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Symbolbild zum Bericht "Smart Homes für die Älteren" Egal in welcher Form und wo man die dritte Lebensphase verbringt, besonders wichtig ist immer auch die Umgebung, da im Alter mehr als die Hälfte der Wege zu Fuß erledigt werden.

Smart Homes für die Älteren

Schwerpunkt

Nur wenn Staat, Kommunen und wir alle rechtzeitig planen und handeln, sind nachhaltige Lösungen für selbstbestimmtes Wohnen im Alter möglich.

Desolate Alterspyramide, Pflegemisere, Alterseinsamkeit – die Probleme sind allgemein bekannt. Lösungsansätze gibt es gleich mehrere, manche erfordern Eigeninitiative, manche politische Maßnahmen, doch (fast) alle sind noch nicht etabliert. Ob Mehr-Generationen-Wohnen, Seniorengenossenschaften, betreubares Wohnen oder Ambient Assisted Living – angesichts der Tatsache, dass 2030 jeder/jede neunte ÖsterreicherIn über 75 sein wird, ist es höchste Zeit, dass alle diese Möglichkeiten über den Projektstatus hinauswachsen.

Weitsichtig planen

Niemand kann und will sich so recht vorstellen, alt zu sein, nicht mehr rüstig oder gut erhalten, sondern langsam und gebrechlich. Maßgebliche Beeinträchtigungen treten heute durch die gestiegene Lebenserwartung zwar meist später auf, doch fast ein Drittel der 75- bis 84-Jährigen hat Probleme beim Einkaufen, Wäschewaschen u. Ä. (Seniorenbericht des Gesundheitsministeriums 2012).

Wer seine Wohnung rechtzeitig adaptiert, kann so nicht nur Verletzungen vorbeugen, sondern sich auch später den Alltag wesentlich erleichtern. Für die Finanzierung derartiger Verbesserungen wurden Senioren-Schecks nach dem Vorbild des Sanierungsschecks von Minister Mitterlehner angekündigt. Die öffentliche Hand würde dadurch Geld sparen. Denn, so zeigte etwa 2011 eine Studie im Auftrag der Bundesinnung Bau, der barrierefreie Umbau kostet einmalig pro Kopf rund 20.000 Euro. Demgegenüber beträgt der öffentlich-soziale Kostenanteil im Pflegeheim pro BezieherIn einer kleinen Pension ca. 23.000 Euro jährlich. Derzeit sind nur vier Prozent der Häuser und Wohnungen völlig und 24 Prozent teilweise barrierefrei. Schon 2020 sollen Tausende seniorengerechte Wohnungen fehlen!

Wichtig ist aber auch, die Bevölkerung mehr zu sensibilisieren. Laut Bundesseniorenplan 20131 haben vier Fünftel der über 50-Jährigen ihre Wohnung weder altersgerecht angepasst, noch planen sie eine Adaptierung. Das Beseitigen von Stolperfallen, breitere, schwellenlose Türen, ausreichende Beleuchtung etc. sind nur die ersten, eher allgemeinen Stufen zum seniorengerechten Wohnen. Im Bedarfsfall kommen dann etwa unterfahrbare Waschtische und Arbeitsflächen hinzu. Zusätzlich können moderne Technologien auch der Generation 70 plus das Leben merklich erleichtern. Der Roboter-Butler ist zwar noch Zukunftsmusik, aber mit AAL – Ambient Assisted Living (frei übersetzt: technikunterstütztes Alltagsleben) können betagte Menschen länger selbstständig bleiben. Entsprechende Entwicklungen auch für Seniorinnen und Senioren werden von der EU unterstützt (AAL Joint Programme).

Mit dem Programm „benefit“ fördert das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie seit 2008 nicht nur die Entwicklung von Technologien zur Unterstützung älterer Menschen, gleichzeitig soll auch die gesellschaftliche Akzeptanz von AAL erhöht werden. Bisher wurden rund 24 Mio. Euro investiert und mehr als 100 Projekte umgesetzt. AAL-Produkte erkennen, wenn der/die BewohnerIn zu einem bestimmten Zeitpunkt abends noch nicht zu Hause ist. Herd, Badewanne, Haustüren etc. können mit speziellen Alarmsystemen versehen und Angehörige per SMS verständigt werden.

„Der Herbst des Lebens wird länger, neue Technologien machen ihn schöner“, so Ministerin Doris Bures bei der Präsentation eines Pilotprojekts im Burgenland. Dort wurden vor Kurzem in Zusammenarbeit mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) und dem Arbeiter-Samariter-Bund 50 Smart Homes für Seniorinnen und Senioren fertiggestellt. Im Rahmen von betreubarem Wohnen ist dank Hightech der klassische Heimnotruf ebenso integriert wie Bewegungssensoren, Bestellung von Essen oder die Erinnerungsmeldung für die Medikamenteneinnahme. Außerdem können Blutzucker oder Blutdruck überwacht und die Hauskrankenpflege informiert werden, sobald Grenzwerte überschritten werden.

