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Symbolfoto zum Bericht "Bildung geht weiter" "Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen. Jeder, der weiterlernt, ist jung, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen."

Bildung geht weiter

Schwerpunkt

Bildung ist ein wesentlicher Faktor für die gesellschaftliche, kulturelle und demokratiepolitische Entwicklung eines Landes.

Bereits Henry Ford hat postuliert: „Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen. Jeder, der weiterlernt, ist jung, mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen.“ Eine Meinung, die mittlerweile weit verbreitet ist und sich in politischen Strategien niederschlägt.

„Wissensbasierter Wirtschaftsraum“

Die sich rasch verändernden Anforderungen der Arbeitswelt scheinen gar keine andere Wahl zu lassen, als ein Leben lang zu lernen. Der Europäische Rat hat daher im Frühjahr 2000 in der Lissabon-Strategie das strategische Ziel formuliert, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“. Ein Jahr später definierte die Europäische Kommission, dass lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen bzw. beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“, umfasst. Eine Definition, die weit über das landläufige Verständnis von Bildung als formale Bildung, die in Schulen und Universitäten erworben wird, hinausgeht und alle Lernprozesse mit einbezieht, die in verschiedensten Zusammenhängen und in allen Lebensphasen – von der Kindheit bis ins hohe Alter – stattfinden. Weiters wird der Blick nicht nur auf konkrete Qualifikationen (TischlerIn, Soziologin/Soziologe …), sondern auch auf Kompetenzen (soziale Kompetenzen, IT-Anwendungskenntnisse, Sprachkenntnisse …) gelenkt. „Beschäftigungsbezogen“ ist nur eine unter mehreren gleichwertigen Perspektiven.

LLL:2020 – Made in Austria

Im Juli 2011 wurde nach einem intensiven Konsultationsprozess, in den auch die Positionen von AK und ÖGB eingeflossen sind, eine „Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich“ beschlossen: „LLL:2020“. Sie enthält zwölf sehr klar formulierte strategische Ziele, wie zum Beispiel die „Erhöhung des Anteils der Beschäftigten, die während der Arbeitszeit in den Genuss einer Weiterbildung kommen und lediglich über einen Pflichtschulabschluss (…) verfügen (…) auf mindestens 15 Prozent“. Zur Erreichung der strategischen Ziele wurden zehn Aktionslinien ausgearbeitet, die von der vorschulischen bis zur nachberuflichen Bildung alle Lebensphasen umfassen und zur Hälfte das Lernen im Erwachsenenalter betreffen. Aktionslinie fünf beschäftigt sich mit „Maßnahmen zur besseren Neuorientierung in Bildung und Beruf und Berücksichtigung von Work-Life-Balance“ oder Aktionslinie sieben mit der „Förderung lernfreundlicher Arbeitsumgebungen“.
An der Umsetzung der Strategie wird seither intensiv gearbeitet. So können Basisbildungen wie Alphabetisierung sowie ein Pflichtschulabschluss, der den Zugang zu weiterführenden Schulen ermöglicht und die Chancen auf eine Lehrstelle erhöht, seit Beginn des Jahres 2012 im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung gebührenfrei nachgeholt werden. Die Zielgruppe dafür ist nicht zu unterschätzen: Nach Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) gibt es in Österreich bis zu 280.000 Personen ohne positiven Abschluss der achten Schulstufe, von denen rund 50.000 tatsächlich als Zielgruppe von diesem Modell angesprochen werden. Die Initiative ist allerdings mit Ende 2014 befristet – aus Sicht von ÖGB und AK ist neben einer unbefristeten Verlängerung auch eine Ausweitung der Initiative unbedingt notwendig: Künftig sollen auch das Nachholen eines Lehrabschlusses sowie die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung gebührenfrei möglich sein.

