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Symbolbild zum Bericht "Generation Pflege" Ein Autounfall, Schlaganfall, Herzinfarkt, eine schwere Erkrankung oder einfach nur Altersgebrechlichkeit - und was dann? Jeder kann pflegebedürftig werden, völlig überraschend von heute auf morgen.

Generation Pflege

Schwerpunkt

Immer mehr Menschen in Österreich sind pflegebedürftig, und das ist oft eine Belastung für alle Betroffenen. Neue Regelungen sollen helfen.

Wenn der Eintopf auf dem Gasherd würzig duftete oder auch der Kuchen im Ofen seinen Duft im ganzen Zimmer verströmte, waren das schöne Momente in Omas und Opas Wohnküche. 30 Jahre später erinnern nur noch Familienbilder an der alten Wandtapete an diese unbeschwerte Zeit. „Sie kann sich nicht allein um ihn kümmern, ihn pflegen“, sagt die Schwester und beobachtet ihre Mutter beim Tisch decken. „Wir sind alle vollbeschäftigt, was machen wir jetzt?“, fragt der Bruder. Das Geschwisterpaar ist eines von vielen, das auf die Pflegebedürftigkeit eines Elternteils nicht vorbereitet war.

Jeder kann pflegebedürftig werden

Ende des Jahres 2011 waren laut Statistik Austria zwölf Prozent der BezieherInnen von Pflegegeld jünger als 60 Jahre. Ein Autounfall, Herzinfarkt, Schlaganfall, eine schwere Erkrankung oder einfach nur Altersgebrechlichkeit – und was dann? Jeder kann pflegebedürftig werden, völlig überraschend von heute auf morgen oder absehbar, als Folge einer schleichenden Krankheit. Laut Caritas werden etwa 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in den eigenen vier Wänden versorgt, von Familienangehörigen gepflegt. Für die Betroffenen ist die häusliche Pflege unverzichtbar, für die Angehörigen oft eine große Belastung.
Pflegebedürftigkeit verursacht eine ganze Reihe von Kosten für die Betroffenen und deren Angehörige. Neben der Beschaffung von Pflegehilfsmitteln oder Beanspruchung von Pflegeleistungen, entstehen für alle Betroffenen physische und psychische Belastungen. „Mit der Pflegekarenz wird künftig verhindert, dass sich pflegende Angehörige komplett vom Arbeitsmarkt zurückziehen müssen. Derzeit sind vor allem Frauen praktisch gezwungen, ihren Beruf aufzugeben, wenn ein Angehöriger pflegebedürftig wird“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB.
Die neuen Regelungen zur Pflegekarenz und Pflegeteilzeit schaffen eine bessere Vereinbarkeit von pflegenden Angehörigen und Beruf. Pflegende Angehörige können bis zu drei Monate in Pflegekarenz oder -teilzeit gehen. Nach den drei Monaten Karenz oder Teilzeit kann ein anderer Angehöriger daran anschließen – ebenfalls maximal drei Monate. Sollte sich der Zustand des zu pflegenden Angehörigen verschlechtern, ist es erneut möglich, eine Pflegekarenz oder -teilzeit zu beantragen. Voraussetzung für all das ist allerdings die Zustimmung des Arbeitgebers. Der ÖGB hat vorab einen Rechtsanspruch darauf gefordert. „Es darf nicht von der Gnade des Arbeitgebers abhängen, wer in Pflegekarenz gehen darf und wer nicht. Wir werden daher auf einen Rechtsanspruch auf eine befristete Pflegekarenz nicht vergessen“, so Achitz.

Anstrengende Arbeit

Fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung sind älter als 80 Jahre. Im Jahr 2050 werden es mit 11,5 Prozent mehr als doppelt so viele sein – etwa eine Million Menschen. Der Betreuungs- und Pflegebedarf steigt und somit auch die Kosten. Das WIFO geht von einem Anstieg der Gesamtkosten von 3,9 Mrd. Euro auf mindestens 5,4 Mrd. Euro im Jahr 2030 aus, so die Caritas. „Pflege muss für alle Menschen leistbar bleiben – unabhängig davon, ob sie arm oder reich sind“, sagt der stv. Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Willibald Steinkellner. „Die Einrichtung eines Pflegefonds und dessen Verlängerung bis zum Jahr 2016 waren ein wichtiger Schritt, um die finanzielle Basis des Gesundheits- und Pflegebereichs nachhaltig zu verbessern. Es sind aber weitere Investitionen notwendig.“

