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Mehr als die Hälfte holt keine Erlaubnis ein, bevor sie Bilder von Freundinnen und Freunden ins Netz stellen. Interessant ist dabei, dass das Recht am eigenen Bild für Jugendliche ohnehin oft Verhandlungssache ist.
Buchtipp

Digital Natives

Schwerpunkt

Jugendliche sind die Eingeborenen in der digitalen Welt - Internet, Handy und Computer gehören für sie von klein auf zum Alltag.

Schon von Digital Natives oder Digital Immigrants gehört? Dabei handelt es sich nicht um eine fremdenrechtliche Unterscheidung. Digital Natives sind mit digitalen Technologien wie Computer, Internet, Handys und MP3-Playern aufgewachsen. Digital Immigrants haben diese Technologien erst im Erwachsenenalter kennengelernt. Für die Jugend gehören neue Medien zum alltäglichen Leben. Eine technische Gebrauchsanweisung brauchen sie nicht, eine Hilfestellung betreffend den Umgang und mögliche Gefahren im Netz dafür umso dringender.

Internetzugang für fast alle

Mit Schlagwörtern wie Revolution 2.0 werden die massiven Veränderungen der Gesellschaft durch das Internet beschrieben. Zu Beginn war es vorwiegend Informationsbeschaffung. Heute kann man aufgrund der häufigen Nutzung sozialer Netzwerke wohl bereits von einer Art digitaler Völkerwanderung sprechen. Mittlerweile verfügen ca. 99 Prozent der Jugendlichen in Österreich über einen Internetzugang. Über 90 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen ein eigenes Handy, meist sogar ein Smartphone, wodurch sie permanent „online“ sein können. Drei Viertel der Jugendlichen sind täglich auf Facebook. Zweifellos hat die permanente Informations- und Kommunikationsmöglichkeit Auswirkungen auf die Lebenswelt von Jugendlichen. So treten Kinder wesentlich früher in die Welt der Erwachsenen ein. Neben Facebook haben Kinder und Jugendliche meist im Alter von 12 Jahren Erstkontakt mit Pornografie, mit 15 ist sie bereits völlig normal. Eltern verfügen meist nicht mehr über das nötige Know-how für die Welt der Jugendlichen. Der Freundeskreis übernimmt daher eine wichtige Rolle.
Jugendliche nutzen das Internet primär zur Informationsbeschaffung (Google, Wikipedia), sozialen Kommunikation (Facebook und Co.) und Unterhaltung durch Spiele, Videos und Musik (YouTube). Kooperation und Effektivität sind besonders wichtig. So fördert die digitale Vernetzung zwar die gegenseitige Unterstützung bei den Hausaufgaben, eine kritische Auseinandersetzung mit Internetinformationsquellen findet hingegen kaum statt. Hauptsache vor den Lehrerinnen und Lehrern wird die Herkunft verschleiert. Die Effektivität gilt auch für die Sprache. Mit „Emoticons“ kann jede Stimmung in wenige Zeichen gepresst werden. Ein simples :) oder „lol“ macht ganze Sätze überflüssig. Zu beobachten ist der Aufbau von Chatbeziehungen oder die Konstruktion einer eigenen Internet-Identität durch die Gestaltung von User-Profilen auf Social-Network-Portalen. Freunde werden häufig „besessen“, man kennt sie oft nicht. Die Kommunikation ist gestiegen. Hausaufgaben zu erledigen und dabei zu chatten ist völlig normal.
Das Thema Datenschutz kommt eher selten vor. Studien zu Facebook zeigen: Mehr als die Hälfte der Befragten erlauben uneingeschränkte Einsicht auf ihr Profil. Die überwiegende Mehrheit der 11- bis 19-Jährigen sieht ihre Aktivitäten in den Social Communities als unproblematisch an, obwohl Kenntnis über negative Konsequenzen durchaus gegeben ist. Das Risikobewusstsein ist meist nur schwach ausgeprägt. Nahezu zwei Drittel geben an, mit ihren Freundinnen und Freunden online genauso über alles zu reden, als würden sie sich persönlich gegenüberstehen. Immerhin werden sehr private Dinge nicht einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, auch wenn der Adressatenkreis durch „Freunde“ stark gestiegen ist.

Urheberrecht und Bildnisschutz?