Bildungsteilzeit für alle

Dass Bildung nichts kostet, ist schon eine wesentliche Voraussetzung, um lebensbegleitendes Lernen zu ermöglichen. Darüber hinaus muss aber auch der Lebensunterhalt des Lernenden und seiner Familie während der Bildungszeit sichergestellt werden. Eine Möglichkeit ist, neben der bereits bekannten Bildungskarenz, die erst kürzlich eingeführte Bildungsteilzeit: Arbeitszeit für Bildungszwecke reduzieren und für die wegfallenden Stunden einen „Lohnersatz“ bekommen – das ist seit dem 1. Juli 2013 möglich. Der Vorteil gegenüber der Bildungskarenz ist: Gerade für kleinere Einkommen ist die Bildungsteilzeit finanziell attraktiver und außerdem bleibt der Kontakt zum Betrieb aufrecht.
Verbesserungswürdig aus Sicht von AK und ÖGB ist allerdings, dass für den Antrag auf Bildungsteilzeit und Bildungskarenz die Zustimmung der ArbeitgeberInnen notwendig ist, und dass die Absolvierung der Weiterbildung nachgewiesen werden muss. Wer das nicht schafft, dem kann das AMS das Bildungsteilzeitgeld einstellen und im Extremfall sogar zurückfordern! Das so entstehende finanzielle Risiko kann insbesondere für Personen mit niedrigen Einkommen existenzbedrohend sein. Darüber hinaus stellt dies eine nicht zu unterschätzende mentale Hürde für viele Menschen dar, sich überhaupt eine Bildungsteilzeit bzw. -karenz zuzutrauen.

Qualifizierungsstipendium

Bei vielen Weiterbildungen, insbesondere wenn völlig auf einen neuen Beruf umgesattelt werden soll, reicht aber auch das nicht aus. Wer eine Gesunden- und Krankenpflegeschule, eine Höhere Technische Lehranstalt (HTL) besucht oder den Lehrabschluss nachholen will, kann schlichtweg nebenbei auch noch arbeiten gehen.
Die AK hat bereits im Jahr 2006 begonnen, ein „Qualifizierungsstipendium“ zu entwickeln, welches die Lücken im österreichischen Stipendien- und Fördersystem abdecken soll – das mit 1. Juli 2013 in Kraft getretene „Fachkräftestipendium“ hat dieses Modell aufgegriffen: Es handelt sich dabei um eine Existenzsicherung („Deckung des Lebensunterhalts“) unabhängig von der sozialen Situation bzw. dem Haushaltseinkommen, die zum Einsatz kommt, wenn eine aufwendige neue Ausbildung begonnen wird. Nun wurde vom bmask eine Liste mit – auch arbeitsmarktpolitisch sinnvollen – Berufsausbildungen erstellt, für die ein Fachkräftestipendium bezogen werden kann. Das neue Stipendium soll nämlich auch eine Antwort auf den immer wieder zitierten „Fachkräftemangel“ geben. Darüber hinaus wird aber auch der Besuch einer Abend(matura)schule finanziell unterstützt.

Noch lange nicht am Ziel …

Trotz aller Fortschritte bleibt noch immer einiges zu tun. In Österreich herrscht in Bezug auf die Weiterbildung nach wie vor das „Matthäus-Prinzip“ – wer hat, dem wird gegeben: Je höher das Bildungsniveau, desto höher ist auch die Beteiligung an Weiterbildung. Und zwar sowohl im privaten als auch im betrieblichen Bereich. Nur drei von zehn Beschäftigten werden in Österreich mit Unterstützung des Betriebs gefördert – eine Tatsache, die zu einer zunehmenden Polarisierung in der Arbeitswelt führen wird. Besonders Geringqualifizierte und Teilzeitbeschäftigte – und damit überdurchschnittlich viele Frauen – werden dadurch von Weiterbildung ausgeschlossen. Um dem gegen-zusteuern, fordern ÖGB und AK den gesetzlichen Anspruch auf jährlich eine Woche Weiterbildung während der bezahlten Arbeitszeit, wie er beispielsweise in Deutschland schon seit Langem umgesetzt ist.
Bildung muss aber – dies wird schon in oben erwähnter Definition der EU-Kommission deutlich – mehr, als nur dem beruflichen Vorteil dienen. Sie ist auch ein wesentlicher Faktor für die gesellschaftliche, kulturelle und demokratiepolitische Entwicklung eines Landes. Angesichts flauer Wahlbeteiligungen und genereller Politikverdrossenheit sollte gerade politische Erwachsenenbildung im Sinne kritisch-emanzipatorischer Bildung in Strategien und Programmen des lebensbegleitenden Lernens zentral verankert werden. Schließlich stellt die Entwicklung sozialer, ökologischer Verantwortung über den eigenen Interessenbereich hinaus eine Grundvoraussetzung für eine solidarische Gesellschaft dar.

Pflichtschulabschluss und Basisbildung nachholen:
www.initiative-erwachsenenbildung.at
Infoblatt Bildungsteilzeit:
tinyurl.com/k5s5dnq
Fachkräftestipendien – Liste der förderbaren Ausbildungen:
www.ams.at/_docs/001_fks_liste.pdf

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen pia.lichtblau@oegb.at
petra.voelkerer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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