Betreubares Wohnen

Ein ähnliches Projekt (REAAL) in Pichling bei Linz wurde vom Forschungsinstitut für Altersökonomie der WU Wien evaluiert. Insgesamt berichteten alle BewohnerInnen von merklichen Verbesserungen im Alltag, mehr sozialen Kontakten bei gleichzeitiger Wahrung der Privatsphäre. Von Anfang an positiv beurteilt wurden außerdem vor allem jene Technologien, die die persönliche Sicherheit erhöhen (z. B. Unterbrechung des Stromkreises beim Verlassen der Wohnung).

Betreubares Wohnen (Servicewohnen), bei dem die Seniorinnen und Senioren in entsprechend ausgestatteten eigenständigen Miet- oder Eigentumswohnungen wohnen, wird bisher eher vereinzelt angeboten. Es gibt Gemeinschaftsräume, entsprechende Infrastruktur in Gehweite, eventuelle Serviceleistungen können bei Bedarf zugekauft werden bzw. kann in betreutes Wohnen aufgewertet werden. Unter dem Begriff Mehr-Generationen-Wohnen werden unterschiedliche Wohnformen angeboten, allen gemeinsam ist, dass Jung und Alt zusammenleben. Das Miteinander und die gegenseitige Unterstützung von Personen verschiedener Altersgruppen sollen neu belebt werden. Neben Barrierefreiheit werden etwa auch nachträgliche altengerechte Adaptierungen durch entsprechende Unterkonstruktionen u. Ä. erleichtert.

Aktiv (und) intergenerativ

Beim sogenannten Generationen-Wohnen geht es (noch) mehr um das Miteinander. Hier, etwa im intergenerativen Wohnprojekt der Österreichischen Jungarbeiterbewegung in Wien-Meidling, lebt man nicht nur unter einem Dach in getrennten Wohneinheiten. Spontane oder geplante soziale Begegnungen zwischen Jung und Alt sind gelebte Realität durch das gemeinsame Wohnzimmer mit angrenzender Wohnküche. Rückzugsmöglichkeiten bietet das eigene Zimmer.

Viel Engagement und Toleranz erfordern spezielle Senioren-WGs, die meistens selbstorganisiert, mitunter auch intergenerativ angelegt sind. Nicht alle Menschen sind dafür geeignet. „Ein häufiges Grundproblem bei vielen Projekten liegt darin, dass sich ältere Menschen oft primär für das Wohnen, jedoch weniger für die Gemeinschaft interessieren“, fassen die Autorinnen und Autoren des Seniorenplans zusammen.

Eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte ist die Seniorengenossenschaft im schwäbischen Riedlingen, wo sich engagierte Menschen sowie rüstige Pensionistinnen und Pensionisten um gebrechliche MitbürgerInnen kümmern. Für die geleistete Arbeit erhalten sie entweder Geld nach einem fix vereinbarten Tarif oder Gutstunden, um irgendwann selbst diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. In den mehr als 20 Jahren seit ihrer Gründung ist die Genossenschaft auf mehr als 110 aktive HelferInnen und rund 650 Mitglieder angewachsen. Egal in welcher Form und wo man die dritte Lebensphase verbringt, besonders wichtig ist immer auch die Umgebung, da im Alter mehr als die Hälfte der Wege zu Fuß erledigt werden. Im Rahmen einer Studie2 mit 600 Frankfurterinnen und Frankfurtern zwischen 70 und 89 Jahren zeigte sich unter anderem, dass Stadtteilverbundheit in dieser Gruppe sehr wichtig ist. Abseits von „früher war alles besser“ nehmen viele regen Anteil an den Veränderungen und Entwicklungen im Grätzel.

Hier kommt der Politik eine wichtige Rolle zu: eine funktionierende Nahversorgung auch abseits der Ballungszentren erleichtert vor allem älteren Menschen den Alltag wesentlich. Einzelne Vorzeigeprojekte mögen zwar attraktiv sein, doch wer kann es sich leisten, mit 70 ein Smart Home zu erwerben? Entsprechende Fördermöglichkeiten, aber auch mehr Informationen wären nötig, um Vernetzung zu ermöglichen und die Lebensqualität im Alter zu erhöhen. Beispielsweise könnte ein bundesweites, unabhängiges Seniorenportal mit Infos über Förderungen sowie Wohn- und Bauprojekte in ganz Österreich die rechtzeitige Vorsorge für die dritte und vierte Lebensphase deutlich erleichtern – und letztendlich das Budget entlasten.

1 Altern und Zukunft, Bundesplan für Seniorinnen und Senioren, 3. Auflage, BMASK 2013.
2 Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung – Interdisziplinäre Alternswissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt.

AAL-Technologien im betreubaren Wohnen:
tinyurl.com/o7lys34

Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen:
gemeinsam-bauen-wohnen.org

Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen:
www.oepia.at

Österreichische Jungarbeiterbewegung:
www.oejab.at

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afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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