wieder die Frage stellt: Nach welchen Kriterien erfolgen derartige Berichte? Denn auch beim Berichtswesen kontrolliert die Industrie sich weitgehend selbst. Unter den Stakeholdern der 1997 gegründeten Global Reporting Initiative (GRI) finden sich hauptsächlich Großkonzerne und Beratungsfirmen. 2011 beschloss der Ministerrat im Rahmen der Österreichischen Strategie Nachhaltige Entwicklung (ÖSTRAT) auch die Erstellung eines nationalen CSR-Aktionsplanes. Eine ministerielle Steuerungsgruppe sollte gemeinsam mit bestehenden Organisationen wie NeSoVe und RespACT, der Unternehmensplattform für CSR und nachhaltige Entwicklung, entsprechende Dokumente erarbeiten. NeSoVe kritisiert sowohl die bisherige Arbeitsweise als auch die Ergebnisse. „Insbesondere haben wir einen ernsten Diskurs über konkrete Inhalte gesellschaftlich verantwortlicher Handlungsweisen vermisst. Und die bisherigen Ergebnisse lassen befürchten, dass der CSR-NAP die staatliche Legitimation der üblichen CSR-Politik nach neoliberalem Konzept wird“, erklärt Marieta Kaufmann.

Schandfleck des Jahres

NeSoVe hat in diesem Zusammenhang Ende 2011 die Veranstaltungsreihe „Der ANDERE Dialog“ gestartet, wo entsprechende Forderungen an die Politik und die Wirtschaft erarbeitet werden sollen. Denn CSR-Politik muss zuerst an den Problemen und Bedürfnissen der Menschen ansetzen. Ein österreichischer CSR-Aktionsplan sollte konkrete Ziele in allen relevanten Handlungsfeldern, also anspruchsvolle Indikatoren sowie Benchmarks auf hohem Niveau, definieren und die Maßnahmen zu deren Erreichung festlegen. Soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung in sämtlichen Bereichen sollte für alle Unternehmen verpflichtend sein. Denn schließlich kann es durchaus vorkommen, dass etwa ein Bioladen seine Angestellten ausbeutet. Es geht nicht um einzelne Leuchtturmprojekte, sondern um gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit im Kerngeschäft. Übrigens sind viele Unternehmen durchaus für verbindliche Regelungen. NeSoVe hat 2008 gemeinsam mit der Uni Graz und dem IFES-Institut 600 Unternehmen zu CSR befragt: Über 90 Prozent der Betriebe wünschten sich verpflichtende und transparente Überprüfungen sozialer und ökologischer Leistungen. Rund drei Viertel sprachen sich für die Schaffung international verbindlicher Mindeststandards sowie für eine einklagbare Rechenschaft von Unternehmen für ihre gesamte Wertschöpfungskette aus. Allerdings ist zu befürchten, dass die meisten Unternehmen dabei die Fortsetzung des Status quo im Hinterkopf hatten. Wirkliche Unternehmensverantwortung setzt aber einen Paradigmenwechsel im Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft voraus. Bis es so weit ist, haben NeSoVe und andere NGOs noch einiges vor sich, wie etwa die Vorbereitung für den Schandfleck des Jahres, den 2012 der Handelsriese KiK (Jurypreis) und Mayr-Melnhof Karton (Publikumspreis) erhalten haben.

1 Lobo K. W., Weiss H. : Das neue Schwarzbuch Markenfirmen, Ullstein 2010.

CSR-Broschüre, Kriterienkatalog etc. unter: www.netzwerksozialeverantwortung.at

Schreiben Sie Ihre Meinungan die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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