Fachkräftestipendium seit 1. Juli 2013

Ende 2012 präsentierten Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wiens Soziallandesrätin Sonja Wehsely kommende Schritte für die Weiterentwicklung der Pflege in Österreich. Der ÖGB lobte vor allem die Festlegung auf eine Steuerfinanzierung bei der Finanzierung des Pflegefonds. Ebenso wurde im Konzept ein Fachkräftestipendium angedacht, welches nun seit dem 1. Juli in Kraft ist. Da mehr Beschäftigte im Pflegebereich benötigt werden, ist das Fachkräftestipendium zur Deckung des Lebensunterhaltes eingeführt werden. Das soll einerseits einen Anreiz zum Wechsel in einen Pflegeberuf geben und andererseits den Umstieg erleichtern. „Investitionen in den Gesundheits- und Sozialbereich sind Zukunftsinvestitionen von hoher Beschäftigungsintensität und sind unverzichtbar für die Lebensqualität der Gesellschaft“, so Steinkellner.
80 Prozent der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich sind Frauen. Die Arbeitszeiten in der Branche sind derzeit unterschiedlich geregelt. Die Kollektivverträge in privaten Krankenanstalten sehen eine 40-Stunden-Woche vor, während Beschäftigte in Betrieben des Pflege- und Betreuungsbereichs, in denen der BAGS-KV gilt, eine 38-Stunden-Woche haben. Im Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz ist noch die Möglichkeit einer Verlängerung der Tageshöchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden und der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit auf bis zu 60 Stunden festgeschrieben. Außerdem können mittels Betriebsvereinbarungen durch sogenannte Bereitschaftszeiten Arbeitszeiten von bis zu 25 Stunden am Stück vereinbart werden.

KV weiterentwickeln

„Allen Verantwortlichen muss klar sein, dass es bei der Finanzierung dieses Bereiches um die Finanzierung hochwertiger und anstrengender Arbeit geht und nicht um irgendwelche Jobs“, so Steinkellner. „Unregelmäßige Arbeitszeiten durch Überstunden, Schichtdienst, Diensttausch oder Einspringdienste sind im Gesundheits- und Sozialbereich nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Arbeitszeit und Freizeit sind kaum mehr planbar.  Diese Belastung wirkt sich negativ auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen aus. Studien beweisen den Zusammenhang. Die Folgen reichen von Schlafstörungen bis hin zu Herzbeschwerden. Krankenstände, Burn-out und Berufsunfähigkeit gehen damit einher.“
Die Gewerkschaft vida fordert daher eine Weiterentwicklung der Kollektivverträge, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Außerdem unterstützt vida die Forderung der ArbeitgeberInnen an die Geldgeber, kollektivvertragliche Vereinbarungen bei den Leistungs- und Förderverträgen zu berücksichtigen.

Rund um die Uhr

Eine 24-Stunden-Pflege für erkrankte Angehörige ist eine Alternative zum Pflegeheim, weil auch immer mehr Menschen in ihrer gewohnten Umgebung gepflegt und versorgt werden wollen. Seit 2008, als das System der Selbstständigkeit gegen den drohenden Pflegenotstand etabliert wurde, werden pflegebedürftige Menschen in Österreich von Selbstständigen betreut. Der ÖGB kritisiert das und fordert, dass die 24-Stunden-Pflege in Zukunft von ArbeitnehmerInnen erledigt wird, die bei Vereinen wie Caritas, Hilfswerk oder Volkshilfe angestellt werden, und nicht direkt bei den Pflegebedürftigen. Damit soll die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt werden, und die pflegebedürftigen Menschen werden von rechtlichen Risiken entlastet, die die Auftraggeberrolle mit sich bringt.
Diese Position vertritt auch die Gewerkschaft vida. Das Argument, wonach die 24-Stunden-Betreuung bei einer Anstellung der Pflegekräfte deutlich teurer würde, bezeichnet der stv. vida-Vorsitzende als zynisch: „Es kann nicht sein, dass die Frage der Finanzierung auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse geschaffen werden, indem man sie in Scheinselbstständigkeit drängt und so zum Verzicht auf sozialrechtliche Absicherung und kollektivvertragliche Entlohnung zwingt.“
Ein weiteres Anliegen der Gewerkschaft vida bleibt die gesetzliche Verankerung einer Ausbildung, zum Schutz der Pflegebedürftigen, aber auch der Beschäftigten. „Für die Wartung eines Autos braucht der Mechaniker eine Ausbildung, für die Betreuung alter, kranker Menschen geben wir uns damit zufrieden, dass hoffentlich nichts passiert, wenn ungeschulte Kräfte das übernehmen“, betont Steinkellner.
Die ÖGB-Position findet auch Unterstützung bei einer Mehrheit der Menschen in Österreich. Eine Befragung der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) hat ergeben: Bei der Frage, ob die 24-Stunden-Betreuung auf selbstständiger Basis oder durch Angestellte bei Sozialvereinen erledigt werden sollte, sprechen sich 61 Prozent für das letztere Modell aus. Nur 24 Prozent setzen auf Selbstständige.

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz:
www.bmask.gv.at
Gewerkschaft vida:
www.vida.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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