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Entscheidend ist auch, dass die Jungen von ihren Eltern unterstützt werden.

Talent allein reicht noch nicht

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Der steinige Weg vom Jungtalent zum Profifußballer. Austria-Spieler Sebastian Wimmer geht für den Erfolg an seine Grenzen.

Jung, talentiert, ehrgeizig. Schon seit seinem 16. Lebensjahr hat der Oberösterreicher Sebastian Wimmer einen Manager. Dahinter verbirgt sich sein Traum, Berufsfußballer zu werden. Die Ziele sind genau definiert, eines davon konnte im letzten Jahr verwirklicht werden: Der 19-Jährige wurde von der Austria Wien verpflichtet. Sebastians Klub – der Linzer ASK (LASK) – bekam keine Lizenz für die zweite Liga und fast alle Vereine der österreichischen Bundesliga interessierten sich für das junge Talent aus Linz.

Der jüngste „Austria-Profi“

„Die Austria wollte mich unbedingt haben“, erzählt Sebastian. Das wollten zwar Ried, Sturm Graz und Rapid auch, doch der Austria-Trainer versprach, dass Sebastian mit der Profimannschaft trainieren dürfe. „Bei Rapid wurde mir angeboten, vorerst mit der zweiten Mannschaft zu trainieren und dort zu spielen.“ Nach einem Jahre hätte er dann die Chance gehabt, auch bei Rapid in die Profimannschaft zu kommen. Jetzt ist Sebastian der jüngste Spieler unter den Austria-Profis.
Freilich wurde Sebastian im ersten Jahr noch in keinem Pflichtspiel bei den Profis eingesetzt. Bei einem Cupspiel in Dornbirn und in der Meisterschaft gegen Salzburg durfte er auf der Ersatzbank sitzen. Spielen konnte er nur in der zweiten Mannschaft, in der dritten Liga. Für sein erstes Jahr hat er sich allerdings mehr ausgerechnet. „Ich bin schon etwas enttäuscht darüber, aber ich werde weiterkämpfen.“ Zerknirscht wirkt er nicht, er will weiter vollen Einsatz zeigen.
Sebastians Position ist „6er“, im zentralen defensiven Mittelfeld. Bei der Austria spielt der australische Teamspieler James Holland regelmäßig auf dieser Position, fällt Holland aus ist Florian Klein, ein österreichischer Nationalspieler, dort gesetzt. Junge Spieler können dann einzig auf Verletzungen oder Formkrisen hoffen, um endlich einmal in der Profimannschaft spielen zu dürfen. So gesehen freut sich nicht jeder im Team über eine Siegesserie seiner Mannschaft. Sebastian gehört nicht zu denen, immerhin wurde die Austria das erste Mal seit sieben Jahren wieder österreichischer Meister.

Einer von wenigen Glücklichen

Doch Sebastian ist sich auch durchaus bewusst, dass er zu den wenigen Glücklichen gehört, die den Sport als Profi ausüben können. Der Österreichische Fußballverband (ÖFB) ist der größte Sportverband in Österreich. Er vertritt über 500.000 SpielerInnen in über 2.000 Vereinen. Viele von ihnen haben irgendwann davon geträumt, als Profi-FußballerInnen aufzulaufen. Doch der Markt ist eng und die Zahl der Profis begrenzt. Etwa 500 von ihnen spielen insgesamt in der ersten und zweiten Liga, rund 100 davon kommen aus dem Ausland. Daneben haben etwa 100 Österreicher einen Vertrag mit einem ausländischen Club. Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise bekommen auch die FußballerInnen zu spüren. Laut der Spielergewerkschaft VdF sind derzeit mehr als 100 Profis arbeitslos. Die Absicherung ist trotz des Kollektivvertrags, den die Fußballergewerkschaft 2008 ins Leben rief, unsicher.
Allgemein ist das Leben der Fußballer von Unsicherheiten geprägt. Spieler müssen viele Frustrationen aushalten. Häufiger als jeder Durchschnittsbürger müssen sie verbriefte, nachweisbare Niederlagen erleben und damit fertigwerden. Josef Jansky ist Nachwuchsbetreuer bei Rapid Wien. „Eine der Grundeigenschaften, die ein Spieler haben muss, ist eine hohe Frustrationstoleranz“, erklärt der 41-Jährige. Für Rapid sucht der Betreuer junge Spieler, die spezielle Talente haben. Etwa einen Verteidiger, der viele Zweikämpfe gewinnt oder jemanden, der super flanken kann oder die Bälle gut verteilt. Wichtig sind aber auch persönliche Eigenschaften wie Robustheit oder die Fähigkeit, andere mitreißen zu können.
Entscheidend ist ebenso, dass die Jungen von ihren Eltern unterstützt werden. „Sie sollten schon Interesse haben und ihren Sohn loben“, weiß Jansky. Interventionen beim Trainer, dass „der Bua“ viel besser sei als der aufgestellte Spieler, sind allerdings höchst kontraproduktiv. Nichts stört eine Karriere mehr als ein verärgerter Trainer oder Funktionär. Josef Jansky: „Ich habe sogar zum Jugendleiter gesagt: ,Lass mir den Spieler in der Mannschaft! Der Bub kann nichts für seine Eltern.‘“

