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Symbolbild zum Beitrag "Investieren statt auspressen" Um die Qualität der Arbeit wieder in den Vordergrund zu rücken, fordern Gewerkschaft und Arbeiterkammer von den Unternehmen aber nicht nur mehr Engagement in Sachen Weiterbildung.
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Investieren statt auspressen

Schwerpunkt

Wenn Regeln wichtiger werden als das Engagement der ArbeitnehmerInnen, führt das zu einer Dequalifizierung der Arbeitsplätze.

Einen Arbeitgeber, der nicht nur in die Hardware investiert, sondern auch in das Know-how der MitarbeiterInnen: Das wünschen sich viele ArbeitnehmerInnen. Denn es liegt auf der Hand: Wer sich weiterbildet, ist besser im Job und hat auch die Chance auf ein besseres Gehalt. Nicht umsonst also haben Beschäftigte selbst ein großes Interesse an Weiterbildung. Laut einer aktuellen Umfrage des Karriereportals Monster plant knapp die Hälfte der Befragten eine Weiterbildung. Doch von Weiterbildung profitieren nicht nur die Beschäftigten: Weiterbildungsmaßnahmen erhöhen die Produktivität. Eine Studie der Universität Linz im Auftrag der Arbeiterkammer ergab, dass jeder Euro, den ein Unternehmen in Weiterbildung investiert, 13 Euro zusätzlichen Ertrag bringt. Allein schon deshalb könnte man erwarten, dass Unternehmen sich nur so danach reißen, in das vielzitierte „lebenslange Lernen“ ihrer MitarbeiterInnen zu investieren.

Dequalifizierungsprozess

Der Alltag aber sieht oft anders aus. Die Qualität der Arbeit ist da nicht mehr so wichtig, wie Eva Angerler von der Gewerkschaft gpa-djp immer wieder von Betriebsrätinnen und -räten hört. Vielmehr finde in der Arbeitswelt ein „Dequalifizierungsprozess“ statt: „Viele Arbeitsprozesse werden immer standardisierter und damit entwertet“, so Angerler. Zugleich finde eine Standortentwertung statt, indem qualifizierte Arbeitsplätze abgezogen werden, während nur noch die Standardgeschäfte in Österreich verbleiben. Sie illustriert das am Beispiel einer international tätigen Versicherung, die nur noch das Customer-Care-Center hier belasse, sprich geringer qualifizierte Arbeitsplätze. „Reporten statt Gestalten“, so laute immer häufiger das Credo, das ursprünglich in den großen Konzernen um sich gegriffen habe, sich inzwischen aber auf die Wirtschaft insgesamt auswirke. „Da spielt natürlich die Technik mit rein, denn die macht eine immer zentralere Steuerung möglich“, so Angerler. Dazu komme, dass man in vielen Unternehmen an Verhaltenskodizes arbeite, die nach Möglichkeit weltweit gleich lauten sollen. Dies beeinträchtige nicht nur die Qualität der Arbeit an sich. Es führe auch dazu, dass die Beschäftigten weniger Verantwortung übernehmen, befürchtet die Gewerkschafterin.
Ein oberflächlicher Blick in die Statistik könnte Anlass zur Zufriedenheit mit den österreichischen Arbeitgebern sein. Immerhin gilt die große Mehrheit von ihnen als „weiterbildungsaktiv“: Laut Statistik Austria ließen 87 Prozent der Betriebe im Jahr 2010 ihre Beschäftigten während der Arbeitszeit an Kursen teilnehmen oder finanzierten Weiterbildungsaktivitäten außerhalb der Arbeitszeit. Mit Erstaunen liest man vor diesem Hintergrund die nächste Zahl: Obwohl so viele Unternehmen in Weiterbildung zu investieren scheinen, konnte nur rund ein Drittel der Beschäftigten an einer solchen Maßnahme teilnehmen. Die Diskrepanz ist leicht erklärt: Um als weiterbildungsaktiv zu gelten, reicht es schon, wenn man für einen/eine MitarbeiterIn eine Weiterbildung angeboten oder finanziert hat.