Mehr als die Hälfte holt keine Erlaubnis ein, bevor sie Bilder von Freundinnen und Freunden ins Netz stellen. Interessant ist dabei, dass das Recht am eigenen Bild für Jugendliche ohnehin oft Verhandlungssache ist. Das heißt, der/die Jugendliche muss sich wehren, um eine Löschung zu erreichen. Andernfalls entscheiden Freunde darüber, was veröffentlicht wird und was nicht. Dieser Verlust an Souveränität wird häufig akzeptiert. Jede/r Fünfte wurde bereits mit peinlichen Fotos von sich selbst konfrontiert, auch Videos von Lehrerinnen und Lehrern sind Thema. Eine zu große Offenheit kann auch arbeitsrechtlich heikel werden. So gibt jede/r fünfte Jugendliche an, zumindest im Bekanntenkreis bereits Erfahrungen mit negativen Konsequenzen aufgrund eines Facebook-Postings gemacht zu haben.

Von „Tussis“ und „Opfern“

Auseinandersetzung mit Konflikten in sozialen Netzwerken ist Teil der Bewältigungsaufgaben im Jugendalter. Negative Phänomene wie Formen des Cyber-Mobbings oder -Bullyings nehmen teilweise dramatische Folgen an.  Neue Techniken, wie z. B. E-Mail, Chats, Instant-Messaging-Systeme oder auch Handys werden eingesetzt, um andere absichtlich zu verletzen, zu bedrohen, zu beleidigen, Gerüchte über sie zu verbreiten oder ihnen Angst zu machen. Manchen Studien zufolge hat bereits jede/r Dritte im Alter zwischen 12 und 19 Jahren solche Erfahrungen gemacht. Ein Viertel hat erlebt, dass das Internet gezielt dazu eingesetzt wurde, jemand fertig zu machen.
Im Unterschied zum klassischen Mobbing herrscht im Netz meist Anonymität und der Aggressor kann den Zustand des Opfers nicht einschätzen. Das Cyber-Mobbing findet vielmehr orts- und zeitunabhängig statt. Die Bandbreite reicht von Bloßstellen, Veröffentlichen von beleidigenden Fotos, Anlegen von Zweitprofilen (Fake Account), Ausgrenzung und Aufhetzen („Ich würde viele Leute auf ihn hetzen, dass sie ihn melden, dann fliegt er raus von Facebook“) bis hin zur Anlegung von Facebook-Gruppen, wie „Patrick, wir hassen dich“. Immerhin fünf Prozent der in einer Studie Befragten geben an, von Selbstmorden in ihrem Bekanntenkreis als Folge von Aktivitäten in sozialen Netzwerken Kenntnis zu haben.
Die Konfliktaustragung unterscheidet sich: Einschüchterung oder körperliche Gewalt findet man eher in bildungsfernen Schichten. Provokation oder spitzfindige Sticheleien werden eher in Gymnasien festgestellt. Geht es um die Konfliktlösung, so wird deutlich: Man gilt meist als „Tussi“ oder „Opfer“, wenn man Hilfe holt! Erwachsenen wird nicht zugetraut, dass sie sich in die Lebenswelt von Jugendlichen hineinversetzen können.

Der Trick mit den Apps

Der unkritische Umgang mit dem Internet wird auch im Geschäftsverkehr ausgenutzt. Gratis Hausarbeiten, Musik, Onlinespiele oder gar ein Flirtabo? Das Feld der Online-Abzocke kennt kaum Grenzen. So werden etwa Spiele in einem App-Store vermeintlich kostenlos heruntergeladen. Unwissentlich, dass bei solchen „Gratis“-Spielen teure Extras heruntergeladen werden.
Besonderes Augenmerk gilt auch dem WAP-Billing. Durch das Anklicken einer Werbeeinblendung erfolgt eine Weiterleitung auf die Webadresse des Anbieters. Die Rufnummer wird ebenso weitergeleitet. Ein unachtsamer Klick, und die negative Überraschung folgt meist in Form der nächsten Handyabrechnung. Eine weitere Masche ist es, mit Gewinnspielen an die Daten der UserInnen zu gelangen. Gibt man die Daten an, ist ein kostspieliges Abo oder eine überteuerte Dienstleistung häufig die Folge. Diese Abos laufen dann meist 48 Monate und kosten zwischen 50 und 100 Euro im Jahr.
Medienkompetenz als Notwendigkeit
Datenschutz, Mobbing und Abzocke sind nur ein Teil der Probleme in der digitalen Welt. Diese Thematiken sollen zeigen, dass moderne Bildung und Erziehung sich an den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen orientieren muss.
Es bedarf der Kompetenzvermittlung im Umgang mit Information und Kommunikation sowie den neuen Technologien. Die Anforderungen reichen dabei von der psychosozialen und der rechtlichen bis hin zur pädagogischen Kompetenzvermittlung. Es gilt, die neuen Technologien zu einem integralen Bestandteil der Allgemeinbildung werden zu lassen. Angesichts der vielfältigen Problemlagen ist der Bedarf an Kompetenzvermittlung enorm. Bleibt die Kompetenz auf der Strecke, geht in der digitalen Welt meist auch das Recht verloren.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor feigl@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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