Eine neue Fußballer-Generation

Seit Österreich als Ausrichter der Europameisterschaft 2008 feststand, sind die Bemühungen, junge Nachwuchsspieler auszubilden, enorm gestiegen. Viele Junge werden in den Fußballakademien trainiert, werden in der Schule und im Fußball gefordert. Eine Fußballer-Generation, die ziemlich konform ausgerichtet ist und sich extrem auf das sportliche Ziel fixiert, wächst gerade auch in Österreich heran. Querdenker oder Spieler, die nicht in die Schablone passen, werden dadurch immer seltener. Sie kommen nur noch in Mannschaften, wenn sie absolute Ausnahmekönner sind. Das deutsche Filmportrait „Tom meets Zizou – kein Sommermärchen“ von Aljoscha Pause dokumentiert das Scheitern des deutschen Fußballprofis Thomas Broich. Broich, einst eines der größten Fußballtalente Deutschlands, gefiel sich darin, anders aufzutreten als durchschnittliche Fußballer. Er kokettierte mit seinen intellektuellen Ansprüchen. Doch dieses Anderssein wurde zu einer Bürde, als der Erfolg ausblieb.

Talent allein reicht nicht.

Disziplin, Fleiß und Durchsetzungsvermögen sind genauso wichtig. Auch Sebastian Wimmer hat viel Zeit in seinen Traum investiert. Neben dem Fußball hat er heuer im Juni die Handelsschule abgeschlossen. Meistens stand zweimal am Tag Training – Technik, Taktik, Spielformen, Passformen, Sprints, Langstreckenlauf – auf dem Programm, dazwischen Schule und am Abend musste er noch einmal lernen. „Das hat schon sehr an mir gezehrt, weil ich ja nicht nur den Verein, sondern auch die Schule gewechselt habe.“
Sebastian muss in Wien nicht einsam kämpfen. Sein Management ruft öfter an und fragt nach, wie es ihm geht, und seine Freundin lebt auch in der Stadt. So lässt sich die Umstellung gut verkraften. Seine Eltern haben ohnedies Verständnis für Sebastians Pläne. Der Vater, Hubert Wimmer, war selber Fußballer und gehörte zu der LASK-Elf, die im Europacup im Heimspiel 1985 Inter Mailand besiegte – er war der Torhüter. Nur Sebastians Opa ist als Erz-Rapidler nicht ganz glücklich, dass der Enkel zum Rivalen Austria gewechselt ist.

Riten und Hierarchien

Als 16-jähriger Jugendnationalspieler stand zur Debatte, ob Sebastian ins Ausland gehen sollte. „Ich hatte Angebote von Stuttgart und auch von Westham United aus London. Aber diesen Schritt muss man sich sehr gut überlegen“, berichtet der junge Austria-Spieler. Man hört immer nur von den Alabas, aber nicht von jenen, die gescheitert sind. Viele von ihnen hören komplett mit dem Fußball auf, weil sie die Schnauze voll haben. Mit den Ansprüchen fremder Kulturen sind Jugendliche, die oft nicht viel mehr als Fußballplätze gesehen haben, häufig überfordert. Und die Initiationsriten und Hierarchien – vor allem im englischen Fußball – sind sehr gefürchtet: Junge Spieler müssen die Schuhe der älteren putzen oder auf einen Sessel steigen und vor der versammelten Mannschaft Lieder zum Besten geben.
In der Saison 2013/2014 will Sebastian endlich in der Profimannschaft spielen und er hofft, dass er in die U21-Nationalmannschaft einberufen wird. Finanziell geht es ihm gut, denn immerhin fährt er als 19-Jähriger einen Audi A3. Aber auch hier gibt es eine Hierarchie. So kurvt der Austria Torwart mit einem Audi RS 5 über die Straßen, die billigste Version des Autos kostet 80.000 Euro. „Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, was passiert, wenn es nicht klappt“, zeigt sich Sebastian optimistisch. Er will sich lieber auf den Erfolg vorbereiten, arbeitet mit einem Mentaltrainer und will bald Italienisch lernen. Vielleicht braucht er ja die Sprache in absehbarer Zeit für seinen Beruf.

Fußballergewerkschaft:
www.vdf.at

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