„Wer hat, dem wird gegeben“

Bei genauerem Hinsehen zeigen sich einige Herausforderungen. AK-Bildungsexpertin Petra Völkerer verweist auf einen problematischen Meinungswandel bei den Arbeitgebern. Auf die Frage, warum man den Beschäftigten keine Weiterbildung anbietet, habe man früher geantwortet: Die MitarbeiterInnen sind auf dem neuesten Stand, keine Zeit oder zu teuer. „Jetzt antworten sie: Ich stelle lieber neue Leute ein, die das können“, so Völkerer. „Daraus spricht eine Hire-and-fire-Mentalität.“
Dazu kommt, dass bestimmte ArbeitnehmerInnen-Gruppen mehr profitieren als andere. „Wer hat, dem wird gegeben“, zitiert Völkerer einen leider inzwischen zum geflügelten Wort gewordenen Satz. „Wer gut gebildet ist, sucht sich Weiterbildungen meist selber aus und geht damit zum Chef.“ Anders die Lage von Geringqualifizierten, die bei Weiterbildungen meist den Kürzeren ziehen. In konkreten Zahlen ausgedrückt: Mehr als zwei Drittel der Personen mit einem Abschluss von der Uni oder einer ähnlichen Bildungseinrichtung bildeten sich weiter, wie eine Studie der Statistik Austria aus dem Jahr 2011 ergab. Bei den Beschäftigten mit Pflichtschulabschluss hingegen war es lediglich ein Viertel.
Außerdem können junge Beschäftigte davon deutlich häufiger profitieren als die ältere Generation. Dazu kommt ein Gender-Gap: Zwar seien die Unterschiede bei den TeilnehmerInnen-Zahlen nicht so groß, meint AK-Arbeitsmarktexpertin Gerlinde Hauer, „Männer bekommen aber meistens umfassendere Weiterbildungen“.

Weiterbildung ist Karrierefrage

Ein weiterer Aspekt, der gegen Frauen wirkt, lautet: Je höher die Position, desto größer die Chance auf Weiterbildung. Doch je höher die Sprosse auf der Karriereleiter ist, desto seltener sind dort Frauen anzutreffen. Nicht zuletzt sind viele Frauen in Branchen beschäftigt, in denen Weiterbildung ohnehin nicht weit oben auf der Tagesordnung steht. Im Nachteil sind im Übrigen auch Beschäftigte mit Migrationshintergrund, wie eine AK-Studie aus dem Jahr 2012 aufzeigte. Betrachtet man sich die Unternehmen selbst genauer, so sagt die Statistik: Je größer der Betrieb, desto mehr Wert wird auf Weiterbildung gelegt. Barbara Riedl-Wiesinger vom Karriereportal Monster: „Bedenklich ist, dass gerade in KMUs, die eine tragende Säule der heimischen Wirtschaft darstellen, die Weiterbildung offensichtlich einen geringeren Stellenwert besitzt.“

Innovation schafft Arbeitsplätze

Wenn sich Beschäftigte in erster Linie als „RichtlinienerfüllerInnen sehen“, habe dies indirekte Folgen für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, unterstreicht Angerler. Eine aktuelle AK-Studie zeigt nämlich: Innovation schafft Arbeitsplätze, und zwar ganze 19.000 pro Jahr. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Beschäftigungswachstums. „Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer innovationspolitischen Strategie sind entsprechende Investitionen in den Aus- und Weiterbildungssektor“, sagte AK-Präsident Rudolf Kaske anlässlich der Präsentation der Studie. Hier allerdings sieht er ein Defizit und fordert mehr Anstrengung der Unternehmen. Der Zugang zu Weiterbildung soll für alle gleich sein, so Kaske. Er fordert: „Eine Arbeitswoche pro Jahr innerhalb der bezahlten Arbeitszeit.“
Um die Qualität der Arbeit wieder in den Vordergrund zu rücken, fordern Gewerkschaft und Arbeiterkammer von den Unternehmen aber nicht nur mehr Engagement in Sachen Weiterbildung. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Arbeitszeit. Immerhin hat Österreich schon jetzt im EU-Vergleich die zweithöchste faktische Wochenarbeitszeit. Im Jahr 2012 kamen 300 Mio. Überstunden zusammen, auch dies ist ein Spitzenwert in Europa – und ein ganzes Viertel davon wird nicht abgegolten. Erhielten früher vor allem Führungskräfte All-in-Verträge, so werden diese inzwischen immer mehr Angestellten aufgezwungen.
Die Gewerkschaft fordert hier ein Zurück zum Ursprung, so Angerler: „Diese dürfen nur Beschätigte in höheren Hierarchie- und Gehaltsstufen bekommen.“ Es müsse bessere Kontrollen geben, fordert Angerler.
Nicht zuletzt oder vielmehr ganz besonders: Der Zugang zur sechsten Urlaubswoche muss erleichtert werden. Und: „Der Sonntag muss frei bleiben“, fordert Angerler. Zugleich müsse auch die Gesundheit der Beschäftigten deutlich mehr gefördert werden. Arbeitsbezogene Erkrankungen nehmen immer mehr zu, vor allem psychische Erkrankungen. „Der Druck, krank zur Arbeit zu gehen oder mehr zu arbeiten, lässt sich in der Statistik in jedem Fall ablesen“, so die Gewerkschafterin. Hier seien die Arbeitgeber gefragt, mehr für die Prävention zu tun.
Denn wie auch immer man es dreht und wendet: In die ArbeitnehmerInnen zu investieren bringt mehr, als sie noch weiter auszupressen – und zwar nicht nur den Beschäftigten, sondern auch den Unternehmern.

Mehr Info unter:
tinyurl.com/qyavm7n

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sonja.fercher@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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